Sonderbeitrag: Leutnant Karl Gonnermann

Der Soldat Karl Gonnermann stammte aus der hessischen Stadt Kassel. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Leutnant in der 8. Kompanie des 173. Infanterie-Regiment. Am 23.08.1916 fiel er in Frankreich während der Schlacht um Verdun. Er wurde am Dorf Douaumont durch einen Bauchschuss getötet.

Über den Todestag und die Todesumstände von Karl Gonnermann berichtet die Regimentsgeschichte des 173. Infanterie-Regiments:

„Etwa um Mitternacht stiegen die ersten Kompanien des I. und II. Bataillons in derselben Marschordnung wie bisher aus dem Lager Steilhang zu der Höhe des ehemaligen Dorfes Douaumont empor. Sie zogen teils über die Trümmer dieses Dorfes, von dem kein Stein mehr auf dem anderen war, teils rechts daran vorbei. Sie wussten nichts von der Gegend, über die sie tastend dahinstolperten; denn es war stockfinstere Nacht und der Boden unter den Füßen war immer der gleiche: kein Weg, kein Fleckchen Grasnarbe, kein Feldrain oder Graben, sondern nur Trichter neben Trichter, zum Teil mit Regenwasser gefüllt. Auf den Trichterrändern stapfen die schmalen Kolonnen in Schlangenlinie vorsichtig vorwärts, edermann ständig darauf bedacht, den Vordermann nicht aus dem Auge zu verlieren. Langsam geht’s; denn die Trichterränder sind schmal und glitschig, und das schwere Gepäck macht ungelenkig. Langsam; denn immer wieder rutscht irgendwo der Hintermann aus und fällt in einen Trichter, aus dem er unter der Last auf seinem Rücken nur schwer wieder hochkommen kann. Dann gibt es Aufenthalt, denn die Kolonne darf nicht abreißen, weil sonst der Rest führerlos wird. Die dunklen Haufen rechts und links des Pfades mehren sich: unglückliche Kameraden, die in dieser Wüste eine Granate überrascht hat. Ein vorsichtiges Herumgehen ist Alles, was man ihnen an Beachtung schenken kann. Irgendwo in Deutschland forscht eine Mutter, wo ihr Sohn geblieben ist.

Größere Trümmerhügel erläutern die Führer als M-Raum, als I-Raum, als ehemalige Thiaumont-Ferme. Dort (südöstlich der zerstörten Ferme) liegt der I-Raum, der den Stab I/173 beherbergt. – Zuweilen wird es durch eine Leuchtrakete hell wie in einer Vollmondnacht. Dann muss sich alles rasch zusammenducken und regungslos verharren, bis es wieder dunkel wird. Denn der Feind ist vielleicht schon nahe, und wenn er irgendeine Bewegung sieht oder gar die Ablösung bemerkt, dann wird er sie sofort mit Trommelfeuer aufreiben. Aber es geht gut; das Störungsfeuer verstreut sich irgendwohin. – Langsam geht’s weiter, endlos weiter. Nur 1½ bis 2 Kilometer vom Steilhang entfernt liegen die Stellungen, aber Stunden erfordert dieser mühselige Marsch.

Endlich zwischen 2 und 3 Uhr morgens (23. August) erreichen die Kompanien des I. Bataillons ihr Ziel; sie springen hinunter in die Trichter zu den „Hacketäuern“ (Infanterie-Regiment 16), die schon sehnsüchtig auf die Ablösung warten, und verteilen sich nach deren Weisung in die Reihe der anschließenden Trichter. „Da vorn irgendwo liegen die Franzosen, wahrscheinlich in ebensolchen Trichtern. Hier im Rücken, wo die schweren feindlichen Kaliber einschlagen, sind die Trümmer des Thiaumontwerkes. Dahinter liegt die Reserve-Kompanie.“ Das war jetzt die 2/173 unter Hauptmann Büttner. In vorderster Front haben (von rechts nach links) die 3. Kompanie unter Hauptmann Kalbe, die 4. unter Oberleutnant Riepe und die 1. unter Hauptmann Geest die 10., 11. und 12. Kompanie der 16er abgelöst. Die Übernahme der Stellung ist rasch vollzogen; Unterstände sind nicht vorhanden, ebensowenig Materialbestände; hier oder da lässt ein mitleidiger 16er eine nasse Schlafdecke oder ein paar Flaschen Selterwasser zurück, ehe er im Dunkel der Nacht nach hinten verschwindet. Der Feind verhält sich ruhig; er hat nichts von der Ablösung bemerkt.

Nicht so ungestört und unbemerkt vollzog sich der Vormarsch des II. Bataillons. Einzelne, mit 10 Minuten Abstand, in der Kolonne zu Einem rückten die 6., 7. und 8. Kompanie nach vorn, um die Stellung des I./Infanterie-Regiment 16 im Abschnitt D zu besetzen. Die 8. Kompanie sollte den Platz der 1./Infanterie-Regiment 16 am äußersten linken Flügel der 34. Infanterie-Division einnehmen und versuchen, mit dem Infanterie-Regiment 98 am rechten Flügel der 33. Infanterie-Division eine Verbindung herzustellen. Denn hier klaffte seit kurzem eine 300 Meter breite Lücke, die abgesehen von der Möglichkeit eines feindlichen Durchbruchs auch die Gefahr in sich barg, dass eine ablösende Truppe durch sie hindurch dem Gegner in die Arme lief. Störungsfeuer begleitete den Vormarsch der Kompanien, ohne ihnen Verluste beizubringen, vielleicht von Leuchtsignalen irregeführt oder aus Besorgnis vor der Lücke verloren die Führermannschaften ihre Spur. Die Kompanien wurden ratlos. Die 7. Kompanie musste eine Rast einlegen, um sich zu orientieren. Dabei wurde sie von der 8. Kompanie, die erst später abmarschiert war, überholt.

