Sonderbeitrag: Graf Friedrich von Spreti

Bei meinen Recherchen zu einem Gefallenen des bayerischen Leib-Infanterie-Regiments stieß ich auf das Schicksal von Graf Friedrich von Spreti.

Graf Friedrich von Spreti wurde am 31.01.1870 in München geboren. Er war Adjutant des Prinzen Heinrich von Bayern. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Hauptmann und Chef der 11. Kompanie des bayerischen Infanterie-Leib-Regiments. Am 27.08.1914 fiel er im Alter von 44 Jahren bei Nossoncourt (Volksbund: Donciéres).

Nossoncourt

Über den Todestag und die Todesumstände von Graf Friedrich von Spreti berichtet die Regimentsgeschichte des bayerischen Infanterie-Leib-Regiments:

„27. August 3.30 Uhr vormittags geht der Regimentsstab in seinen Unterstand. Unter „Unterstand“ verstehe man hier einen nassen Straßengraben, darunter ein Brett und darauf ein paar von einem Apfelbaum gepflückte Zweige. In diesem Unterstande liegend, fühlte man sich aber köstlich geborgen gegen jederlei Gefahr. Allmählich wird es hell, doch unablässig strömt der Regen. Wir erkennen, wie ungünstig unsere Bataillone in den nachts übernommenen Stellungen liegen. Ab 10 Uhr vormittags schlägt heftigstes Artilleriefeuer von drei Seiten auf uns ein; meist ist es schwere Artillerie, die uns aufs Korn nimmt. Feindliche Infanterie ist aber nirgends sichtbar. Das II. Bataillon in Nossoncourt kann sich halten, das III. Bataillon dagegen auf der Höhe nordostwärts Nossoncourt liegt dort unter derart schwerem Artilleriefuer, dass es Major Epp auf die Höhe östlich Bazien zurücknimmt. Herrgott, was ist es bedrückend, stundenlang untätig in schwerem Artilleriefeuer zu liegen, zusammengeschossen zu werden und sich nicht wehren zu können! Was ist denn eigentlich mit unserer Artillerie? Warum schießt sie nicht? Wenn wir damals geahnt hätten, dass unsere Artillerie, jetzt in den ersten Tagen des Krieges schon, empfindlich an Munitionsmangel litt! Leider hatte sie aber auch schon schwere Verluste gehabt, die wohl auch darauf zurückzuführen waren, dass die Batterien grundsätzlich, wie im Manöver, stets auf den höchsten Höhen in Feuerstellung gingen. –

2 Uhr nachmittags kam der Befehl zum Angriff. Wie eine Erlösung wurde er begrüßt. In schärfstem feindlichem Artilleriefeuer geht es vorwärts. Schon liegt Nossoncourt hinter uns, als nunmehr auch aus dem vor uns liegenden Waldgelände Infanterie uns unter Feuer nimmt. Hauptmann Freiherr von Stengel und Leutnant der Reserve Matthaei werden verwundet. Um sich dem „Bois de la Grande Coinche“ zu nähern, muss eine breite Wiesenmulde überschritten werden. Die Bataillone führen ihre Bewegung wie bei einer Regimentsbesichtigung aus. Bald springt hier eine Schützenlinie vor, bald dort; hier wiederum sieht man einen geschlossenen Zug vorstürzen, dort schleicht sich ein Zug in Reihenkolonne vorwärts. Und alle haben daselbe Ziel, das Bois de la Grande Coinche, das heute noch unser werden soll.Bei blutrot untergehender Sonne treten die Bataillone zum Sturme an. Der Wald ist erreicht; hier und dort dringen Kompanien hinein. Wildes Geschieße allerorts. Der 6. Kompanie kommen 50 Franzosen unter Führung eines Offiziers, der eine weiße Fahne trägt, entgegen; sie haben die Gewehre umgehängt und sagen, sich ergeben zu wollen. Im gleichen Augenblick aber knallen aus Büchsen und von Bäumen herab wohlgezielte Schüsse auf die sorglosen Leiber; viele von ihnen wälzen sich in ihrem Blute. Die überlebenden Kameraden aber zahlen dem Feinde den meuchlerischen Überfall gebührend heim, und bald war die Rechnung wieder quitt.

Als letzte der Kompanien drang die 11. Kompanie, die sich der Regimentsführer als Reserve zurückbehalten hatte, in den Wald. Hiebei fand der sie begleitende Führer des III. Bataillons, der tapfere und allseits beliebte Hauptmann Graf Spreti, durch ein verlorenes Geschoss den Heldentod. Während nun alle Leiberkompanien im Walde verschwunden waren, standen unsere beiden Nachbarabteilungen, das 20. und 2. Infanterie-Regiment, noch im Kampfe vor dem Walde. Lange noch tobte, auch längst noch nach eingebrochener Dunkelheit, das Infanteriefeuer, und grausig klangen die Salven, mit denen die Franzosen unsere vorwärtsdrängenden Kompanien überschütteten. 11 Uhr abends endlich ließ das Feuer nach; nun war es aber auch an der Zeit, dass der Regimentsführer seine Bataillone wieder fest in die Hand bekam. Er nahm daher einige rückwärtige Kompanien aus dem Walde heraus; am Waldrand sammelten sie. Sie sangen die Wacht am Rhein; und von hier, von dort ertönte das Lied als Antwort auch aus dem Walde. So war geklärt, wo unsere Kompanien standen. Auch der Feind tat uns den Gefallen und tat uns seine Lage kund durch den Gesang der Marseillaise. Allmählich wurden alle Kompanien aus dem Walde zurückgenommen; unter dem Schutze schwacher, im Walde belassener Posten sammelten und ordneten sich die Bataillone unmittelbar am Waldrande und legten sich hier todmüde zur Ruhe. Vorher aber noch beerdigten wir unsere Toten, und die 11. Kompanie zimmerte ihrem toten Chef im trüben Licht eines brennenden Reisighaufens ein kunstvoll Kreuz. Beim Regimentsstabe wurden die Verwundeten, etwa 100 an der Zahl, zusammengetragen. Doch keiner unserer Ärzte war da. Diese hatten heute Morgen schon vollauf zu tun und hatten den Anschluss an das Regiment verloren. So halfen wir denn den Verwundeten selbst, so gut es ging, reichten ihnen Wasser, betteten sie auf herbeigeschafftes Stroh und legten Notverbände an. Ganz besonders hat sich um sie die ganze Nacht hindurch der Vizefeldwebel der Reserve von der Osten verdient gemacht und ihnen manch Liebeswerk getan. – Die gestrigen und heutigen Kämpfe hatten kund getan, dass wir nunmehr an das Vorgelände des hervorragend zur Verteidigung eingerichteten französischen Festungsgürtels angeprallt waren. In dieses weiter vorzustoßen wäre ohne stärkste Artillerieunterstützung Wahnsinn und nutzlose Aufopferung gewesen. Aber auch operativ kam ein weiteres Vorgehen gegen das Festungsgelände nicht mehr in Frage. So galt es denn jetzt nur mehr, die erreichten Stellungen zu behaupten.“

Man begrub Graf Friedrich von Spreti auf dem Soldatenfriedhof Bertrimoutier in Block 1, Grab 223.

In Obersendling gedenkt man Graf Friedrich von Spreti noch heute auf einem Denkmal: http://www.denkmalprojekt.org/2022/obersendling-schuetzen_stadt-muenchen_wk1.html

Graf Friedrich von Spreti

Die Männer des Ersten Weltkrieges – Teil 1.696: Karl Hofmeier

Der Gefreite Karl Hofmeier stammte aus Weyarn in Oberbayern und war der Sohn eines Schuhmachermeisters. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er in der 4. Kompanie des 1. bayerischen Infanterie-Regiments. Er wurde mit dem Militärverdienstkreuz 3. Klasse ausgezeichnet. Am 22.03.1918 verstarb er nach schwerer Verwundung im Alter von 28 Jahren bei Jussy in Frankreich nach 5 1/2 Jahre Kriegsdienst.

