Der Soldat Dr. Robert Koehler wurde am 24.08.1882 in der hessischen Kleinstadt Lich geboren und war von Beruf Oberlehrer. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Leutnant der Reserve in der 12. Kompanie des 118. Infanterie-Regiments. Am 24.05.1915 fiel er im Alter von 32 Jahren bei Cetula in Galizien / Polen.
Über den Todestag und die Todesumstände von Dr. Robert Koehler berichtet die Regimentsgeschichte des 118. Infanterie-Regiments:
„Am 24. Mai fand die Schlacht bei Cetula statt.
Das Regiment erhielt den Befehl, am 24. im Anschluss an die 20. Infanterie-Division den Ostteil von Cetula zu stürmen und über Cetula bis zur Höhe 195 und 211 vorzustoßen. Das III. Bataillon mit dem 3., 4. und 5. Zug der Maschinengewehr-Kompanie wurden zum Sturm angesetzt. Als die Sonne ihre ersten Strahlen durch das Laub der Buchenwälder sandte, ging die 10. Kompanie sowie die 20. Infanterie-Division in dünnen Wellen gegen die Höhe 215 vor. Der Angriff kam gut voran und die 12. Kompanie und später die 9. Kompanie folgten, um zu unterstützen und eventuell entstandene Lücken auszufüüllen. Die 11. Kompanie in 2. Linie.
Das Vorarbeiten war zuerst leicht, dann schwerer und schließlich unmöglich. Flankierendes feindliches Infanterie- und Maschinengewehrfeuer, desgleichen flankierendes und frontales Granat- und Schrapnellfeuer hielten die Sturmkolonnen auf. Auch die Anschlusstruppe rechts kam keinen Schritt mehr weiter. Die Kompanien füllten auf und gruben sich ein. Die Verluste waren zu empfindlich geworden. Die Russen hatten den Friedhof von Cetula besetzt und ein wohlgezieltes, unermüdliches Maschinengewehrfeuer rechtzeitig eröffnet. Die eigene Artillerie, die mit leichten und schweren Kalibern den Rand des Friedhofes beschoss und die ganze Gegend mit Nebelgranaten abstreute, konnte das feindliche Feuer nicht zum Schweigen bringen. Auch das II. Bataillon, besonders die Flügelkompanie, die längs der Straße nach Cetula vorzugehen hatte, erlitt empfindliche Verluste. Auch die 2. und 4. Kompanie wurden abends, ohne Erfolg ins Gefecht geworfen; und erst als die Sonne untergegangen war, trat vollständige Ruhe ein, denn die Russen hatten sich im Dämmerlicht geschickt zurückgezogen. Um 10.45 Uhr abends war Cetula vom Feinde frei. Die Kompanien des II. und III. Bataillons besetzten darauf den Nordrand des Dorfes und hoben dort eine Verteidigungsstelle aus.
Es war ein blutiger Tag für das Regiment. Wir hatten an Toten 3 Offiziere (Oberleutnant Schweiger Kompanieführer der 9. Kompanie, Leutnant der Reserve Köhler und Leutnant der Reserve Kromm), 67 Mann und 372 Verwundete.“
Man überführte den Leichnam von Dr. Robert Koehler in die Heimat und begrub ihn auf dem Neuen Friedhof in Gießen.
Bei einem Spaziergang auf dem Alten Friedhof Gießen fand ich folgende Inschrift auf einem Grab, die auf Hans Schlosser verweist. Hans Schlosser wurde am 15.07.1882 in Gießen im heutigen Bundesland Hessen geboren. Er war von Beruf Oberlehrer in Frankfurt. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Leutnant der Reserve in der 10. Kompanie des 99. Infanterie-Regiments. Am 31.10.1914 fiel er in Belgien vor Ypern (Flandern).
Über den Todestag und die Todesumstände von Hans Schlosser berichtet die Regimentsgeschichte des 99. Infanterie-Regiments:
„31. Oktober 5 Uhr vormittags stößt das Regiment auf heftigsten Widerstand an der Windmühlenhöhe südlich Gheluvelt. Die vordersten Linien erleiden sehr schwere Verluste und sehen sich zum Eingraben im ebenen flanderischen Boden gezwungen.