Bei der 7. Kompanie befand sich auch der Bataillonsstab und bemühte sich beim weiteren Vorrücken ebenfalls, die vorderste Trichterlinie festzustellen. Nach langem erfolgsen Suchen traf Major Wülsing endlich auf einen Bataillonsstab des Infanterie-Regiment 57 und stellte in dem Kommandeur zu seiner größten Überraschung seinen eigenen Bruder fest, dessen Bataillon vor zwei Tagen zur Verstärkung der fast aufgeriebenen 16er in diese eingeschoben war. Major Wülsing schrieb darüber:

„Nachdem wir uns von unserm Erstaunen erholt hatten, gab mein Bruder mir den Rat, mich auf meinen Gefechtsstand im M-Raum zu begeben, da es für einen allein unmöglich wäre, die vorderste Trichterlinie festzustellen. Er führte mich auch dorthin und verabschiedete sich mit den Worten: „Hoffentlich hast Du mit Deinem Bataillon mehr Glück als ich; denn von meinen braven Kerls sind nur höllisch wenige übrig geblieben.“ Leider sollte dieser Wunsch für mein II/Infanterie-Regiment 173 nicht in Erfüllung gehen.“

Die 8. Kompanie hatte inzwischen die Trichterlinie der 16er gefunden, aber viel zu weit rechts, wie sie mit Schrecken bemerkte. Es blieb nichts anderes übrig, als links zu schwenken und an den Trichtern entlang sich nach dem linken Flügel zu ziehen. Diese Bewegung blieb in den nahen französischen Gräben nicht unbemerkt. Heftiges Artillerie-, Infanterie- und Maschinengewehrfeuer setzte ein und brachte neue Verwirrung. Alles sprang in den nächsten Trichter, aber Gewehrgranatfeuer langte auch dorthin. Verluste blieben nicht aus. Leutnant Gonnermann wurde, noch ehe er die Trichterlinie erreicht hatte, von einem Gewehrschuss in den Bauch niedergestreckt. Sterbend befahl er seinen Leuten, die ihn zurückbringen wollten, ihn liegen zu lassen und nach vorn zu eilen. Seine Leiche konnte nicht geborgen werden. Wieder hatte die 8. Kompanie und das Regiment den Verlust eines ihrer besten Offiziere zu beklagen. Ein Alterskamerad schrieb in seinen Kriegserinnerungen über den verlorenen Freund:

„Gonnermann war der Typ des harten deutschen Soldaten, spartanisch einfach, streng gegen sich in und außer Dienst, leutselig und kameradschaftlich, willensstark, tapfer und treu bis zu seinem heldenhaften Tode.“

Leutnant der Reserve Rohler gelang es mit etwa 10 Mann seiner Kompanie, die Stellung der 1/Infanterie-Regiment 16 zu erreichen; auch diese bestand nur noch aus dem Kompanieführer, Leutnant der Reserve Boch und wenigen Leuten, die dringend der Ablösung bedurften. Alles Suchen nach Versprengten blieb in dieser Nacht vergeblich. In der Erwartung, dass in der nächsten Nacht sich noch weitere Leute der 8. Kompanie heranfinden würden, beschloss Leutnant Boch erst dann mit dem Rest seiner Kompanie zurückzugehen. 2 Maschinengewehre waren auch noch vorhanden. Nach links hin, wo das Infanterie-Regiment 98 liegen sollte, bestand keine Verbindung. – Bei der 6. und 7. Kompanie war die Ablösung vollzogen. Die 5. Kompanie hatte als Reserve-Kompanie im M-Raum etwa 400 Meter hinter der Stellung Unterkunft gefunden, ebenso der Bataillonsstab.

Der 23. August brach verhältnismäßig ruhig an. Es war ein klarer sonniger Sommertag. Im Abschnitt B konnten die Kompanie- und Zugführer des I. Bataillons vorsichtig in ihrer Stellung Umschau halten. Soweit man sehen konnte, gab es nur Trichter; vereinzelt waren die seitlichen Ränder etwas abgetragen, sodass man auf dem Bauche kriechend gedeckt in den nächsten Trichter gelangen konnte; ganz selten war ein wirklicher Durchstich vorhanden. Richtige Gräben hätten den feindlichen Fliegerphotographen die Besetzung verraten. So war jede Trichtermannschaft auf sich selbst gestellt; die nachbarliche Verständigung geschah durch Zurufe. Die Führer sondierten auf den Trichterrändern zwischen den Erdklumpen hindurch mit dem Fernglase das Vorgelände. Selten gewahrten sie vor sich mehr als das gleiche Bild der Verwüstung. Nur am rechten Flügel der 3. Kompanie sah man über eine Schlucht hinweg bis hinüber zum Pfefferrücken. Dort liefen Gräben an den Hängen entlang und nach rückwärts; man konnte darin mit dem Fernglase die Franzosen erkennen. – Beim II. Bataillon im Abschnitt D war nichts zu sehen. Hier durfte die einzelne Trichterbesatzung überhaupt nicht wagen, den Kopf herauszustecken. Eigenlich hätte hier auf dem sanft zum Feinde abfallenden Hange die Beobachtung gut sein müssen; aber das monatelange Feuer schwerer Kaliber hatte in dieser am meisten umkämpften Gegend die Geländeform völlig verwandelt und zerrissen. Nur der Nachteil war geblieben, für die feindliche Fernbeobachtung des Forts Belleville, St. Michel und Souville und die Fesselballons am Horizont völlig deckungslos auf dem Präsentierteller zu liegen.

