Die Männer des Ersten Weltkriegs – Teil 2.328: Jakob Thanner

Der Soldat Jakob Thanner stammte aus Ranerding, heute Ortteil der bayerischen Gemeinde Oberbergkirchen, und war der Sohn eines Schuhmachers. Im Ersten Weltkrieg diente er in der 8. Kompanie des  2. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments. Am 22.07.1915 fiel er während der 2. Schlacht um Münster im Alter von 30 Jahren am Barrenkopf beim Münster im Oberelsass.

Über den Todestag und die Todesumstände schreibt die Regimentsgeschichte des 2. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments:

22.07.1915

Um 5 Uhr morgens begann, wie am 20., das feindliche Zerstörungsfeuer auf die ganze Front des Landwehr-Infanterie-Regiments 2 vom Schratzmaennele bis zum Rebberg. Der Schwerpunkt der Verteidigung lag wieder am Barrenkopf. Der Regiments-Kommandeur zog daher 6 Uhr morgens eine Kompanie (4.) und 1/3 Maschinengewehr-Kompanie Jäger 14 vom Eichwald und von Hohrod, die Regiments-Reserve (jetzt 7. Landwehr-Infanterie-Regiment 2) von Hohrodberg zur Badener Hütte heran, so dass dort bereit standen: 7. und 12. Kompanie/Landwehr-Infanterie-Regiment 2 und 4., 1/3 Radfahrer und 1/3 Maschinengewehr-Kompanie Jäger 14. Dem Oberstleutnant Reck wurde befohlen, die 5. und 7. Kompanie Landwehr-Infanterie-Regiment 1 zum Bärenstall heranzuziehen und die geschwächte 6./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 in der II. Stellung am Kuhberg einzusetzen.

Regiments-Gefechts-Stand war, wie am 20., die Badener Hütte. Dort befand sich auch Hauptmann von Diepow, der Führer des Unterabschnitts B, mit dem Bataillons-Stabe des Jäger-Bataillons 14.

9.30 Uhr vormittags ging der Feind nach schärfster Steigerung seines Artillerie- und Minenfeuers zum Angriff gegen die 1. Linie am Schratzmaennele-Hang vor, wurde aber von der Radfahrer-Kompanie der Jäger und unserer 5. Kompanie glatt abgewiesen.

Das feindliche Feuer nahm immer mehr an Stärke zu. Der Kompanieführer der 11. Kompanie, Hauptmann Ruidisch, fand bei dem Versuch, seine erschütterten Mannschaften aufzurichten, den Heldentod. Das gewaltige Getöse der zerspringenden 15, 22, 28 cm-Granaten und der schweren Minen, die am Südhange des Schratzmaennele, im Sattel und auf dem Barrenkopf Trichter auf Trichter aufrissen, die hohen Gebirgstannen fällten und die Unterstände einwarfen, wurde für die Nerven unerträglich. Die Mannschaften der 11. und 12. Kompanie waren kaum mehr in der Stellung zu halten. Es bedurfte der eisernen Ruhe des Kompanieführers der 12. Kompanie, Oberleutnant Emminger, um seine Leute zur Erfüllung ihrer Pflicht anzuhalten. Sein Zugführer, Leutnant Hönig, fiel, ein leuchtendes Vorbild für die Truppe, in Erfüllung seiner Pflicht. Oberleutnant Jakob, der Führer der 9. Kompanie, führte seine Kompanie mit ruhiger Überlegung aus dem stärksten Feuerbereich von der Höhe des Schratzmaennele hinter dessen Hang zurück, bereit, sie beim Vorgehen der feindlichen Infanterie entgegen zu werfen. Auch die 3. Kompanie Jäger 14 räumte schwer erschüttert den südlichen Teil des Sattels. Auf diese Meldungen hin gab der Regiments-Kommandeur dem Oberstleutnant Reck anheim, eine Kompanie als Rückhalt für die Kompanieen 1. Linie einzusetzen, wies ihn aber an, unbedingt eine Kompanie für den Gegenstoß zurückzuhalten. Daraufhin stellte Oberstleutnant Reck die 7./Landwehr-Infanterie-Regiment 1 hinter dem Sattel zwischen Schratzmaennele und Barrenkopf zur Abwehr bereit. Auch Hauptmann von Diepow verstärkte seine 3. Kompanie auf dem Barrenkopf durch 1 Zug der Radfahrer-Kompanie und 1 Maschinengewehr.

Gegen 11 Uhr vormittags steigerte sich das feindliche Artilleriefeuer zu einer ungeheuren Heftigkeit sowohl auf, wie hinter die Stellung. Hier wurde planmäßig die Badener Hütte, eine kaum splittersichere Blockhausgruppe, beschossen. Die drei Kompanien der Regiments-Reserve lagen deckungslos am Waldhange hingeschmiegt. Ein feindlicher Flieger kreiste über uns und leitete das Feuer. Geschoss auf Geschoss, 15 cm-Steilfeuer, schlug in unmittelbarer Nähe ein. Die Offiziere, vom Regiments-Kommandeur abwärts, traten zu der Truppe und hielten sie zusammen. Eine schwere Granate krepierte in der Jäger-Kompanie. 20 Tote und Verwundete lagen am Boden. Auch in unsere 7. und 10. Kompanie schlugen Volltreffer ein und schufen erhebliche Verluste. Zwischen die Brisanzgranaten waren Nebelbomben gemischt, die den Bergwald in dichten, braunen Rauch hüllten.