Über den Todestag von Karl Hofmeier berichtet die Regimentsgeschichte des 1. bayerischen Infanterie-Regiments:

Am 22.03.1918 ging es vorwärts über Lizerolles – Montescourt bis an Jussy heran. In diesen Kämpfen haben die MG und Begleitbatterien ganz hervorragende Leistungen erreicht, sie waren die einzigen Stützen des Angriffs geworden, da die Masse der Artillerie im Stellungswechsel nach Vorwärts und in der Umgruppierung war. Es gelang der 1. bayerischen Infanterie-Division in der großen Schlacht bis nach Lassigny = 50 km Tiefe durchzustoßen, dabei stand die Division in ständigem Kampfe. Bis auf wenige Kilometer wurden die MG und ihre ganze Munition getragen. In der Ausbildung bei Vervins war dieses Tragen besonders trainiert worden. Es hat sich tausendfach bezahlt gemacht und manchem das Leben gerettet, denn die Begleitbatterien und MG waren trotz des schlechten Bodens – die Division stand im weg- und straßenlosen „Alberich-Gebiet“ – jede Minute zur Stelle. Die Batterien protzten in der Infanterielinie oft wenige hundert Meter vom Gegner zum Feuer ab.
Im Montescourt fiel dem Regiment ein englisches Lazarett mit Verpflegungsdepot in die Hände. Jeder raffte zusammen, was er schnell unterbringen konnte, so ganze Speckseiten und Wammerl, die unter den Arm genommen wurden und von denen man während des Vorgehens herunterbiss. Auch gab es Schokolade in reicher Menge, Cornedbeef, Whisky und sonstige gute Schnäpse, Eier in Mengen, Navy-Cut Zigaretten und Tabak. Ein paar betrunkene Engländer wurden aus dem Keller herausgezogen. Einige ausgezeichnete Pferde bildeten einen willkommenen Ersatz. Alles war das Bild einer kopflosen Flucht. Der Feind war vom Angriff vollkommen überrascht worden. Scharfe Manneszucht verhinderte einen längeren Aufenthalt in Montescourt. Es ging das Regiment beiderseits der Straße Montescourt – Jussy auf Jussy am Crozat-Kanal, dem Angriffsziel der 1. bayerischen Infanterie-Division weiter vor. Doch kam kurz vor Jussy gegen 9.30 Uhr vormittags der Angriff zum Stocken. Ein Eindringen in den Ort Jussy war nicht möglich. Gegnerische Reserven an Artillerie und Infanterie waren eingetroffen, sie leisteten am Nordrand von Jussy äußerst zähen Widerstand.
In einem ausgetrockneten Seitenarme des Crozat-Kanals standen zahlreiche englische MG, die dem Regiment sehr große Verluste beibrachten. Sehr geschickt aufgestellt und wandernd, sobald sie gefasst waren, bildeten sie für die Artillerie ein sehr schweres Ziel.
Jussy liegt zu beiden Seiten des Crozat-Kanals in dem von uns 1917 völlig zerstörten „Alberich-Gebiet“. Das Gelände ist vollkommen eben und ohne jegliche Deckung. Der Gegner – Engländer – hatte von den Häuserresten aus und dem etwa 500 Meter hinter Jussy führenden hohen Eisenbahndamm sehr günstige Beobachtung.
Die am Nachmittage des 22.03.1918 wiederholt gemachten Angriffsversuche des III., II. und I. Bataillons sowie des links anschließenden Infanterie-Regiments 30 blieben alle unter schweren Verlusten im Feuer liegen. Wohl unterstützte die in hervorragender Weise gefolgte Begleitbatterieganz ausgezeichnet. Da aber die Masse der Artillerie noch in der Umgruppierung nach vorwärts war, fehlte die notwendige tatkräftige Feuerunterstützung für den Angriff auf Jussy. Es musste daher die Dämmerung und die Nacht abgewartet werden, um die Wirkung der englischen MG zu lindern.“

Man begrub Karl Hofmeier auf dem Soldatenfriedhof St.-Quentin in einem Massengrab.

Sterbebild von Karl Hofmeier
Rückseite des Sterbebildes von Karl Hofmeier

Die Männer des Ersten Weltkrieges – Teil 1.693: Josef Luxenburger

Der Ersatz-Reservist Josef Luxenburger stammte aus Hirnsberg, heute ein Ortsteil der bayerischen Gemeinde Wolnzach, und war der Sohn eines Landwirts. Im Ersten Weltkrieg diente er in der 6. Kompanie des 21. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments. Am 20.11.1915 fiel er im Alter von 29 Jahren bei Fromelles während der Stellungskämpfe in Französisch Flandern durch Kopfschuss.

Über den Todestag von Josef Luxenburger schreibt die Regimentsgeschichte des 21. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments:

20.11.1915 Wiederablösung des Reserve-Infanterie-Regiments 64 durch Reserve-Infanterie-Regiment 21. Leider scheint der Gegner davon Kenntnis zu bekommen haben, denn alle Stellungsteile und die Verbindungswege werden wiederholt mit Feuerüberfällen belegt, was uns 2 Tote und 6 Verwundete kostet. Der seit Oktober niedergehende Regen hat außerordentlich störend gewirkt, zumal das Reserve-Infanterie-Regiment 64 in der Bekämpfung des Wassers noch ungeübt war. Der nicht verschalte, sondern nur aus Sandsackwällen bestehende Inselstützpunkt ist in sich zusammengesunken. Mit Ausnahme des Depot- und des Etappengrabens steht in allen Verbindungswegen Wasser. Glücklicherweise scheint auch der Gegner sehr unter den Wasserverhältnissen zu leiden, denn sein Feuer, besonders das der Infanterie, lässt auffalend nach. Auch seine Artillerie schießt fast nur noch aus flankierender Richtung gegen die zwei erwähnten Verbindungsgräben und gegen unsere Pionier-Geräteniederlage am „Christuskreuz“. Die Besetzung ist die gleiche wie früher.“

Man begrub Josef Luxenburger auf dem Soldatenfriedhof Beaucamps-Ligny in Block 3, Grab 104.

Sterbebild von Josef Luxenburger
Rückseite des Sterbebildes von Josef Luxenburger

Der theoretische Weg von Josef Luxenburger von seinem Geburtsort über seinen Sterbeort zu seinem Grab:

Die Männer des Ersten Weltkrieges – Teil 1.690: Martin Klinger

Der Gefreite der Landwehr Martin Klinger stammte aus Saaldorf und war der Sohn eines Landwirts. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er in der 12. Kompanie des 1. bayerischen Infanterie-Regiments. Er wurde mit dem Verdienstkreuz mit Schwertern ausgezeichnet. Am 01.06.1916 fiel er während der Schlacht um Verdun im Alter von 28 Jahren bei Douaumont bei der Erstürmung der feindlichen Gräben , des J-Werkes und der Batterie-Anlagen südwestlich des Forts Douaumont durch einen Kopfschuss.