Etwa 10 Uhr vormittags setzte auf der ganzen Front der 34. Infanterie-Division Artillerie-Feuer ein, das zunächst nichts Auffälliges an sich hatte. Es steigerte sich aber gegen Mittag, wurde um 1 Uhr äußerst heftig und ging dann rasch in das sogenannte Trommelfeuer über, wie es die Argonnenkämpfer bislang in solcher Stärke noch nicht kennengelernt hatten. Ein ununterbrochenes Heulen und Pfeifen in den Lüften kreuz und quer verband sich mit dem Toben und Krachen von Granateinschlägen aller Kaliber in nächster Nähe zu einem wüsten Höllenkonzert. Der einzelne Einschlag wurde gar nicht mehr bemerkt. Mit dem Gefühl vollkommener Machtlosigkeit hockte Alles in den Trichtern, vom Splitterregen jeder Granate bedroht, und erwartete ständig den Volltreffer in den eigenen Trichter.Die taktischen Überlegungen waren denkbar einfach: Aufpassen nach vorn, wenn das Feuer aufhört oder verlegt wird, und bis dahin Patronen und Handgranaten sparen! Aber vor Dreck und Qualm ist nichts zu sehen. Beruhigend wirkt nur, dass das eigene Artillerie-Feuer gut im Vorfelde liegt. – Von 2 Uhr nachmittags absteigert sich das Trommelfeuer aufs höchste. Gegen 3 Uhr wird es vor Abschnitt C nach rückwärts verlegt und hört im Abschnitt D beim II. Bataillon ganz auf. Im Abschnitt B tobt es weiter, sodass das I. Bataillon von den Vorgängen weiter links nichts beobachtet. Südlich des Thiaumontwerkes, wo den Franzosen die Weinbergschlucht ein Vorrücken in die Sturmstellung erleichtert, geedenken sie die dünne und lückenhafte deutsche Trichterlinie durchbrechen zu können. In dichten Massen stehen sie plötzlich auf der Böschung ihrer Gräben (denn sie haben hier Gräben), um zum Sturm anzutreten. Aber die Trichterbesatzung des II. Bataillons sind auf dem Posten und treiben sie mit Gewehren und Maschinengewehren in ihre Gräben zurück. Nach Norden reicht die Front dieses ersten Angriffes bis vor den linken Flügel der 1. Kompanie, der noch mit Handgranaten sich an der Abwehr beteiligte.

Franzosen, die die Wirkung ihres Feuers zunächst offenbar überschätzt hatten, setzten sofort wieder rasendes Trommelfeuer gegen die 3 Abschnitte ein, um die deutsche Widerstandskraft vollends zu zermürben. Vor Abschnitt B hatte es überhaupt noch nicht aufgehört. Bis 5 Uhr nachmittags tobt die Hölle weiter; schwere Verluste vermehrten und vergrößerten die Lücken in den deutschen Reihen. Dann erhoben sich die Franzosen vor den Abschnitten C und D erneut aus ihren Gräben zum Sturme. Aber im Abschnitt C hielt das II/Infanterie-Regiment 16 dem Angriff stand und auch das II/Infanterie-Regiment 173 im Abschnitt D konnte den Gegner mit Gewehren, Maschinengewehren und Handgranaten vor seiner Front zum Stehen bringen. Selbst auf dem äußersten Flügel, wo ohne Anschluss nach links Leutnant Rohler und Leutnant Wirth mit wenigen Leuten der 8. Kompanie und Leutnant Boch mit den Resten der 1/Infanterie-Regiment 16 die Stellung hielten, gelang es zunächst mit Hilfe der beiden Maschinengewehre, die Franzosen zurückzuhalten.

Aber dieser zweite feindliche Angriff holt über den linken Flügel der 34. Division, den die 8/Infanterie-Regiment 173 bildete, weiter nach Osten aus und stieß in die berüchtigte Lücke nördlich von Fleury. Hier hatte, nachdem am 18. August durch vernichtendes Trommelfeuer die 130er und 135er in den Trümmern von Fleury aufgerieben waren und die ablösenden Kompanien vom Infanterie-Regiment 98 und Infanterie-Regiment 144 eine neue Trichterlinie hinter dem ehemaligen Dorf besetzt hatten, die 5/Infanterie-Regiment 98 nach langen Irrungen in der Nacht zum 20 August die Reste der 1/Infanterie-Regiment 130 ebgelöst, war dabei aber links gestaffelt vom Abschnitt D in der Lücke zwischen den Flügeln der 34. und 33. Infanterie-Division liegengeblieben, zu schwach und außer Stande, diese Lücke auszufüllen.

Auf diesen Punkt stieß jetzt (etwa 6 Uhr abends) der zweite feindliche Angriff, und es war kein Heldenstück der Franzosen, die schwache und vereinsamte 5/Infanterie-Regiment 98 zu überwinden.

„Links von uns beim Infanterie-Regiment 98 war der Einbruch gelungen“ schrieb Leutnant Rohler später über diesen Unglückstag seiner 8/Infanterie-Regiment 173. „Wir beobachteten, dass viele 98er als Gefangene abgeführt wurden. Die Franzosen rückten an unserer Stellung vorüber und konnten uns in kurzer Zeit von der Flanke und dem Rücken her bedrohen. Um diese Gefahr abzuwenden, sollte das linke Maschinengewehr flankierend eingreifen. Aber nachdem es herumgeworfen war, versagte es, und bald darauf traten auch bei dem anderen Maschinengewehr Hemmungen ein. Damit war das Schicksal der beiden Restkompanien besiegelt: die Franzosen stürmten vor, waren bald an unseren Trichterrändern und warfen Handgranaten in unsere sich verzeifelt wehrenden Gruppen. Unser Handgranatenvorrat war bald erschöpft. In dichten Massen stand der Gegner vor uns, und wir waren nur noch eine Handvoll Leute. Einige, die versuchen nach rückwärts zu entkommen, wurden sofort niedergeschossen. Leutnant Boch, einige Leute und ich warfen uns hin, und die Franzosen marschierten über uns hinweg, wohl annehmend, dass wir Tote wären. Der Angriff reichte nach rechts einige Meter über unseren Kompanie-Abschnitt hinaus. – Nach einigen Minuten kam ein zweiter Trupp Franzosen, die in unserer Stellung aufräumten und uns als Gefangene abführten. Nach wenigen Schritten waren wir in der französischen Stellung. Dort fanden wir ein völlig ausgebautes Grabensystem vor, das fast nirgendwo durch Artillerie-Feuer beschädigt war…Am anderen Morgen trafen wir in irgendeinem Unterkunftsraum noch etwa 35 Mann unserer Kompanie. Sie waren beim Anmarsch durch Lücken in unseren Linien hindurchgegangen und so dem Feinde in die Finger gefallen…“ –