Noch während der Beschießung erfolgte 11.30 Uhr vormittags der Infanterie-Angriff. Der Feind drang im Sattel vor und in die Südwestecke des Schratzmaennele ein. Wieder, wie vorher am 20., wurde er durch die Feuergarbe des Maschinengewehr-Zuges des Vizefeldwebel Faulstich wirksam gefasst. Bei ihm befand sich der tapfere Führer der Maschinengewehr-Kompanie, Oberleutnant Banvield. Oberleutnant Banfield wurde am Oberschenkel schwer verwundet. Nun trat Oberleutnant Jakob mit seiner bis dahin zurückgehaltenen 9. Kompanie in den Kampf. Ihr Feuer schlug in die feindlichen Reihen von der Höhe des Schratzmaennele herab flankierend hinein. Auch ein Teil der 11. Kompanie hatte rühmlichen Anteil an der Abwehr des Feindes. Der Zugführer war zur Bataillons-Befehlsstelle geeilt, um persönlich Unterstützung herbeizuholen. Da übernahm Unteroffizier Pechaigner, der sich schon am 20. ausgezeichnet hatte, mit fester Hand die Führung des Zuges und brachte durch geschickte Feuerleitung dem über den Steinhang hinaufklimmenden Feinde schwere Verluste bei. Die 5. Kompanie Landwehr-Infanterie-Regiment 1 trat zum Gegenstoß an. Im Verein mit der 7. Kompanie dieses Regiments und unserer 12. Kompanie wurden die Reste der feindlichen Sturmtruppen, die am Schratzmaennele-Hang und im Sattel vorgedrungen waren, vernichtet. Wehrmann Peter Holzner der 12. Kompanie, verheirateter Tagelöhner von Altdorf bei Landshut und Vater von 6 Kindern, der sich schon am 20. ausgezeichnet hatte, deckte an besonders gefährdeter Stelle die linke Flanke seiner Kompanie und wehrte einen Flankenstoß des Feindes ab. Da keine Zeit zum Laden blieb, schlug er mit dem Kolben drein.

Sehr erheblich war zunächst der Erfolg des Feindes gegen den Barrenkopf. Die dort in Stellung befindlichen Teile der 3. Kompanie  und der Radfahrer-Kompanie Jäger 14 wurden von ihm vollständig zersprengt. Die Schützen der beiden Maschinengewehr Landwehr-Infanterie-Regiment 2 und des einen Maschinengewehr der Jäger wurden außer Gefecht gesetzt. Auf 200 Meter Entfernung erschienen die Alpenjäger vor den noch geschlossen bei der Badener Hütte liegenden Kompanien der Regiments-Reserve. Ihre Infanterie- und Maschinengewehr-Geschosse prasselten in die Kompanien hinein. Der Regimentskommandeur eilte zu den Kompanien. Auf seinen Zuruf „Hinauf auf den Kleinkopf! Drauf auf den Feind!“ stiegen Landwehrleute und Jäger, alles durcheinander, den bewaldeten Berghang zum Kleinkopf hinauf, immerfort angeeifert vom Regimentskommandeur. Die Offiziere gingen ihren Leuten voraus. Den Führer der 7. Kompanie, Hauptmann Krug, wies den der Regimentskommandeur persönlich an, die Kleinkopf-Kuppe zu gewinnen und von dort aus die Feinde vom Barrenkopf hinunterzuwerfen.

Als unsere Schützen die Höhe des Kleinkopfs erreicht und eine Feuerfront von dort bis zur Straße bei der Badener Hütte gebildet hatten, übergab der Regimentskommandeur dem Hauptmann von Diepow den Befehl über diese Front und begab sich zu der in Stellung am Wahlenstall mit Schussrichtung gegen Sattelkopf, westlich Reichsackerkopf, stehenden 6. Batterie Landwehr-Feld-Artillerie-Regiment 6. Der Regimentskommandeur befahl dem Batterie-Offizier, Leutnant Holstein, die Geschütze kehren und geschützweise gegen den auf dem Barrenkopf eingedrungenen Feind feuern zu lassen. Den gleichen Auftrag gab er durch Meldegänger der 3. Batterie bayerisches Reserve-Feld-Artillerie-Regiment 9 bei Schneiden. Beide Batterien unterstützten sehr wirksam unseren Infanterieangriff und trugen wesentlich zu dessen Erfolge bei.