Über seinen Todestag berichtet die Regimentsgeschichte des 1. bayerischen Infanterie-Regiments:

„Bis 01.06.1916 früh blieb das Bataillon mit kurzer Unterbrechung in seiner Stellung. An diesem Tage 6.00 Uhr früh stürmten nach heftigstem Trommelfeuer örtlich anschließende deutsche Truppen den Caillette-Wald.
Da beschlossen die Führer der 11. und 12. Kompanie (Oberleutnant Eder + 13.06.1916 (Anmerkung: Oberleutnant Wolfgang Ritter von Eder, gefallen am 13.06.1916 bei Douaumont, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hautecourt-lès-Broville in einem Massengrab) und Leutnant der Reserve Lang + 12.06.1916 (Anmerkung: Leutnant Otto Lang, gefallen am 12.06.1916 bei Douaumont, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hautecourt-lès-Broville in einem Massengrab)) auch ihrerseits das 150 Meter vor ihnen liegende sehr stark besetzte französische J-(Infanterie)-Werk und die anschließende Batteriestellung wegzunehmen. Die 10. Kompanie (Führer Leutnant der Reserve Altinger, hierbei tödlich verwundet) schloss sich an.

Im heftigsten Handgranatenkampf rollte ein Zug der 11. Kompanie (Führer Leutnant Roßmann, hierbei gefallen) den feindlichen Graben auf, schneidige Stoßtrupps aller drei Kompanien drangen unterstützt von MG von allen Seiten gegen das J-Werk und die Batteriestellung vor und trieben die Besatzung von dem Eingang in das Innere. Handgranatensalven erzwangen die Übergabe der tapferen Verteidiger. Das gesamte französische Bataillon, etwa noch 370 Mann einschließlich des Stabes wurde gefangen genommen, drei MG erbeutet.
Die siegreichen  Kompanien stießen etwa 100 Meter über das eroberte Werk vor und gruben sich dort ein.
Zum Festhalten des Errungenen und zur Unterstützung des sehr schwachen Kompanien schob auf eigenen Entschluss hin die bisherige Reservekompanie (9.) durch heftigstes feindliches Sperrfeuer hindurch auf der ganzen Linie ein; kurz darauf wurde ihr tapferer Führer, Max-Joseph-Ritter Leutnant Hopffer (Anmerkung: Leutnant Kurt Ritter von Hopfer, geboren am 02.02.1892, gefallen am 01.06.1916 bei Douaumont, begraben auf dem Münchner Waldfriedhof in Reihe 37, Grab 14 -> Wikipedia), tödlich verwundet.“

Man begrub Martin Klinger auf dem Soldatenfriedhof Hautecourt-lès-Broville in einem Massengrab.

Sterbebild von Martin Klinger
Rückseite des Sterbebildes von Martin Klinger

Sonderbeitrag: Willi Graetsch

Der Soldat Willi Graetsch kämpfte als Leutnant der Reserve im 1. Grenadier-Regiment. Am 30.08.1914 fiel er während der Schlacht bei Tannenberg bei Malgoosen.

Über den Todestag und die Todesumstände von Willi Graetsch berichtet die Regimentsgeschichte des 1. Grenadier-Regiments:

„Am 30. August standen die Bataillone I und II sowie II/Feld-Artillerie 52 in den schon vorgefundenen ausgehobenen Stellungen nördlich Jägersdorf bereit. Es fielen wiederholt Schüsse aus dem Walde. Oberleutnant von Wasielewski, der Führer der 2. Kompanie, stürzte verwundet vom Pferde. Seine Kompanie nahm eine zusammengeschossene Batterie in Besitz und brachte sie nach Neidenburg. Während der Feind nach Osten in die Waldungen abzog, blieben die Bataillone zunächst in den Stellungen bei Jägersdorf. Gegen Mittag sammelte sich das Regiment (ohne Füsilier-Bataillon) und II/Feld-Artillerie 52 an der Chaussee zum Abmarsch nach Ortelsburg. Die Spitze war schon angetreten, als ein Generalstabsoffizier im Auto den Befehl überbrachte: „Feindliche Kräfte im Anmarsch von Mlawa auf Neudenburg. Detechement von Massow geht über Klein und Groß Grabenow auf Piotrowitz vor, setzt sich in Besitz von Sagsau und geht energisch gegen die Russen vor.“ Mit dem I. Bataillon in der Vorhut begann der Marsch in südöstlicher Richtung durch dichten Wald an die feindliche Grenze, die zum erstenmal überschritten wurde. Auf russischem Gebiet ging es bei großer Hitze auf sandigen, schattenlosen Wegen vorwärts, so dass viele liegen blieben. Aber das Ziel wurde 3.30 Uhr nachmittags erreicht und entfaltet, mit vorgenommenen Schützen ging die Truppe dem Feinde entgegen, während schwere russische Granaten in bedrohlicher Nähe einschlugen. Ein von der 2.. Division entsandter Ordonnanz-Offizier brachte die Bewegung zum Stehen und rief das Regiment wieder zurück. Es trat unter den Befehl der 2. Infanterie-Division, welche sich auf den Höhen südwestlich Gregersdorf und bei Magdalenz entwickelt hatte. Östlich dieses Dorfes musste sich das Detachement am Waldrande bereitstellen. Zum Eingreifen kam es nicht mehr, denn die Russen (I. Korps, verstärkt durch Truppen aus Warschau), die zum Ersatz ihrer eingeschlossenen Armee angerückt waren, glaubten sich von überlegenen Kräften in der Flanke bedroht und traten am späten Nachmittag wieder den Rückzug an.

Bis zur Dunkelheit blieb das Regiment in seiner Stellung und marschierte dann 7.30 Uhr abends nach Modtken ab. Während hier II. Bataillon Ortsbiwak bezog und die Straßen nach Süden sicherte, erhielt das I. Bataillon Befehl, sofort nach Gregersdorf weiter zu marschieren und sich der 2. Infanterie-Division zu unterstellen. Hier bezog das Bataillon als Divisionsreserve 500 Meter östlich des Dorfes nördlich der Chaussee Biwak. Leutnant Lenz schreibt: „An diesem Abend hörte man die Russen im Walde Choräle singen. Am nächsten Morgen wurden weiße Hemden und Tücher am Waldrande vom Feinde geschwenkt, um die Übergabe anzuzeigen. Ein Generalstabsauto fährt mit Unterhändlern hinter uns auf der Chaussee in Richtung Willenberg, biegt dann links ab und fährt zu den Russen hinüber in den Wald. Gegen Abend kommen die ersten russischen Gefangenen an uns auf der Chaussee vorbei, zuerst ein paar Autos und Wagen mit russischen Offizieren, dann Kolonnen zu 1.000 Mann, nur von wenigen Ulanen oder Infanteristen eskortiert. Großer Jubel bei den deutschen Truppen.“

Die Lage des Grabes von Willi Graetsch ist unbekannt.

Todesanzeige für Willi Graetsch in der Königsberger Hartungschen Zeitung vom 07.09.1914

Die Männer des Ersten Weltkrieges – Teil 1.664: Gallus Wohlschläger

Der Gefreite Gallus Wohlschläger stammte aus Oberhaindlfing, heute ein Ortsteil der bayerischen Gemeinde Wolfersdorf, und war der Sohn eines Wagnermeisterss. Im Ersten Weltkrieg diente er in der 12. Kompanie des 3. bayerischen Infanterie-Regiments. Er wurde mit dem Verdienstkreuz 3. Klasse mit Schwertern ausgezeichnet. Am 24.03.1916 fiel er im Alter von 25 Jahren während der Schlacht um Verdun im Wald von Avocourt durch Granatschuss.