Mit Hellwerden setzt eigenes Artilleriefeuer auf die stark besetzte Windmühlenhöhe ein. Oberleutnant der Reserve Walter wird beauftragt, mit seiner 2. Kompanie die Windmühlenhöhe zu nehmen, während das übrige I. Bataillon zur Schließung einer links gegen das Infanterie-Regiment 136 klaffenden Lücke eingesetzt wird.
Maschinengewehre sollen den Angriff unterstützen.
In wenigen langen Sprüngen, doch nicht ohne Verluste, gelangt die 2. Kompanie von Hecke zu Hecke bis auf nahe Entfernung an den Feind und nimmt den Feuerkampf auf. Um 1 Uhr nachmittags soll zum Sturm angetreten werden, gleichzeitig mit dem rechts gegen das Dorf Gheluvelt angesetzten Infanterie-Regiment 105. Der Gefechtslärm lässt kaum mehr einen Befehl von Mann zu Mann durchkommen. Die Verluste im feindlichen Maschinengewehr-Feuer mehren sich.
Der Regiments-Kommandeur, Oberstleutnant Nollau wird schwer verwundet, der bewährte Kommandeur des III. Bataillons, Major Held, fällt. An ihre Stelle treten Major Reinicke vom I. Bataillon und Hauptmann von Kistowski, Hauptmann Bergere übernimmt die Führung des I. Bataillons. Außerdem fallen in kurzer Zeit 3 Offiziere, 10 werden verwundet, die Mannschaftsverluste steigern sich entsprechend. Da zeigt sich in einem Graben an der Windmühlenhöhe ein weißes Tuch, einzelne Engländer laufen fliehend bergan. Oberleutnant der Reserve Walter springt schnell entschlossen hinzu, noch ehe ihm seine hinter undurchdringlicher Hecke liegenden Mannschaften folgen können. Die Engländer werden abgeführt. Weiterstürmend gewinnt die Kompanie mit den rechts und links sich anschließenden anderen Teilen des Regiments Mühlengehöft und Höhe, die nach erbittertem Kampf 2.30 Uhr nachmittags in unserem Besitz ist. 200 Gefangene sind gemacht, 1 Maschinengewehr und zahlreiches Kriegsgerät erbeutet.
Der Feind geht flüchtend zurück, wirksam verfolgt vom Infanterie- und Artilleriefeuer der Unseren.
Dem einzelnen, in der Mitte des Geschehens Stehenden noch unbewusst, ist der Sieg in greifbare Nähe gerückt. Der Durchbruch durch die englischen Linien ist fast vollendete Tatsache und wurde, wie nachträglich geschichtlich feststeht, nur durch das Eingreifen des französischen Generals Foch verhindert.
In der Verfolgung vermischten sich die ohnehin durcheinander gekommenen Verbände noch mehr und erschwerten die Führung der ihrer Offiziere meist beraubten Truppe.
Der rechte Flügel des II. Bataillons drang bis zum Nordostrand von Gheluvelt vor und hielt ihn gegen starken Feind, dessen Gegenwirkung namentlich schwer war aus dem in der rechten Flanke liegenden Polygon-Wald, gegen den die rechte Nachbardivision nicht vorwärts gekommen war. Die links anschließende Linie lag hart südwestlich Gheluvelt.“
Man begrub Hans Schlosser auf dem Soldatenfriedhof Langemark in einem Massengrab.
Ich gehe gerne auf Friedhöfen spazieren – nicht nur auf Soldatenfriedhöfen. Es regt mich zum Nachdenken an und relativiert so manches Problem. So war ich vor einigen Tagen mal wieder auf dem Alten Friedhof in Gießen. Dabei nahm ich ein paar Fotos von Gräbern auf, auf deren Grabsteinen auf gefallene Soldaten verwiesen wurde. Darüber hinaus fiel mir ein Denkmal auf, das an die davor begrabenen Soldaten des Krieges von 1870/71 erinnert.