Die Franzosen wagten sich nicht weiter vor, da die übrigen Kompanien noch hinreichend widerstandsfähig waren. Aber die Lücke klaffte nun natürlich noch weiter als ehedem, und auch sonst hatten arge Verluste die Trichterreihe des II. Bataillons allenthalben zerrissen. Noch am späten Abend wurde deshalb die 5. Kompanie links von der 6. eingesetzt. 4 Gruppen mit einem Maschinengewehr wurden zur Sicherung gegen Fleury vorgeschoben. Erst nach Mitternacht flaute das feindliche Artilleriefeuer ab.“ 

Die Lage des Grabes von Karl Gonnermann ist unbekannt.

Leutnant Paul Schweigert (gefallen 11.08.1915) oben, Karl Gonnermann (gefallen am 23.08.1916), Leutnant Hoffmann, Leutnant Schodere

Sonderbeitrag: Leutnant Paul Schweigert

Der Soldat Paul Schweigert stammte aus der Stadt Kaiserslautern im heutigen Bundesland Rheinland-Pfalz. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Leutnant in der 4. Kompanie des 173. Infanterie-Regiment. Am 11.08.1915 fiel er in Frankreich an der Westfront. Er wurde während der Kämpfe in den Argonnen in der Nähe der Ortschaft La Harazée getötet.

Über den Todestag und die Todesumstände von Leutnant Paul Schweigert berichtet die Regimentsgeschichte des 173. Infanterie-Regiments:

„Als im ersten Frühlicht des 11. August ihr bewährter Führer, Leutnant Schweigert, in einem allzu verwegenen Unternehmen, persönlich und nur von Wenigen begleitet, den Posten an der französischen Abdämmung zu überrumpeln suchte, traf den Voranstürmenden ein französischer Schütze in den Kopf. Sterbend wurde er in seinen noch unfertigen neuen Unterstand getragen, wo er nach wenigen Minuten sein junges, tatenfrohes Leben aushauchte, betrauert von allen Offizieren und von seiner ganzen 4. Kompanie. Am Tage zuvor war Leutnant Schweigert erneut zum Eisernen Kreuz 1. Klasse in Vorschlag gebracht, und 2 Tage nachher hielt ihm in der La Mitte-Schlucht Pfarrer Schafft als letzten Freundesdienst die Totenrede.“

Man begrub Leutnant Paul Schweigert auf dem Soldatenfriedhof Servon-Melzicourt in Block 3, Grab 320.

Leutnant Paul Schweigert (gefallen 11.08.1915) oben, Gonnermann (gefallen am 23.08.1916), Leutnant Hoffmann, Leutnant Schodere

Sonderbeitrag: Leutnant Dr. Max Unterharnscheidt

Der Soldat Dr. Max Unterharnscheidt stammte aus Werden, einem Ortsteil der Stadt Essen im heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Leutnant der Reserve und Kompanieführer der 1. Kompanie des 209. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 21.10.1915 fiel er bei Ziegelschloss bei Smiske, einem Ortsteil von Ypern.

Man begrub Dr. Max Unterharnscheidt auf dem Soldatenfriedhof Vladslo in Block 3, Grab 242.

Leutnant Dr. Max Unterharnscheidt

Sonderbeitrag: Leutnant Gerhard Laakmann

Der Soldat Gerhard Laakmann stammte aus Vörde im heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Er kämpfte im Ersten Weltkrieg als Leutnant und Kompanieführer in der 1. Kompanie des 209. Reserve-Infanterie-Regiment. Am 28.09.1918 fiel er in Frankreich bei SallyRaillencourt, in der Nähe von Cambrai.

Man begrub Gerhard Laakmann auf dem Soldatenfriedhof Cambrai in einem Massengrab.

rechts: Leutnant Gerhard Laakmann

Sonderbeitrag: Leutnant Hans Kramer

Der Soldat Hans Kramer stammte aus der Reichshauptstadt Berlin. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Leutnant in der 3. Kompanie des 173. Infanterie-Regiment. Am 30.06.1915 fiel er bei Harazée in den Argonnen.

Über den Todestag und die Todesumstände von Wilhelm Kramer berichtet die Regimentsgeschichte des 173. Infanterie-Regiments:

 

„General Teeßmann befahl demgemäß am 28.06.1915 abends, dass Infanterie-Regiment 30 und Infanterie-Regiment 173 am 30.06.1915 8 Uhr morgens sturmbereit zu stehen hätten, und veranlasste eine angemessene Versorgung mit Munition und Sturmgerät, um für den Fall, dass der Angriff der 68. Infanterie-Brigade Erfolg hatte, auch mit der 86. Infanterie-Brigade vorwärtszukommen. Beim Infanterie-Regiment 173 erfolgte eine Neueinteilung der Kampfabschnitte derart, dass das I. Bataillon 2. das II. Bataillon 3 und das III. Bataillon 2 Kompanien in vorderster Linie hatte und dass für jedes Bataillon, für das Regiment und für die Brigade je eine Kompanie als Reserve zurückbehalten wurde. Die 3./173, die erst am 27. nach Mesnil-Ferme abmarschiert war, wurde schon am nächsten Tage in die Kampfstellung zurückbeordert.