Über den Todestag von Gallus Wollschläger berichtet die Regimentsgeschichte des 3. bayerischen Infanterie-Regiments:

„Erst gegen Morgen des 24.03.1916 war es möglich, mit Ablösung in kleinen Gruppen zu beginnen. Der Regimentsstab wurde zur Übergabe an den dort erwarteten Kommandeur 25. bayerisches Infanterie-Regiment zum Brigadegefechtsstand beordert. Die zum Teil eingeebneten, mit zähem Lehm angefüllten Laufgräben, in denen Tote und Verwundete im Lehn versunken lagen, waren ungangbar. Der Eindurck, den insbesondere die trotz der Bemühungen des Sanitätspersonals noch der Versorgung harrenden Schwerverwundeten und die zerfetzten Leichname boten, waren überwältigend. Das fortgesetzte, besonders auf den Kreuzungspunkten von Gräben mit Laufgräben liegende Sperrfeuer und die fegenden Feuerüberfälle erschwerten die Ablösung derart, dass bis zum Abend des 24.03. noch kaum der vierte Teil des Regiments in den Ruhequartieren Romagne (Regiments-Stab und MG Formationen), Ivoiry (I/3. b. IR), Lager Nantillois (II./3. b. IR), Lager Bois (III./3. b. IR) eingetroffen war. Erst am 25.03. morgens kamen die zuletzt abgelösten Teile in ihren Quartieren an. Alles war aufs äußerste erschöpft.“

Gallus Wohlschläger war also auf dem Weg ins Ruhequartier, weg vom Schlachtfeld durch einen Granattreffer getötet worden. Welch übles Schicksal!

Offiziell ist für Gallus Wohlschläger keine Grablage bekannt. Es ist auch unklar, ob nach dem Einschlag der Granate noch etwas vom Körper des Mannes übrig war. Sollte noch etwas zu begraben war, so wurde er wahrscheinlich auf dem Soldatenfriedhof Consenvoye anonym in einem Massengrab beigesetzt, wo auch seine Regimentskameraden begraben wurden, die im gleichen Zeitraum fielen, u. a.

  • Gefreiter Michael Hiller, gefallen am 21.03.1916 im Wald von Malancourt Consenvoye in einem Massengrab;
  • Unteroffizier Ludwig Bauer, gefallen am 24.03.1916 im Wald von Malancourt Consenvoye in einem Massengrab;
  • Vizefeldwebel Wilhelm Kolb, gefallen am 22.03.1916 im Wald von Malancourt Consenvoye in einem Massengrab;
  • Gefreiter Johann Petz, gefallen am 22.03.1916 im Wald von Malancourt Consenvoye in einem Massengrab.

 

Sterbebild von Gallus Wohlschläger
Rückseite des Sterbebildes von Gallus Wohlschläger

Die Männer des Ersten Weltkrieges – Teil 1.658: Alois Hartleitner

Alois Hartleitner stammte aus Eschelbach an der Ilm, heute ein Ortsteil der bayerischen Gemeinde Wolnzach, und war der Sohn eines Landwirts. Im Ersten Weltkrieg diente er in der 7. Kompanie des 13. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments als Gefreiter. Am 28.07.1915 fiel er im Alter von 27 Jahren bei Kulakowice in Russland während der Schlacht bei Hrubieszow.

Die Regimentsgeschichte des 13. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments berichtet über den Todeszeitraum Alois Hartleitners:

„24. – 28.07.1915 Bei Kulakowice. Vorschieben und Ausheben der Sturmstellung. 1/2 I. und II. Bataillon, am 27. und 28.7. Divisionsreserve in Moniatyce, rücken am 28. abends wieder in Stellung.
29.07.1915 8.00 Uhr vormittags Sturm auf die russische Stellungen, die genommen werden. 730 Gefangene, 4 MG.“

Die Lage des Grabes von Alois Hartleitner ist heute unbekannt. Es dürfte nicht mehr existieren.

Sterbebild von Alois Hartleitner
Rückseite des Sterbebildes von Alois Hartleitner

SONDERBEITRAG: Otto Ackermann

Bei einem Spaziergang über den Alten Friedhof in Gießen stieß ich auf die Gedenkplatte für Otto Ackermann. Er wurde am 23.03.1874 in Gießen im heutigen Bundesland Hessen geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Leutnant der Landwehr in der 12. Kompanie des 116. Infanterie-Regiments. Ende 1914 wurde er als vermisst gemeldet. Später, Anfang 1915 meldete die Verlustliste, er sei in Gefangenschaft geraten. Ende 1917 korrigierten sich die Militärbehörden via Verlustliste. Demnach gilt Otto Ackermann als seit dem 31.10.1914 als bei Le Quesnoy en Santerre (heute Parvillers-le-Quesnoy) an der Somme vermisst. Er wurde 40 Jahre alt.

Über den Todestag und die Todesumstände von Otto Ackermann berichtet die Regimentsgeschichte des 116. Infanterie-Regiments:

„Der Feind hat mit starken Kräften das von der 21. Infanterie-Division verteidigte Le Quesnoy-en-Santerre überrumpelt und weggenommen!“ Wie ein Blitz schlug diese Meldung am Abend des 30. Oktober beim Regiment ein. Sofort wurde alarmiert. Um 10 Uhr nachmittags rückten die Bataillone nach Fresnoy vor. Dort hieß es, es sei alles wieder in Ordnung, Le Quesnoy sei wieder unser, die Regimenter 81 und 88 hätten es den Franzosen wieder entrissen. Die Unsicherheit der einlaufenden Meldungen war nie so groß wie an diesem Tage. Die Bataillone rückten weiter vor nach Damery, wo sie um 4 Uhr vormittags ankamen. Dort kam neue Meldung von vorn: Le Quesnoy ist zum zweiten Male von den Franzosen genommen worden. Nun wurde das Regiment gegen das Dorf angesetzt. Rechts der Straße Damery-Quesnoy sollte das III. Bataillon mit vier Maschinengewehren vorgehen, an der Straße selbst und links davon das I. mit zwei Maschinengewehren. Das II. Bataillon hatte sich schon zwei Stunden zuvor in Anlehnung an diese Straße entwickelt und lag bereits weit vorn im Felde. Ein lichterloh brennendes Haus in Le Quesnoy gab den in der Dunkelheit vorrückenden Kompanien die Marschrichtung an. Eine Zeitlang schien es, als ob alles gut ablaufen sollte. Die Bataillone kamen vor, wenn auch mit Verlusten. Bald waren sie auf Sturmstellungen an den Feind heran. Er lag wieder vor dem Dorfrand, gedeckt durch Gräben und Hecken. An einigen Stellen hatten sich die Kompanien bis auf 50 Meter an ihn herangearbeitet. Aber hier, so nahe am Ziel, sollte jetzt ein Schauspiel anheben, so ungeheuer und fürchterlich, dass es den wenigen, die es überlebt haben, nie aus dem Gedächtnis entschwinden wird. Einzelne Kompanien, auch Züge und Gruppen stürmten vor. Ein rasendes Feuer mähte sie nieder. Was noch lebt, springt eiligst in die Deckung zurück. Ein zweiter und dritter Versuch missglückt ebenso. Dann gibt es ein Zuwarten. Aber jede Verbindung nach rechts und links fehlt, und die Nachbartruppen schaffen keine Abhilfe gegen sas schreckliche Flankenfeuer. Meldungen nach hinten sind unmöglich. Was die Deckung verlässt, wird abgeschossen. Nirgends Hilfe, jeder ist auf sich selbst angewiesen. Von neuem wird der Sturm versucht. Mit gezogenem Degen stürmt Offizierstellvertreter Ohly seiner 6. Kompanie voran. Er fällt, die meisten seiner Braven mit ihm. Dem Oberleutnant der Reserve Frank von der 11. Kompanie gelingt es, mit seiner kleinen unerschrockenen Schar durch die Hecke durchzustoßen und sich ins Handgemenge mit dem Gegner zu stürzen. Aber das Häuflein ist zu schwach, erliegt der Übermacht, und keiner von ihnen kehrt mehr zurück. Das gleiche Geschick ereilt den Führer der Leibkompanie, Oberleutnant Bethge, und den Adjutanten des I. Bataillons, Leutnant der Reserve Desch, mit ihren treuen Kameraden. Umsonst ist aller Heldenmut, umsonst jede pflichttreue Aufopferung. So vergeht Stunde auf Stunde in qualvoller, hoffnungsloser Lage. Mit Bangen wird der Abend erwartet.