Nachfolgend das Foto des Grabes der Familie Ackermann. Auf ihm wird des Leutnants der Landwehr Otto Andreas Ackermann gedacht, der am 23.03.1874 in Gießen geboren wurde und seit dem 31.10.1914 bei den Kämpfen um Le Quesnoy en Santerre vermisst wird. Er diente im Ersten Weltkrieg als Offiziers-Stellvertreter in der 12. Kompanie des Infanterie-Regiment Kaiser Wilhelm (2. Großherzoglich Hessisches) Nr. 116. Er wurde offiziell zunächst als vermisst gemeldet, dann korrigierte man sich 1915 und meldete ihn als in Gefangenschaft geraten, um sich 1917 erneut zu korrigieren, indem man mitteilte, er sei doch seit dem 31.10.1914 vermisst. Nach meinen Recherchen kam er bei den Kämpfen bei Roye an der Somme, genauer gesagt während der Gefechte bei Le Quesnoy en Santerre im Alter von 40 Jahren ums Leben, heute ein Orsteil der französischen Gemeinde Parvillers-le-Quesnoy.
Über den Todestag von Leutnant Ackermann schreibt die Regimentsgeschichte des Infanterie-Regiment Kaiser Wilhelm (2. Großherzoglich Hessisches) Nr. 116.:
„Vierzehn volle Tage lag das Regiment in Cremery. Es war die erste größere Ruhezeit seit dem Ausrücken ins Feld. Da wurde die von der Krankheit kaum wiedergenesene Truppe jäh aus der Ruhe gejagt. Der schwarze Tag des Regiments kam heran. „Der Feind hat mit starken Kräften das von der 21. Infanterie-Division verteidigte Le Quesnoy-en-Santerre überrumpelt und weggenommen!“ Wie ein Blitz schlug diese Meldung am Abend des 30. Oktober beim Regiment ein. Sofort wurde alarmiert. Um 10 Uhr nachmittags rückten die Bataillone nach Fresnoy vor. Dort hieß es, es sei alles wieder in Ordnung, Le Quesnoy sei wieder unser, die Regimenter 81 und 88 hätten es den Franzosen wieder entrissen. Die Unsicherheit der einlaufenden Meldungen war nie so groß wie an diesem Tage. Die Bataillone rückten weiter vor nach Damery, wo sie um 4.00 Uhr vormittags ankamen. Dort kam neue Meldung von vorne: Le Quesnoy ist zum zweiten Male von den Franzosen genommen worden. Nun wurde das Regiment gegen das Dorf angesetzt. Rechts der Straße Damery – Quesnoy sollte das III. Bataillon mit vier Meschinengewehren vorgehen, an der Straße selbst und links davon das I. mit zwei Maschinengewehren. Das II. Bataillon hatte sich schon zwei Stunden zuvor in Anlehung an diese Straße entwickelt und lag bereits weit vorn im Felde. Ein lichterloh brennendes Haus in Le Quesnoy gab den in der Dunkelheit vorrückenden Kompanien die Marschrichtung an. Eine zeitlang schien es, als ob alles gut ablaufen sollte. Die Bataillone kamen vor, wenn auch mit Verlusten. Bald waren sie auf Sturmstellung an den Feind heran. Er lag wieder vor dem Dorfrand, gedeckt durch Gräben und Hecken. An einigen Stellen hatten sich die Kompanien bis auf 50 Meter an ihn herangearbeitet. Aber hier, so nah am Ziel, sollte jetzt ein Schauspiel anheben, so ungeheuer und fürchterlich, dass es den wenigen, die es überlebt haben, nie aus dem Gedächtnis entschinden wird. Einzelne Kompanien, auch Züge und Gruppen, stürmten vor. Ein rasendes Feuer mähte sie nieder. Was noch lebt, springt eiligst in die Deckung zurück. Ein zweiter und dritter Versuch missglückte ebenso. Dann gab es ein Zuwarten. Aber jede Verbindung nach rechts und links fehlt, und die Nachbartruppen schaffen keine Abhilfe gegen das schreckliche Flankenfeuer. Meldung nach hinten sind unmöglich. Was die Deckung verlässt, wird abgeschossen. Nirgends Hilfe, jeder ist auf sich selbst angewiesen. Von neuem wird der Sturm versucht. Mit gezogenem Degen stürmt Offiziersstellvertreter Ohly seiner 6. Kompanie voran. Er fällt, die meisten seiner Braven mit ihm. Der Oberleutnant der Reserve Frank von der 11. Kompanie gelingt es, mit einer kleinen unerschrockenen Schar durch die Hecken durchzustoßen und sich ins Handgemenge mit dem Gegner zu stürzen. Aber das Häuflein ist zu schwach, erliegt der Übermacht, und keiner von ihnen kehrt mehr zurück. Das gleiche Geschick ereilt den Führer der Leibkompanie, Oberleutnant Bethge, un den Adjutanten des I. Bataillons, Leutnant der Reserve Desch, mit ihren treuen Kameraden. Umsonst ist aller Heldenmut, umsonst jede pflichttreue Aufopferung. So vergeht Stunde auf Stunde in qualvoller, hoffnungsloser Lage. Mit Bangen wird der Abend erwartet.