Kühl und grau dämmerte der 30. Juni herauf, um sich dann bald in einen sonnigen, heiteren Sommertag zu verwandeln. 5.15 Uhr morgens setzte auf der ganzen Front der 27. Infanterie-Brigade und der 68. Infanterie-Brigade eine im Agronnenkrieg noch nicht dagewesene Kanonade ein, die planmäßig in dreistündiger Dauer sömtliche Befestigungswerke der Franzosen zerstampfte und ihre rückwärtigen und seitlichen Gräben in Rauch und Qualm hüllte. Auf dem Storchennest jagten 6 Zentimeter Synamit einen starken feindlichen Stützpunkt, der als letzter bislang allen Anstürmen des Reserve-Infanterie-Regiment 145 getrotzt hatte, mit gewaltigem Donner in die Luft. Das Charmesbachtal östlich der Eselsnase hüllt sich in die Wolken der deutschen T.-Granaten und wurde dadurch für etwaige von Harazée talaufwärts rückende französische Reserven unzugänglich. Weißliche beizende Nebel krochen langsam auch den Hubertusrücken hinauf bis über die deutschen Kampfgräben hinweg. Manche Träne floss in den Kampfstellungen des Infanterie-Regiment 173, obgleich hier die Laune und Zuversicht überall sehr gut war.

Von 7 Uhr morgens stand das Regiment sturmbereit, und alle Vorbereitungen für ein etwaiges Vorgehen war getroffen. Die vordersten Gräben hielten (von rechts nach links) beim I. Bataillon die 3. und 2. Kompanie, beim II. Bataillon die 5., 7. und 8. Kompanie und beim III. Bataillon die 11. und 9. Kompanie besetzt. Die 1. und 4. Kompanie lagen in der La Mitte Schlucht; die 12. Kompanie war Brigade-Reserve im Hubertus-Lager. – Major Eickenrodt ging früh morgens die Gefechtsstellung ab und begab sich dann in seinen Gefechtsstand in der Schweppermann-Schlucht.

Pünktlich um 8.45 Uhr vormittags setzte in den Gräben des I. und II. Bataillons der befohlene Feuerüberfall auf die gegenüberliegenden feindlichen Kampfstellungen ein, um den rechten Nachbarbataillonen ein etwaiges Vorbrechen zu erleichtern. Im gleichen Zeitpunkte musste nämlich bei der 27. Infanterie-Division und der 68. Infanterie-Brigade die artilleristische Sturmreifmachung beendet sein und der Infanterieangriff an der Nordfront des französischen Befestigungsgürtels bis zur Eselsnase hin beginnen. Und von diesem Augenblick ab wollte General Teßmann jede sich bietende Gelegenheit wahrnehmen, um im Anschluss an die 68. Brigade, beim Infanterie-Regiment 30 beginnend, mit seiner Brigade möglichst viel Raum nach vorn zu gewinnen. – Tatsächlich glückte der Angriff bei der 53. und 68. Infanterie-Brigade über Erwarten gut: das Reserve-Infanterie-Regiment 145 überschritt den oberen Charmebach und drang siegreich bis vor die 3. feindliche Stellung, den sogenannten grünen Graben vor; auch das Storchennest fiel ihm in die Hände. Auf der Rheinbabenhöhe stürmte 10.40 Uhr vormittags das III./30 in kühnem Schwung bis in den 2. Hauptgraben des Gegners vor, musste dann aber schweres Artillerie-Feuer über sich ergehen lassen und sogar einen Teil seines Geländegewinns wieder aufgeben. Das II./30 am Nordabhang des Hubertusrückens hielt während des ganzen Vormittags den Feind durch nachhaltiges Gewehr- und Maschinengewehr-Feuer nieder. 3 Uhr nachmittags setzte es zum Sturm an, der an den Hängen des Franzentales allerdings vor einem starken Stützpunkte, der sogenannten Wurst bald zum Stehen kam, am linken Flügel aber rasch den feindlichen Graben führte, dessen Besatzung niedergemacht bzw. gefangen genommen wurde.

Damit war für das links anschließende Infanterie-Regiment 173 der Augenblick zum Sturm ebenfalls gekommen. Aus den Spitzen der vorgetriebenen Sturmsappen brachen 3 Uhr nachmittags zunächst die 3. und 2. Kompanie zum Angriff vor.