Dem Kommandeur des I. Bataillons am Eichwald schickte der Regimentskommandeuer den Befehl, die 2. Kompanie und 2/3 Maschinengewehr-Kompanie Jäger 14 nach der Badener Hütte zu senden. Um auch von den am Südwesthange des Kleinkopfs und im Sattel bei Hinterberg stehenden Kompanien möglichst viele Kräfte für den Angriff frei zu machen, begab er sich zunächst nach Hinterberg zur 8. Kompanie/Landwehr-Infanterie-Regiment 2 und sodann zur 1. Kompanie Jäger 14 und veranlasste eine Rechtsschiebung im Schützengraben zum Hinaufrücken auf den Kleinkopf. Vom Südwesthange des Kleinkopfs aus dem Schützengraben der Jäger beobachtete er, wie die Alpenjäger vor unserem Gegenangriff und unserem Artillerie- und Infanteriefeuer in Massen gegen den Combekopf zurückströmten. Im Verfolgungsfeuer der Jäger sah man die fliehenden Feinde zusammenstürzen.

Der Feind war vom größten Teile des Barrenkopfes wieder vertrieben. Nur ein Rest von ihm saß noch in den Gräben auf der Barrenkopf-Kuppe. Um 2 Uhr nachmittags trafen die vom Eichwald heranbefohlenen 2. Kompanie und 2/3 Maschinengewehr-Kompanie Jäger 14 ein. Ein zug der Kompanie wurde eingesetzt und säuberte gemeinsam mit der 7. und 10. Kompanie Landwehr-Infanterie-Regiment 2 und der 4. Kompanie Jäger 14 unter der tatkräftigen Führung des Leutnants der Jäger Biermann die Kuppe des Barrenkopfes. 1 Major 1 Leutnant und 70 Alpenjäger der Bataillone 14, 106 und 114 wurden gefangen. Hierbei zeichnete sich der Unteroffizier Johann Schiefer der 12 Kompanie Landwehr-Infanterie-Regiment 2 besonders aus. Zwei am Barrenkopf und am Schratzmaennele einander gegenüber stehende Kampfgruppen der Jäger und der Landwehr glaubten Franzosen vor sich zu haben und begannen aufeinander zu feuern. Unteroffizier Schiefer klärte die beiden Abteilungen auf einem sehr gewagten Schleichgange über den gefährlichen Irrtum auf und verhütete dadurch erhebliche Verluste. Er veranlasste die Jäger, ihre Linie gegen den Schratzmaennele zu verlängern. Hierdurch wurden die eingedrungenen Franzosen abgeschnitten und gefangen genommen. Um 5 Uhr nachmittags war unsere Stellung wieder vollständig in unserer Hand. Im Laufe der Nacht wurden noch etwa 50, größtenteils leichtverwundete Alpenjäger eingebracht, die sich dircht vor unserer Stellung an der Nordwestecke des Barrenkopfs in Granatlöchern oder an versteckten Plätzen verborgen hatten. Bei den Aufräumungsarbeiten in der Stellung fanden sich mindestens 500 französische Gewehre; etwa 300 in der Stellung liegende tote Alpenjäger wurden von uns beerdigt. Der Sattel zwischen Barrenkopf und Combekopf war bedeckt mit toten Alpenjägern.

Das feindliche schwere Artilleriefeuer hatte eine ungeheure zerstörende Wirkung gehabt. Am Südrande des Schratzmaennele, im Sattel zwischen Schratzmaennele und Barrenkopf und auf dem Barrenkopf war kein Grabenstück, kein Unterstand mehr vorhanden. Das Drahthindernis war vor diesem Teile unserer Front vollständig beseitigt. Das ganze Gelände war von tiefen und weiten Granattrichtern durchwühlt, abgeschlagene Gebirgstannen lagen darüber und versperrten den Weg.

Eine Truppe, die ein derartig schweres Feuer zu ertragen und in diesem Granatenschauer zur Abgabe eines wohlgezielten Feuers, zu schneidigem Gegenangriff bereit war, hat gezeigt, dass sie unter den schwersten seelischen Eindrücken von dem eisernen Willen durchdrungen war, kein Fußbreit Boden dem Feinde abzutreten und dass ihr der Schutz des Vaterlandes über alles ging.

Auch auf dem Regiments-Abschnitt vom Eichwald bis zum Rehberg war schweres feindliches Artilleriefeuer gelegen, ein Angriff fand hier aber nicht statt, wenn die feindliche Infanterie auch durch Besetzung ihrer vordersten Gräben die Absicht zum Angriff vorzutäuschen suchte.

In den Kämpfen am 20. und 22. hatte das Landwehr-Infanterie-Regiment 2 einen Gefechtsverlust von 188 Toten, 395 Verwundeten. Am meisten hatten die 11. und 12. Kompanie in den Kämpfen am Schratzmaennele und Barrenkopf gelitten. Die 11. Kompanie hatte im ganzen 112, die 12. Kompanie 103 Gefechtsverluste aufzuweisen.“

Man begrub Jakob Thanner auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 4, Grab 66.

Sterbebild von Jakob Thanner
Rückseite des Sterbebildes von Jakob Thanner