Aber auch der sollte keine Besserung bringen. Hunger und Durst quälen die durch die Anstrengung des Tages zu Tode Ermatteten. Aber es kann nichts nach vorn geschafft werden. Die mondhelle Nacht lässt keine Verbindung zu. Was den Kopf über die Deckung streckt, ist verloren. Abgeschnitten von allem, gefangen wie in einer Falle! Kein Essen, kein Trinken, kein Munitionsersatz. Und doch wird der Entschluss, das Dorf zu stürmen, nicht aufgegeben: Drei Bataillone von den Regimentern 87 und 88 rücken im Laufe der Nacht nach vorn. Aber es gelingt ihnen nicht einmal, bis in Höhe unserer vorderen Kompanien zu kommen; 200 Meter dahinter müssen sie liegenbleiben und Schutz suchen gegen die alles niedermähenden feindlichen Maschinengewehre.
Ohne die Mitwirkung der Artillerie war jede Anstrengung vergeblich, war die größte Heldenhaftigkeit umsonst. Am späten Morgen des 1. November kam der Befehlt: „Unsere Artillerie nimmt den Dorfrand unter Feuer, die vor Le Quesnoy liegenden Bataillone sollen bis in die Höhre rechts anschließenden Infanterie-Regiment 118 zurückgehen.“ Aber der Befehl, sich vom Feinde loszulösen, konnte nicht ausgeführt werden, denn es war inzwischen hell geworden und alles lag dicht am Gegner. Das bald einsetzende Feuer unserer Artillerie fasste zwar die Stellung des Gegners gut, aber es brachte der Infanterie nicht die gehoffte Erleichterung, da es naturgemäß auch unsere Gräben in Mitleidenschaft ziehen musste. Trotzdem wird der Sturm nch der Beschießung von neuem versucht. Zweimal, dreimal springen Leutnant Madlung und andere Offiziere und Unteroffiziere mit ihren Leuten aus dem Graben. Verheerendes Feuer aus den Hecken und Häusern und von den Bäumen, insbesondere aus der Flanke schlägt ihnen entgegen. Umsonst ist alle Todesverachtung der tollkühnen Scharen; was nicht fällt, stürzt verwundet in Stellung zurück, darunter auch Leutnant Madlung. Noch einmal, um 12 Uhr mittags, versucht das an diesem Tage mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnete löwenkühne Führer der M.G. Kompanie, Hauptmann Poly, mit drei Maschinengewehren – die übrigen sind zerschossen – und einer Schar Versprengter aus allen Kompanien des Regiments, zusammen mit dem Bataillon Schildhauer vom Infanterie-Regiment 117 den Angriff wieder in Fluss zu bringen. Auch jetzt ist alles vergebens. Sie kommen nur vor bis zu den am Feinde liegenden Trümmern der Kompanien. Hier stürzt der tapfere Offizier, die Seele des Angriffs, schwer verwundet zu Boden, ein selten gesehenes Beispiel von Mut und Unerschrockenheit, und um ihn sinkt einer seiner Getreuen nach dem anderen nieder. In gleich kühnem Vorgehen stirbt Major Freiherr Schilling von Cannstatt, der Führer des III. Bataillons, den Heldentod. Leutnant Brodrück, Meyer und Rose werden verwundet, zusammen mit ihnen der größte Teil der Unteroffiziere und Mannschaften, die mit ihren Offizieren wetteiferten an Tapferkeit und Pflichttreue.