„Für meine Gruppe war die „Josephine“ als Sturmsappe bestimmt,“ schrieb später der damals 18jährige Fahnenjunker Schemm der 3. Kompanie, der an diesem Tage seine Feuertaufe erhielt. „Auf die Sekunde genau sprangen die Sturmtruppen über die Stufen aus dem Sappenkopf. Im Marsch-Marsch rannten wir über freies Gelände auf den 10 – 15 Meter entfernten feindlichen Graben zu. Er war nicht so einfach genommen. Die starke, wohl im Alarm befindliche Besatzung trat in wütende Tätigkeit. Die Poilus wehrten sich ihrer Haut. Die Handgranaten kamen aus allen Richtungen geflogen; viele dabon taten uns keinen Schaden, wohl weil sie sehr behelfsmäßig hergestellt waren. Immerhin dauerte der Nahkampf ungewöhnlich lange, sodass es zweifelhaft werden konnte, ob unser Sturm völlig glückt. Er sollte aber glücken; ein Zurück gab es nicht mehr. Nun wurde der Franzmann durch Handgranaten sturmreif geworfen; Blut floss. Es musste fließen, sonst hätte der Feind nicht nachgegeben. Erst als die Besatzung kampfunfähig gemacht oder sich zurückgezogen hatte, konnte der entscheidende Sprung in den feindlichen Graben gewagt werden. „Auf in den Graben“, erscholl es mitten im ohrenbetäubenden Lärm und Gepolter. Ein Satz und im Graben standen oder lagen wir. Der Feind hatte diesen Augenblick nicht ungenutzt gelassen; er sandte uns seine blauen Bohnen entgegen. Ersatzreservist Cornely stürzte zu Tode getroffen über den Stacheldraht kopfüber in den Graben. Der durch den Handgranatenkampf erheblich zerschundene Graben musste nun Schritt für Schritt nach rechts aufgerollt werden. Schon ergaben sich die ersten verwundeten Franzosen in ihrer neuen blaugrauen Uniform. Blutüberströmt wurden sie über Deckung geschickt. Die anderen zogen sich in den zweiten Graben zurück, von da Tod und Verderben schleudernd. Ein feindliches Maschinengewehr trat in Tätigkeit. Unsere nachkommanden Leute hatten einen schweren Stand, solange die Verbindungssappen von der bisherigen Stellung aus nicht durchgestochen waren. Leutnant Kramer, der seine Leute ermutigte und sich dabei dem Feinde zu sehr aussetzte, fiel. Der Kompanie-Führer, Hauptmann Gröning, hatte inzwischen den eroberten Graben erreicht. Zur Orientierung und um weitere Befehle erteilen zu können, schaute er über Dekcung. Dieser kurze Blick hat ihm den Tod gebracht. Kaum hatte ich ihn auf einen wagemutigen gefährlichen feindlichen Scharfschützen aufmerksam gemacht, da sank er hintenüber, von der Kugel in den Kopf getroffen. Am folgenden Tage starb er an der tödlichen Wunde in Chatel; aus der Bewusstlosigkeit erwachte er nur, um den Wunsch zu äußern, inmitten der Helden seiner Kompanie und des Bataillons im Waldfriedhof La Mitte Schlucht zur letzten Ruhe bestattet zu werden.“ –

Die 2. Kompanie erhielt nach Erstürmung des ersten feindlichen Grabens ein derartiges Gewehr- und Maschinengewehr-Feuer, dass ein weiteres frontales Vorwärtskommen unmöglich war. Als diese Stockung (5 Uhr nachmittags) beim II. Bataillon beobachtet wurde, eilte Leutnant der Reserve Freese mit seiner 5. Kompanie durch die Gräben des I. Bataillons zur Unterstützung der 2. Kompanie herbei und rollte den französischen Graben von rechts her auf. An der Spitze des Handgranatentrupps ging Leutnant der Reserve Röhl vor, wurde aber schon nach kurzer Zeit durch eine französische Handgranate verwundet. Sofort stellte sich nun der Kriegsfreiwillige Rähler an die Spitze des Trupps trotz seiner kurz vorher erhaltenen Verwundung an Hand und Fuß und führte den Angriff bis zum Schluss mit durch. Als an einer Stelle der Gegner nicht weichen wollte, sprang Unteroffizier König 5./173 in eine weiter links gelegene Sappe, warf von hier aus Handgranaten in den Rücken der Franzosen und brach so ihren Widerstand, sodass die feindliche Stellung weiter aufgerollt werden konnt. 7 Uhr abends hatte die 5. Kompanie das gesamte vor ihrem Abschnitt liegende französische Grabenstück in Händen, und nun setzte die 7. Kompanie den Angriff fort und rollte weiter auf, sodass im ganzen etwa 100 Meter der feindlichen Stellung vom II. Bataillon besetzt und zur nachhaltigen Verteidigung eingerichtet werden konnten. Gegen ein französisches Blockhaus vor der Front der 7. Kompanie wurde abgedämmt und dahinter nach der alten Stellung eine Verbindung durchgegraben, sodass gleich wieder eine zusammenhängende Feuerfront vorhanden war. Nach rechts hin zu II./Infanterie-Regiment 30 wurde ebenfalls anschluss hergestellt.

Durch geschicktes Ausnutzen des richtigen Zeitpunktes hatte das Regiment einen schönen Erfolg errungen, indem es auf rund 300 Meter Breite in die feindliche Verteidigungslinie eingedrungen war, den Franzosen (261. Regiment) schwere blutige Verluste zugefügt, etwa 800 Gefangene abgenommen und große Beute an Gewehren, Munition, Schutzschilden und sonstigem Gerät eingebracht hatte. Freilich waren auch die eigenen Verluste nicht gering: Hauptmann Gröning, Leutnant Kramer, 1 Unteroffizier und 12 Mann waren gefallen, die Leutnants Köhl und Bamberger, 5 Unteroffiziere und 60 Mann verwundet; eine Folge davon, dass wegen der Zusammenfassung des Artillerie- und Minenfeuers gegen Bagatellwerk, Eselsnase und Storchennest keine artilleristische Sturmreifmachung der französischen Stellungen auf dem Hubertusrücken stattgefunden hatte. Ganz allein dem kühnen Draufgehen des I. und II./173 gegen einen unerschütterten zähen Gegner war der Sieg zu danken. Das tapfere, im entscheidenden Augenblick zielsichere Zugreifen des Leutnant der Reserve Freese fand 2 Tage später durch Verleihung des Eisernen Kreuzes I. seine Anerkennung.