Aber auch der sollte keine Besserung bringen. Hunger und Durst quälen die durch Anstrengung des Tages zu Tode Ermatteten. Aber es kann nichts nach vorn geschafft werden. Die mondhelle Nacht lässt keine Verbindung zu. Was den Kopf über die Deckung streckt, ist verloren. Abgeschnitten von allem, gefangen wie in einer Falle! Kein Essen, kein Trinken, kein Munitionsersatz. Und doch wird der Entschluss, das Dorf zu stürmen, nicht aufgegeben: Drei Bataillone von den Regimentern 87 und 88 rücken im Laufe der Nacht nach vorn. Aber es gelingt ihnen nicht einmal, bis in Höhe unserer vorderen Kompanien zu kommen; 200 Meter dahinter müssen sie liegenbleiben und Schutz suchen gegen die alles niedermähenden feindlichen Maschinengewehre.“

Bis heute konnte man seine Gebeine nicht finden bzw. identifizieren. Es könnte sein, dass sie anonym in einem Massengrab auf dem Soldatenfriedhof Montdidier begraben wurde, wo auch zwei seiner Kameraden begraben wurden, die am gleichen Tag fielen, u. a.

  • Kriegsfreiwilliger Hans Rumpf, gefallen am 31.10.1914 bei Quesnoy-en-Santerre, begraben auf dem Soldatenfriedhof Montdidier in einem Massengrab;
  • Oberleutnant Wolfgang Frank, geboren am 24.03.1876 in Oberlais, gefallen am 31.10.1914 bei Quesnoy-en-Santerre, begraben auf dem Soldatenfriedhof Montdidier in einem Massengrab.

 

Gedenkplatte für Otto Ackermann auf einem Grabstein auf dem Gießener Alten Friedhof

Die Männer des Ersten Weltkrieges – Teil 1.631: Lukas Ammer

Der Soldat Lukas Ammer stammte aus Ering und war der Sohn eines Hausbesitzers. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er in der 10. Kompanie des bayerischen Infanterie-Leib-Regiments. Am 12.08.1914 fiel er im Alter von 26 Jahren zwischen Bremenil und Neuviller-lès-Badonviller.

Über seinen Todestag berichtet die Regimentsgeschichte des Infanterie-Leib-Regiments:

12.08.1914 Am frühen Morgen gehen französische Patrouillen aus Badonviller gegen II./L. vor. II./L. greift sie an, I. und III./L. schließen sich dem links umfassenden Angriff an. Am Vormittage dringt II./L. in Badonviller ein, stößt nach erbittertem Häuserkampf bis Fennwiller durch. I. und III./L. stürmen kurz darnach, Badonviller links umgehend, nach schwerem Kampfe die französischen Linien vor Peronne. Ein erster herrlicher Sieg war erfochten, eine französische Brigade vom Regiment allein geworfen. Die Verluste waren beträchtlich. Abends Biwak bei Neuviller.“

Einer der beträchtlichen Verluste war Lukas Ammer.

Offiziell ist für Lukas Ammer keine Grablage bekannt. Ich gehe jedoch davon aus, dass er anonym in einem Massengrab auf dem Soldatenfriedhof Reillon begraben wurde, wo auch seine Regimentskameraden beigesetzt wurden, die im gleichen Zeitraum fielen, u. a. 

  • Unteroffizier Hans Dannhorn, gefallen am 12.08.1914 bei Badonviller, begraben auf dem Soldatenfriedhof Reillon in einem Massengrab;
  • Gefreiter Arnim Friedrich, gefallen am 12.08.1914 bei Badonviller, begraben auf dem Soldatenfriedhof Reillon in einem Massengrab;
  • Infanterist Johann Graf, gefallen am 12.08.1914 bei Badonviller, begraben auf dem Soldatenfriedhof Reillon in einem Massengrab;
  • Infanterist Max Schöll, gefallen am 12.08.1914 bei Badonviller, begraben auf dem Soldatenfriedhof Reillon in einem Massengrab.

 

Sterbebild von Lukas Ammer
Rückseite des Sterbebildes von Lukas Ammer

SONDERBEITRAG: Arnold Tamm

Bei einem Spaziergang auf dem Alten Friedhof in Gießen wurde ich auf folgendes Schicksal aufmerksam: Der Soldat Arnold Tamm wurde am 17.03.1882 in Büdingen im heutigen Bundesland Hessen geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpft er als Leutnant der Reserve in der 12. Kompanie des 81. Infanterie-Regiments. Am 22.08.1914 fiel er während der Schlacht bei Neufchâteau im Alter von 32 Jahren bei Bertrix in Belgien.

Über den Todestag und die Todesumstände von Arnold Tamm berichtet die Regimentsgeschichte des 81. Infanterie-Regiments:

„Bertrix. 22. August 1914

Die Feuertaufe des Regiments 81

In den Vormittagsstunden, in denen diese Bereitstellung stattfand, war die Lage ungeklärt. Nachrichten über den Feind lauteten sehr unbestimmt. Gegen den Abschnitt des XVIII. Armee-Korps sollten angeblich zwei französische Korps im Anmarsch sein.

Als sich in den weiteren Stunden des Vormittags vom Feinde nichts zeigte, wurden die Feldküchen an die Kompanien herangezogen und das Essen ausgegeben.

Erst auf genauere Meldungen des Ulanen-Regiments 6, Betrix sei vom Feinde besetzt, trat die 21. Infanterie-Division um 2 Uhr nachmittags auf Befehl des Generalkommandos auf der Straße Recogne auf Betrix mit den Hauptkräften den Vormarsch an.

In der Vorhut marschierte das Regiment 88 mit einer Abteilung des Feldartillerie-Regiments 63, am Anfang des Gros folgte 81, dann kam die lange Kolonne des Feldartillerie-Regiments 27 und der einen Abteilung Feldartillerie-Regiment 63, dann Füsilier-Regiment 80, welches in die Artillerie-Kolonne ein Bataillon eingeschoben hatte.

Die rechte Seitendeckung – Infanterie-Regiment 87 unter Generalmajor von der Esch – ging auf Ochamps vor.

Zu beiden Seiten der Vormarschstraße war dichter, hoher Wald, Foret de Luchy und Foret Huqueny. Außerhalb der Wälder stand der Ginster in prachtvoller goldgelber Blüte. Überall war das Gelände unübersichtlich, ein wenig hügelig, doch boten die Erhebungen keine Möglichkeit für Maschinengewehre, vorgehende eigene Infanterie mit Maschinengewehr-Feuer zu überschießen. Das Vorwärtskommen wurde erheblich erschwert durch die mit starkem Draht eingefassten Viehweiden, die Drahtschweren bekamen viel Arbeit.