Als sich der zweite Tag vor Le Quesnoy zu Ende neigt, schleppt sich ein Teil der Verwundeten, den Tod nicht mehr achtend, zurück. Verpflegung konnte auch in dieser Nacht nicht nach vorn gebracht werden. Trotzdem wurde der Befehl zum Sturm aufrechterhalten. Aber irgendwo liegt die Grenze des Möglichen.
Am 2. November setzte also nach dem Hellwerden eine neue Beschießung des Dorfrandes durch unsere Artillerie ein. Diesmal waren es schwere Kaliber, Mörser und Haubitzen, die der Infanterie den Weg bahnen sollten. Die 3. Brandenburger, die dem Gegner schon zu so manchem Tanz aufgespielt hatten, richtete auch heute wieder wüste Verheerungen am Dorfrande an. Aber leider mussten auch diesmal wie am Tage zuvor die eigenen Gräben mitgetroffen werden. Es traten Verluste ein. Meldung zur Artillerie war unmöglich. Die Niedergeschlagenheit erreichte ihren Höhepunkt. Hoffen und Fürchten, Mut und Verzagen, Freude und Schmerz machten allmählich einer völligen Empfindungslosigkeit, einer körperlichen und seelischen Widerstandslosigkeit Platz. Wie ein letztes Aufflackern, eine letzte Zuckung sah man um die Mittagsstunde links zwei Pionierkompanien zum Angriff vorrücken. Sie kamen bis zu dem Wäldchen 800 Meter südlich von Le Quesnoy. Weiter nicht. Dann hörte jede Bewegung auf. Erstarrung legte sich über das Schlachtfeld. Da erkannte die höhere Führung die Unmöglichkeit der Tat. Sie war nicht auszuführen, sonst hätte sie das Regiment ausgeführt. Gegen Abend kam der Befehl, die Stellung zurückzunehmen in eine von Parvillers nach dem Wegekreuz südwestlich von Damery führende Linie, die von der 21. Infanterie-Division besetzt werden sollte. Noch eine letzte schwere Aufgabe! Auf der Erde kriechend, den verwundeten Kameraden in einer Zeltbahn mit sich schleppend, das zerschossene Maschinengewehr hinter sich her zerrend oder den toten Führer auf den Schultern tragend, so löste sich Grüppchen für Grüppchen vom Gegner los, verfolgt vom lauernden feindlichen Feuer. Über Damery schleppten sie sich nach Fresnoy, das sie vor drei Tagen um die selbe Zeit verlassen hatten. Todmüde warfen sie sich dort zur Erde nieder, doch die fiebernden Schreckensschreie und Kommandorufe der Träumenden ließen sie auch hier keine Ruhe finden.
Erst das nächste Morgenlicht ließ die völlige Größe des Unglücks erkennen. Im wilden Durcheinander vor Le Quesnoy konnte man nicht wissen, wer noch zu den Lebenden zählte und wer fehlte. Erst jetzt, als die Verbände sich wieder ordneten, wurde es schrecklich Tag. Zehn Offiziere, darunter auch Leutnant der Reserve Ackermann, Herb, Kammer und Feldwebelleutnant Schmitt und 569 Unteroffiziere und Mannschaften fehlten. Fast alle Kompanien waren ohne Offiziere. Von den vielen Kriegsfreiwilligen, meist Gießener Studenten, die vor zwei Wochen in heller Begeisterung zum Regiment ins Feld gefahren waren, war fast keiner mehr zurückgekehrt. In frischem, aufrechten Vorwärtsstürmen waren sie bis auf wenige von der Sichel des Todes hinweggemäht worden. Nun lagen sie draußen auf dem Felde von Les Quesnoy, und die Schritte des Feindes zogen achtlos an ihnen vorrüber. Größere Niedergeschlagenheit hat selten auf einer Truppe gelastet. Gewohnt an Sieg und stolz auf so manchen ruhmreichen Sturm hatte das Regiment sich hier zum ersten Male beugen müssen. Zwar war es nicht besiegt, aber schon der unentschiedene Kampf wurde als Niederlage empfunden. Nutzlos war das Blut der vielen Kameraden dahingeflossen.