Die 12./173 unter Oberleutnant Pohl, die seit dem 27. Juni als Brigade-Reserve im Hubertuslager lag, wurde von dort am 30. Juni vormittags zunächst bis in die 2. Hauptstellung, die Hubertusstellung vorgezogen und dann in den ersten Nachmittagsstunden, als der Angriff auf der Rheinbabenhöhe günstig fortzuschreiten schien, dem Abschnitt des Hauptmann Schmidt (II./Infanterie-Regiment 30) am Nordwestabhang des Hubertusrückens zur Verfügung gestellt. 4 Uhr nachmittags rückte sie in heftigem Artillerie-Feuer durch den Martinspfad hinter den linken Flügel des II./30. Dort fand sie zunächst, während die 1. und 5./30 vorn um die Behauptung der erstürmten feindlichen Gräben kämpfte, Verwendung beim Säubern und Ausbauen der genommenen Grabenstücke, Herstellung von rückwärtigen Sappen, Bergung von Toten und Verwundeten und Heranschaffen von Patronen und Handgranaten. Mehrere bei der 5./30 beschäftigte Gruppen beteiligten sich außerdem am Abend un im Laufe der Nacht an der erfolgreichen Abwehr von 3 französischen Gegenangriffen. Weiter rechts bemühte sich währenddes die 8./30 todesmutig, aber vergeblich, die sogenannte Wurst, ein in sich geschlossenes, stark befestigtes und von 2 feindlichen Kompanien verteidigtes Werk, in wiederholten Handgranatenangriffen zu nehmen.“

Man begrub Hans Kramer auf dem Soldatenfriedhof Servon-Melzicourt in Block 3, Grab 305.

Feldhilfsarzt Schollmeyer, Leutnant Wilhelm Gröning und Hauptmann Hans Kramer am Abend des 29.06.1915. Am nächsten Tag fielen Wilhelm Gröning und Hans Kramer

Sonderbeitrag: Leutnant Wilhelm Gröning

Der Soldat Wilhelm Gröning kämpfte im Ersten Weltkrieg als Hauptmann in der 3. Kompanie des 173. Infanterie-Regiment. Am 30.06.1915 verstarb er nach schwerer Verwundung bei Harazée im Feldlazarett 3 in Frankreich an der Westfront.

Über den Todestag und die Todesumstände von Leutnant Wilhelm Gröning berichtet die Regimentsgeschichte des 173. Infanterie-Regiments:

„General Teeßmann befahl demgemäß am 28.06.1915 abends, dass Infanterie-Regiment 30 und Infanterie-Regiment 173 am 30.06.1915 8 Uhr morgens sturmbereit zu stehen hätten, und veranlasste eine angemessene Versorgung mit Munition und Sturmgerät, um für den Fall, dass der Angriff der 68. Infanterie-Brigade Erfolg hatte, auch mit der 86. Infanterie-Brigade vorwärtszukommen. Beim Infanterie-Regiment 173 erfolgte eine Neueinteilung der Kampfabschnitte derart, dass das I. Bataillon 2. das II. Bataillon 3 und das III. Bataillon 2 Kompanien in vorderster Linie hatte und dass für jedes Bataillon, für das Regiment und für die Brigade je eine Kompanie als Reserve zurückbehalten wurde. Die 3./173, die erst am 27. nach Mesnil-Ferme abmarschiert war, wurde schon am nächsten Tage in die Kampfstellung zurückbeordert.

Kühl und grau dämmerte der 30. Juni herauf, um sich dann bald in einen sonnigen, heiteren Sommertag zu verwandeln. 5.15 Uhr morgens setzte auf der ganzen Front der 27. Infanterie-Brigade und der 68. Infanterie-Brigade eine im Agronnenkrieg noch nicht dagewesene Kanonade ein, die planmäßig in dreistündiger Dauer sömtliche Befestigungswerke der Franzosen zerstampfte und ihre rückwärtigen und seitlichen Gräben in Rauch und Qualm hüllte. Auf dem Storchennest jagten 6 Zentimeter Synamit einen starken feindlichen Stützpunkt, der als letzter bislang allen Anstürmen des Reserve-Infanterie-Regiment 145 getrotzt hatte, mit gewaltigem Donner in die Luft. Das Charmesbachtal östlich der Eselsnase hüllt sich in die Wolken der deutschen T.-Granaten und wurde dadurch für etwaige von Harazée talaufwärts rückende französische Reserven unzugänglich. Weißliche beizende Nebel krochen langsam auch den Hubertusrücken hinauf bis über die deutschen Kampfgräben hinweg. Manche Träne floss in den Kampfstellungen des Infanterie-Regiment 173, obgleich hier die Laune und Zuversicht überall sehr gut war.

Von 7 Uhr morgens stand das Regiment sturmbereit, und alle Vorbereitungen für ein etwaiges Vorgehen war getroffen. Die vordersten Gräben hielten (von rechts nach links) beim I. Bataillon die 3. und 2. Kompanie, beim II. Bataillon die 5., 7. und 8. Kompanie und beim III. Bataillon die 11. und 9. Kompanie besetzt. Die 1. und 4. Kompanie lagen in der La Mitte Schlucht; die 12. Kompanie war Brigade-Reserve im Hubertus-Lager. – Major Eickenrodt ging früh morgens die Gefechtsstellung ab und begab sich dann in seinen Gefechtsstand in der Schweppermann-Schlucht.

Pünktlich um 8.45 Uhr vormittags setzte in den Gräben des I. und II. Bataillons der befohlene Feuerüberfall auf die gegenüberliegenden feindlichen Kampfstellungen ein, um den rechten Nachbarbataillonen ein etwaiges Vorbrechen zu erleichtern. Im gleichen Zeitpunkte musste nämlich bei der 27. Infanterie-Division und der 68. Infanterie-Brigade die artilleristische Sturmreifmachung beendet sein und der Infanterieangriff an der Nordfront des französischen Befestigungsgürtels bis zur Eselsnase hin beginnen. Und von diesem Augenblick ab wollte General Teßmann jede sich bietende Gelegenheit wahrnehmen, um im Anschluss an die 68. Brigade, beim Infanterie-Regiment 30 beginnend, mit seiner Brigade möglichst viel Raum nach vorn zu gewinnen. – Tatsächlich glückte der Angriff bei der 53. und 68. Infanterie-Brigade über Erwarten gut: das Reserve-Infanterie-Regiment 145 überschritt den oberen Charmebach und drang siegreich bis vor die 3. feindliche Stellung, den sogenannten grünen Graben vor; auch das Storchennest fiel ihm in die Hände. Auf der Rheinbabenhöhe stürmte 10.40 Uhr vormittags das III./30 in kühnem Schwung bis in den 2. Hauptgraben des Gegners vor, musste dann aber schweres Artillerie-Feuer über sich ergehen lassen und sogar einen Teil seines Geländegewinns wieder aufgeben. Das II./30 am Nordabhang des Hubertusrückens hielt während des ganzen Vormittags den Feind durch nachhaltiges Gewehr- und Maschinengewehr-Feuer nieder. 3 Uhr nachmittags setzte es zum Sturm an, der an den Hängen des Franzentales allerdings vor einem starken Stützpunkte, der sogenannten Wurst bald zum Stehen kam, am linken Flügel aber rasch den feindlichen Graben führte, dessen Besatzung niedergemacht bzw. gefangen genommen wurde.