Während des Vormarsches auf der großen Chaussee verstärkte sich der Gefechtslärm, besonders rechts von Ochamps her. Auch vorwärts von Bertrix her war Infanterie- und Artilleriefeuer vernehmbar. Die Vorhuten und die rechte Seitendeckung sind scheinbar überall auf den Feind gestoßen. Etwa 3.30 Uhr nachmittags erreichte der Anfang des Gros der 21. Infanterie-Division – das Infanterie-Regiment 81 – das Straßenkreuz Recogne – Fays les Veneurs und Ochamps-Huqueny. An dieser Stelle befanden sich alle höheren Stäbe, mitten unter ihnen der Großherzog von Hessen. Der Regiments-Kommandeur, Seine Hoheit Prinz Friedrich Karl von Hessen war bis zum westlichen Waldrand vorgeritten. Von Erkundung zurückgekehrt, befahl der Prinz: Vorhut ist überraschend auf den Feind gestoßen, Regiment 81 wird in Verlängerung des Regiments 88 – links von diesem – zu beiden Seiten der Chaussee eingesetzt.

Das II./81, Major Genthe, hatte bereits gleich nach 1 Uhr mittags, noch bei Neuvillers, den Befehl erhalten, die Sicherung der linken Flanke der 21. Infanterie-Division zu übernehmen. Major Genthe ging mit 5. und 8. Kompanie, Hauptmann von Oppeln und von Prittwitz, auf dem tief eingeschnittenen Bahngleise gegen Betrix vor, die 6. Kompanie, Hauptmann Frisch, war Bedeckung der schweren Artillerie Nr. 3, und die 7. Kompanie, Hauptmann der Reserve Hahn, schloss sich dem III./71, Major Robert, an.

Der Kommandeur des I./81, Major von Nostitz, entwickelte beiderseits der Chaussee, Richtung Bertix, seine Kompanien, 1./81 und 4./81, Hauptmann Hilken und Oberleutnant von Brandt (für den erkrankten Hauptmann Vollmer), in Verlängerung links des Regiments 88, nördlich der Chaussee, 2. und 3. Kompanie, Hauptmann Bullrich und Hauptmann Lueder, südlich der Chaussee. Das III. Bataillon, Major Robert, mit der Maschinengewehr-Kompanie, Hauptmann Ahlers, zog sich entwickelt südlich in den Wald von Huqeny, I./81 links verlängernd.

Lagekarte am 22.08.1914 bei Betrix

Bereits im Walde erhielten die Bataillone Artillerie- und Infanteriefeuer. Zum ersten Male vernahm man das eigenartige Sausen der französischen Infanterie-Geschosse, es klang wie „pfiu – pfiu“.

Sehr schwierig war die Entwicklung für die Artillerie, sie musste mitten im Walde auffahren und in Feuerstellung gehen. Eine Batterie 27 stand an der vrogenannten Chausseekreuzung und sperrte mit ihren Fahrzeugen die Straße.

Im Waldreichen unübersichtlichen Gelände entwickelten sich nun schwere Nahkämpfe, die eigentlich überall von den Kompanien einzeln durchgeführt wurden. Die Regiments-Kommandeure, der Prinz und die Bataillons-Kommandeure befanden sich mitten in der vorsersten Schützenlinie.

Der Regiments-Stab am 22.08.1914 an der Straße Recogne-Bertrix. Prinz Friedrich Karl von Hessen gibt Befehle X

Der Feind hatte sein ganzes XVII. Armee-Korps mit vier Brigaden in Front, zwischen Huqeny und Ochamps, gegen die 21. Infanterie-Division eingesetzt. Auch die französische Artillerie war, ebenso wie die deutsche, gezwungen, in den Waldstücken nordöstlich Bertrix und Assenois in Feuerstellung aufzufahren.

Die Deckung gegen Sicht, die der Wald bietet, gestattete unseren angreifenden Kompanien, dicht an die französischen Batterien heranzukommen und mit gefälltem Bajonett in deren Feuerstellung einzudringen. Ein nicht zu schildernder Angriffsgeist beherrschte jeden einzelnen Musketier; fast ohne zu feuern, liefen die Kompanien im Sturmschritt in langen Sprüngen vorwärts. Sie hatten es ja vor noch nicht langer Zeit auf dem Übungsplatz bei Orb genügend geübt. Eine tropische Hitze herrschte am Nachmittag des 22. August. Der Wille, mit blanker Waffe an den Feind heranzukommen, lässt aber Durst und Hitze vergessen. Der Franzose hatte sich überaus geschickt flüchtig aufgeworfener Schützengräben bedient und leistete hartnäckigen Widerstand. Wo die Kompanien im Walde auf Artillerie stießen, wurden die Geschütze genommen. Hauptmann Bullrich, 2./81, stirbt mitten in einer französischen Batterie den Heldentod. Hauptmann Hilken, 1./81, erhält sechs Schritte vor einem Geschütz den tödlichen Schuss.

Der Kampf im Walde würfelte die Kompanien, ja die Regimenter durcheinander. Unter Führung von Oberleutnant von Brandt und Leutnant der Reserve Schmitz (7./81) wurde eine Batterie im Walde gestürmt, wobei sich besonders der Feldwebel Port durch sein tollkühnes Draufgehen auszeichnete. Der Fahnenträger Vizefeldwebel Filbert I/81 wurde verwundet. Überall  wurde der Franzose geworfen. Im Vorwärtsdringen schwenkte die 21. Infanterie-Division aus der anfänglich nach Westen gerichteten Angriffsfront allmählich mehr nach Süden in eine ungefähre Linie Assenois-Nordrand Bertrix ein. –

Der Vormarsch der 5. und 8. Kompanie unter Major Genthe auf dem tief eingeschnittenen Bahnkörper, von Schwelle zu Schwelle springend, gestaltete sich bei der großen Hitze recht anstrengend. In der Nähe des Waldrandes, 1 ½ Kilometer östlich Bertrix, kamen die Kompanien bei Durchschreiten eines Grundes in Artillerie-Strichfeuer, das aber glücklich durchlaufen wurde. Die Kompanien gingen durch den Wald und entwickelten sich nebeneinander zum Angriff gegen die Chaussee Bertrix – Aeremont. Im feindlichen Feuer ging es sprungweise vorwärts, hierbei schob sich die 11. Kompanie in die 8. Kompanie hinein. Mit aufgepflanztem Seitengewehr wurde die hochgelegene Chaussee gestürmt, der Gegner wich. Hierbei wurde Fahnenträger II. Bataillon, Sergant Ott, verwundet, trotzdem versuchte er noch vorzustürmen; als es nicht mehr ging, ergriff Musketier Pfleger, 11./81, die Fahne und trug sie vor. Leutnant Adolph, 5. Kompanie, fiel hier durch Kopfschuss. Die Kompanien stießen weiter vor. Die 8. Kompanie gelangte so bis auf die letzten Höhen vor Géripont; dort machte die Dunkelheit dem Vordringen ein Ende.

Die schweren Haubitzen des Fußartillerie-Regiment 3 konnten nach dem Heraustreten der Infanterie aus dem Waldgelände nördlich Bertrix auffahren. Dadurch wurde die 6./81, Hauptmann Frisch, frei. Die 6./81 beteiligte sich dann nördlich der Chaussee am Angriff gegen Ochamps.