Offiziell ist für Otto Andreas Ackermann keine Grablage bekannt. Ich gehe jedoch davon aus, dass, sollten seine Gebeine bis heute geborgen worden sein, diese nicht mehr identifiziert werden konnten. Er wurde dann anonym in einem Massengrab auf dem Soldatenfriedhof Roye-St.Gilles begraben, wo fast 3.000 unbekannte Soldaten beigesetzt wurden. Dort ruhen auch die sterblichen Überreste seiner Regimentskameraden, die im gleichen Zeitraum wie Leutnant Ackermann fielen, u. a. Hauptmann Karl Friedrich Poly, gefallen am 02.11.1914 in Le Quesnoy-en-Santerre bei Roye, begraben auf dem Soldatenfriedhof Roye-St.Gilles in Block 2, Grab 1117.
Das folgende Bild zeigt den Grabstein des Kriegsfreiwilligen Georg Heinrich Schirmer, der am 21.03.1896 geboren wurde, im Ersten Weltkrieg im Stab der I. Abteilung des Reserve-Feld-Artillerie-Regiments 56 kämpfte und am 15.06.1915 im Alter von 19 Jahren bei Suwalki im heutigen Polen fiel.
Bemerkenswert ist, dass die Familie von Georg Heinrich Schirmer den Leichnam in den Kriegswirren in die Heimat überführen konnte und überführte.
Das folgende Foto zeigt den Gedenkstein auf dem Grab der Familie Schmidt, der an ihren Sohn Ludwig Schmidt erinnern soll. Ludwig Schmidt wurde am 12.03.1885 geboren und war Oberlehrer von Beruf. Er wurde Leutnant der Reserve im 1. Garde Hessisches Feld-Artillerie-Regiment. Er wurde für seine Tapferkeit und seine militärische Leistung mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse und mit der Hessischen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Am 31.03.1918 fiel er bei Puisieux au Mont an der Somme.
Man begrub Ludwig Schmidt auf dem Soldatenfriedhof Neuville-St.Vaast, Block 29, Grab 251.
Das folgende Foto zeigt eine Gedenkplatte der Familie Reuss für ihren Sohn Hermann. Er fiel am 22.10.1914 in Frankreich. Vermutlich wurden die sterblichen Überreste von Hermann Reuss bei der Zusammenlegung von Soldatenfriedhöfe in den Jahren um 1920 auf den Soldatenfriedhof Lens-Sallaumines verbracht, wo sie auch heute noch ruhen.
Die beiden nachfolgenden Kreuze stehen direkt am Nebeneingang zum Alten Gießener Friedhof. Das linke Kreuz markiert das Grab von Leutnant Hans Neuenhagen. Das rechte Kreuz steht für Oberleutnant Berthold Neuenhagen. Leider sind die Inschriften im Holz schon stark verwittert und nur undeutlich lesbar.
Hans Neuenhagen wurde am 01.04.1898 in Gießen geboren Er diente im Ersten Weltkrieg in der 3. M.G. Kompanie des 398. Infanterie-Regimentes. Er fiel am 14.06.1917 im Alter von nur 19 Jahren bei der Eroberung von französischen Stellungsteilen am Chemin des Dames, nördlich Braye.
Berthold Neuenhagen war vermutlich der Bruder von Hans Neuenhagen. Er wurde am 20.07.1906 geboren und war als Oberleutnant Schwarmführer, also der Führer einer Flugformation von vier bis sechs Kampfflugzeugen. Er stürzte am 06.11.1934 während eines Schulflugs für die damals noch getarnte Luftwaffe bei Groß-Rakitt (heute polnisch, Rokity) in Pommern ab. Bei diesem Absturz einer Junkers 52 3/MGE D-AVAN Deutsche Reichsbahn, die auf dem Weg von Königsberg (heute Kaliningrad, russisch) nach Berlin war, überlebte niemand von der Besatzung. Insgesamt fünf Personen starben, Kapitän Fritz Erb, Leutnant Berthold Neuenhagen und drei Besatzungsmitglieder.
Bewohner des Dorfes Groß-Rakitt errichteten zur Erinnerung an die Opfer einen Gedenkobelisken, der noch heute auf dem Feld, auf dem das Flugzeug abstürzte, steht.