Über die Gefechtstätigkeit der 6. Kompanie berichtet der damalige Kompanie-Chef, Hauptmann Alfred Frisch:

6./81 wurde während des Vormarsches der 24. Infanterie-Division über Neufchâteau-Recogne auf Bertrix erneut zum Schutz der schweren Artillerie des Brandenburgischen Fußartillerie-Regiments Nr. 3 befohlen. Keine angenehme Aufgabe für eine an den Feind drängende Truppe bei der nahen Aussicht auf eine bevorstehende Schlacht. Die Kompanie wurde auf die lange Artilleriekolonne verteilt. Nach längerem Halt hart westlich Recogne und anschließend weiterem Vormarsch auf der staubigen Landstraße bei glühender Hitze nach Bertrix hörte man lebhaften Kanonendonner. Die schwere Artillerie machte halt, ich löste die Kompanie sogleich von dem befohlenen Schutz und sammelte nach vorne. Die ersten Verwundeten der im Gefecht stehenden Truppen kamen uns auf der Straße entgegen. – Der Brigade-Kommandeur, Generalmajor Elstermann von Elster, welcher sich hier auf der Straße befand, ebenso wie der Stab der 21. Infanterie-Division und derjenige des Generalkommandos des XVIII. Armee-Korps, gab mir den Befehl: „Gehen Sie mit Ihrer Kompanie durch den Wald von Luchy in Richtung Ochamps vor zur Unterstützung der 87er, die sich in hartem Kampfe befinden.“ Zur Orientierung wurde mitgeteilt: „In dem dortigen Waldgelände ist eine belgische Brigade im Vormarsch.“ Die 6. Kompanie war die letzte Infanteriereserve. – 6./81 ging von der Straße über eine Wiese nach Durchschneiden der verschiedenen Drahtzäune in den Forêt de Luchy hinein. In dem mit mannshohen Farrenkraut und Gestrüpp durchwucherten dichten Wald war auf keine 10 Meter Sicht. Nach einer Linksschwenkung, im Glauben von der Richtung abgekommen zu sein, etwa 2 Kilometer im Waldesdickicht, erhielt der ausgeschwärmte 1. Zug des Leutnant Hansohm aus nächster Nähe Infanteriefeuer. Der sehr tüchtige tapfere Unteroffizier Stern fiel als Erster durch Kopfschuss, einige Schritte neben mir, mit dem Rufs: „Da sind sie!“ Dem Zuge Hansohm folgten der 2. Zug des Leutnant Maurhoff und der 3. Zug des Leutnant Stieglitz in Gruppenkolonnen mit weitem Zwischenraum. Zu sehen war nichts. – Zug Maurhoff wurde rechts neben Zug Hansohm eingesetzt. Wieder überraschendes Feuer. Befehl: „Seitengewehr pflanzt auf!“ Signal „rasch vorwärts!“ Mit Trommelschlag und Hurra stürmte die Kompanie durch den Wald. Da, an einer Lichtung angelangt, lag entwickelt auf einer langen breiten Wiese etwa 150 Meter vor uns eine intakte französische Kompanie, verstärkt durch in vorhergehenden Gefechten zerstreute Gruppen in etwa gleicher Stärke. Durch Schnellfeuer wurde der größte Teil des Gegners vernichtet, der Rest ergab sich. Einen ganz verdutzten Offizier , der auf einmal vor mir stand, nahm, ich gleich fest. Leutnant Stieglitz wurde schwer verwundet. – Wir hatten Glück. Durch unser schnelles Vorgehen waren die Franzosen wohl etwas aus der Fassung geraten. – Der Gegner war die zweite Kompanie des Infanterie-Regiments 11 unter Kapitain Henri Bastien und Versprengte des 10. und 25. Infanterie-Regiments. – Gefangen wurden abgeführt 1 Major, 2 Kapitaine, 2 Oberleutnants, 1 Leutnant, sowie 56 bis 58 Mann. Zum Teil wurden diese aus unserem Waldstück herausgeholt. Um zu verhindern, dass liegengebliebene Verwundete von hinten auf uns schossen, wie dies anderweitig geschah, wurden die Gewehre zerschlagen. Sich tot Stellende wurden durch kräftigen Zuspruch meiner braven Musketiere zum Leben erweckt. – Musketier Halbedel, Bursche des Leutnant Stieglitz, der seinen Offizier verband, sah sich plötzlich von 3 – 4 Franzosen angegriffen. Mit gefälltem Bajonett ging dieser Brave auf sie los, sie warfen ihre Waffen fort und gaben sich gefangen. Der tapfere Halbedel erhielt mit den ersten das Eiserne Kreuz. – Musketier Sauer mit blutüberlaufenem Gesicht und stark zerschossenem Unterkiefer lief mir nach und schwenkte in der Hand eine neue große Ledertasche, die er vom toten Pferd des französischen Kapitain abgeschnitten hatte. Neben viel Kartenmaterial und aufschlussreichen geheimen Schriftstücken enthielt die Tasche 450 Francs in neu geprägten 5 Francs-Stücken, die an das Bataillon weitergingen. Der pflichtgetreue Sauer wurde zum Eisernen Kreuz eingegeben.

Nach kurzem Aufenthalt ging es über die Wiese in den Wald hinein. Kaum eingedrungen, ein heftiger Feuerüberfall auf nahe Entfernung. Es war ein Sausen und Summen in der Luft, man hatte das Gefühl, in einen dichten Wespenschwarm geraten zu sein. Zum Überfluss schoss eine von uns zurückgebliebene Gruppe von hinten. Mein dabei befindlicher tapferer Spielmann machte dem rasch ein Ende. Er lief an den aufgeregten Schützen entlang und in Ermangelung einer anderen Verständigung in dem Lärm, brachte er durch einige wohlgemeinte Püffe mit dem Stiefel das Feuer rasch zum Einstellen. Kommandos drangen nicht durch. Durch Trillern der Signalpfeife konnte endlich abgestoppt und Ruhe zur Aufrechterhaltung der Feuerdisziplin geschaffen werden, um dann gleich das Feuer erneut lebhaft aufzunehmen. Die Feuerüberlegenheit wurde gewonnen, der Franzose in die Flucht geschlagen. Einige seiner Toten und schwer Verwundete lagen vor uns. – Der Wald war gesäubert, der Weg nach Ochamps frei. Später stießen wir auf die große Straße und erreichten an dunklen Abend um 9.30 Uhr Ochamps. Die Aufgabe war erfüllt. Verluste der Kompanie: 4 Tote, darunter Unteroffizier Stern und Musketier Klees, 14 Verwundete, zum Teil schwer darunter Leutnant Stieglitz und Musketier Sauer.

An allen Stellen wich gegen Abend der Feind. Verfolgt vom Feuer der Artillerie, artete der Rückzug der Franzosen in reglose Flucht aus. Gegen 8.15 Uhr abends ist das Gefecht beendet. Das Regiment sammelte sich auf Befehl des Regiments-Kommandeurs an der Wegegabel Ossange-Bertrix und Recogne-Fays les Veneurs, westlich der Bahn, bei einem lichterloh brennenden Hause.

Der 22. August 1914 wird immer in der Geschichte des Regiments ein Ruhmestag bleiben. Allerdings unter großen Blutopfern hatte die 21. Infanterie-Division einen für die französischen Waffen folgenschweren Sieg errungen. Das französische XVII Armee-Korps, welches gegen die 21. Infanterie-Division gefochten hatte, war restlos vernichtet worden.

Vom Regiment haben in der Schlacht von Bertrix neben vielen braven Unteroffizieren und Mannschaften den Heldentod gefunden: die Hauptleute Hilken, Bullrich und der Reserve Hahn; letzterer starb wenige Tage nach der Schlacht an den erlittenen Verletzungen. Ferner waren gefallen die Leutnants Adolh, der Reserve Heß, Resardt, der Reserve Tamm und von Wittgenstein.

Verwundet waren die Hauptleute Rhein (12. Kompanie) und von Frankenberg (11. Kompanie), die Leutnants Freytag, Günther Frisch, Fähnrich Pfeffer, Leutnant Orth, Stieglitz, von Wartenberg, von Boehn, Offizier-Stellvertreter Custodes.

Dem Kommandeur des I./81, Major von Rostitz, hatte ein Infanteriegeschoss den Backenknochen zerschmettert. Leicht verwundet war Hauptmann Lueder, er ließ sich auf dem Schlachtfelde verbinden und verblieb bei seiner Kompanie.

Über einzelne Erlebnisse in der Schlacht berichtet Major von Nostitz:

Während des Vormarsches auf Bertrix hörte man gegen 3.30 Uhr nachmittags vorne lebhaftes Infanteriefeuer. Die Marschkolonne hielt, Seine Hoheit der Prinz befahl mir, bei der Truppe zu bleiben, während er selbst nach vorne ritt. In der Vermutung, dass die Chaussee bald unter feindlichem Artilleriefeuer liegen würde, nahm ich die 4. Kompanie, Oberleutnant von Brandt, und die 1. Kompanie, Hauptmann Hilken, rechts von der Chaussee in den Wald hinein, die beiden anderen Kompanien, Hauptmann Bullrich und Lueder, links von der Chaussee herunter. Als der Prinz zurückgekehrt war, gab er Befehl: „Vorhut ist überraschend ins Gefecht getreten. Das I./81 verlängert links das Infanterie-Regiment 88.“

Ich befahl der 2. und 3. Kompanie, sich links der Chaussee im Walde zu entwickeln und vorzugehen, die 1. und 4. Kompanie sollte diesen folgen. Dieser Befehl hatte diese beiden Kompanien nicht mehr erreicht. Beide waren bereits in nördlicher Richtung vorgegangen gegen ein französisches Artillerie-Regiment, das auf dem Waldwege marschierte. Hier entwickelten sich schwere, aber siegreiche Kämpfe, die zur völligen Vernichtung des Gegners führten. Die ganze Bespannung der Geschütze lag erschossen in den Sielen.

Inzwischen waren die 2. und 3. Kompanie auf südlicher Seite der Chaussee gegen Bertrix vorgegangen. Eigene Artillerie fuhr dicht hinter uns auf. Am Waldrand angekommen, hatten wir auf 600 Meter französische Schützen vor uns. Die 2. und 3. Kompanie entwickelten sich zum Angriff. Das III. und II. Bataillon war links gestaffelt von uns eingesetzt. Hiernach machte ich Seine Hoheit Meldung und begab mich selbst auf die Nordseite der Chaussee, wo ich bei der Kompanie Bullrich, die im Laufe des Angriffs auf die Nordseite gelangt war, eine schwierige und völlig ungeklärte Lage fand. Eingedenk „Schlieffenscher Mahnung“ in solchen Fällen von der Flanke her Erleichterung zu schaffen, eilte ich wieder auf die südliche Chaussee, um hier den Angriff vorzutreiben. Unter einer Tanne lag schwer verwundet der Leutnant Freytag. Wenige Tage vorher hatte mir sein Vater ihn besonders ans Herz gelegt. Ich musste weiter vor. Unsere Schützen, von Füsilieren 80 verstärkt, waren bis auf 150 Meter an den Feind herangekommen. Links von uns sah man die Schützen von II/81. Die hinter uns stehende Batterie schoss glänzend. Ich ließ den Bataillons-Tambour Kaiser blasen: „Seitengewehr pflanzt auf!“ und „schnell vorwärts!“ Im Schritt gingen wir an die Franzosen heran. Einige 100 Meter links von mir sah ich den Prinzen, er ging 20 Schritt vor den Schützen, neben ihm die Fahne des II. Bataillons, das er im Frieden einst geführt hatte. Die Franzosen waren größtenteils durch das Artilleriefeuer erledigt, was noch am Leben, ergab sich, wir nahmen ihnen die Waffen ab. Auch nördlich der Chaussee sah ich jetzt unsere Schützen vorgehen. Bei weiterem Angriff haschte mich auf der Chaussee ein französisches Infanteriegeschoss, zerschlug mir den Backenknochen und warf mich in den Chausseegraben; als ich wieder aufstehen konnte, brachte mich der Unteroffizier Heye mit noch zwei Mann zum Verbandplatz, den ich gegen 7 Uhr abends erreichte. Unsere Ärzte hatten sich dicht neben einem heruntergeschossenen deutschen Flieger aufgebaut. Die Verwundeten mehrten sich. Frankenberg, Wartenberg und Rhein saßen neben mir. Als es ganz dunkel war, kam der Prinz zu uns. Wir sprachen über das Gefecht, wie gut uns die Artillerie geholfen hatte, wie tapfer die Batterien vor dem Walde aufgefahren waren, obgleich sie erwarten mussten, hierbei sofort vom Feinde zugedeckt zu werden. Die Blutopfer aber hatten unsere brave Infanterie gebracht. Besonders mein I. Bataillon hatte schwer gelitten. Erst nach Jahren erfuhr ich die Lage beim Gegner. Unser Gegner, das XVII. französische Armee-Korps, war mit seinen 4 Brigaden auf unsere Division gestoßen. Nacheinander hatten wir diese Brigaden restlos vernichtet und die französische Linie durchbrochen. Hierdurch wurde die schwierige Lage der links neben uns fechtenden 25. Infanterie-Division erleichtert. Die Stellung dieses feindlichen Korps war nun in der Flanke bedroht, es musste zurückgenommen werden. Der französische Armeeführer, General Langle de Cary, befahl, dass seine Armee am anderen Tage den Angriff wiederholen sollte. Es war nicht möglich, er musste den Angriffsbefehl zurücknehmen. Dort, wo sein XVII. Armee-Korps stehen sollte, klaffte eine weite Lücke. – Wie mir später noch in Sedan erzählt wurde, soll der General Vollemejean, nachdem er seinem Armeeführer Bericht erstattet hatte, von eigener Hand gefallen sein. –

Der damalige Chef der 5./81, Hauptmann von Oppeln-Bronikowski, berichtet über diesen Tag:

5. und 8. Kompanie marschierten mit vorgenommener Spitze auf dem eingeschnittenen Bahndamm bis an den Waldrand von Bertrix. Am Waldrand wurde entwickelt, 5. Kompanie rechts, 6. Kompanie links, jede Kompanie zwei Züge in erster Linie. Bei mir folgte Leutnant Adolph mit dem dritten Zuge in Reserve. Vor uns war Wiesengelände mit drei- bis vierfachen Drahtzäunen. Vom Feinde war nichts zu sehen. In Sprüngen ging es vorwärts. Als wir den Bahndamm, der im großen Bogen um Bertrix herumführt, erreichten, sahen wir die ersten Franzosen. Erste Verluste! Ich selbst schoss mit Feldwebel Zwier von hier aus stehend freihändig, weil wir im Liegen nichts sehen konnten. Der Franzose stand gleichfalls in den Kornfeldern und schoss auf uns. Als die Leute rechts und links von uns verwundet wurden, rief mir Zwier zu: „Herr Hauptmann, wir müssen hier fort.“ – Ich überschritt dann mit der 5. Kompanie den steilen Bahndamm, jenseits desselben nisteten wir uns ein und blieben dort bis zum Abmarsch ins Biwak liegen. Am Bahndamm erlitt Leutnant Adolph, als er selbst stehend freihändig schoss, durch Kopfschuss den Heldentod. Mit ihm verlor 5./81 ihre beste und tapferste Stütze! Er hatte mich gebeten, mit seinem Zuge stets vorne sein zu dürfen. Am 22. August stand er mit seinem Zuge zufällig an 3. Stelle und kam in die zweite Linie. Als erster fand er den Heldentod. -.“

Man begrub Anold Tamm auf dem Soldatenfriedhof Vladslo in Block 9, Grab 1.467.

In Lich gedenkt man Arnold Tamm noch heute auf einem Denkmal: http://www.denkmalprojekt.org/2013/lich_stadtkirche_lk-giessen_wk2_hs.html

Grabstein mit Erinnerungsinschrift für Arnold Tamm