Damit war für das links anschließende Infanterie-Regiment 173 der Augenblick zum Sturm ebenfalls gekommen. Aus den Spitzen der vorgetriebenen Sturmsappen brachen 3 Uhr nachmittags zunächst die 3. und 2. Kompanie zum Angriff vor.

„Für meine Gruppe war die „Josephine“ als Sturmsappe bestimmt,“ schrieb später der damals 18jährige Fahnenjunker Schemm der 3. Kompanie, der an diesem Tage seine Feuertaufe erhielt. „Auf die Sekunde genau sprangen die Sturmtruppen über die Stufen aus dem Sappenkopf. Im Marsch-Marsch rannten wir über freies Gelände auf den 10 – 15 Meter entfernten feindlichen Graben zu. Er war nicht so einfach genommen. Die starke, wohl im Alarm befindliche Besatzung trat in wütende Tätigkeit. Die Poilus wehrten sich ihrer Haut. Die Handgranaten kamen aus allen Richtungen geflogen; viele dabon taten uns keinen Schaden, wohl weil sie sehr behelfsmäßig hergestellt waren. Immerhin dauerte der Nahkampf ungewöhnlich lange, sodass es zweifelhaft werden konnte, ob unser Sturm völlig glückt. Er sollte aber glücken; ein Zurück gab es nicht mehr. Nun wurde der Franzmann durch Handgranaten sturmreif geworfen; Blut floss. Es musste fließen, sonst hätte der Feind nicht nachgegeben. Erst als die Besatzung kampfunfähig gemacht oder sich zurückgezogen hatte, konnte der entscheidende Sprung in den feindlichen Graben gewagt werden. „Auf in den Graben“, erscholl es mitten im ohrenbetäubenden Lärm und Gepolter. Ein Satz und im Graben standen oder lagen wir. Der Feind hatte diesen Augenblick nicht ungenutzt gelassen; er sandte uns seine blauen Bohnen entgegen. Ersatzreservist Cornely stürzte zu Tode getroffen über den Stacheldraht kopfüber in den Graben. Der durch den Handgranatenkampf erheblich zerschundene Graben musste nun Schritt für Schritt nach rechts aufgerollt werden. Schon ergaben sich die ersten verwundeten Franzosen in ihrer neuen blaugrauen Uniform. Blutüberströmt wurden sie über Deckung geschickt. Die anderen zogen sich in den zweiten Graben zurück, von da Tod und Verderben schleudernd. Ein feindliches Maschinengewehr trat in Tätigkeit. Unsere nachkommanden Leute hatten einen schweren Stand, solange die Verbindungssappen von der bisherigen Stellung aus nicht durchgestochen waren. Leutnant Kramer, der seine Leute ermutigte und sich dabei dem Feinde zu sehr aussetzte, fiel. Der Kompanie-Führer, Hauptmann Gröning, hatte inzwischen den eroberten Graben erreicht. Zur Orientierung und um weitere Befehle erteilen zu können, schaute er über Dekcung. Dieser kurze Blick hat ihm den Tod gebracht. Kaum hatte ich ihn auf einen wagemutigen gefährlichen feindlichen Scharfschützen aufmerksam gemacht, da sank er hintenüber, von der Kugel in den Kopf getroffen. Am folgenden Tage starb er an der tödlichen Wunde in Chatel; aus der Bewusstlosigkeit erwachte er nur, um den Wunsch zu äußern, inmitten der Helden seiner Kompanie und des Bataillons im Waldfriedhof La Mitte Schlucht zur letzten Ruhe bestattet zu werden.“ –

Die 2. Kompanie erhielt nach Erstürmung des ersten feindlichen Grabens ein derartiges Gewehr- und Maschinengewehr-Feuer, dass ein weiteres frontales Vorwärtskommen unmöglich war. Als diese Stockung (5 Uhr nachmittags) beim II. Bataillon beobachtet wurde, eilte Leutnant der Reserve Freese mit seiner 5. Kompanie durch die Gräben des I. Bataillons zur Unterstützung der 2. Kompanie herbei und rollte den französischen Graben von rechts her auf. An der Spitze des Handgranatentrupps ging Leutnant der Reserve Röhl vor, wurde aber schon nach kurzer Zeit durch eine französische Handgranate verwundet. Sofort stellte sich nun der Kriegsfreiwillige Rähler an die Spitze des Trupps trotz seiner kurz vorher erhaltenen Verwundung an Hand und Fuß und führte den Angriff bis zum Schluss mit durch. Als an einer Stelle der Gegner nicht weichen wollte, sprang Unteroffizier König 5./173 in eine weiter links gelegene Sappe, warf von hier aus Handgranaten in den Rücken der Franzosen und brach so ihren Widerstand, sodass die feindliche Stellung weiter aufgerollt werden konnt. 7 Uhr abends hatte die 5. Kompanie das gesamte vor ihrem Abschnitt liegende französische Grabenstück in Händen, und nun setzte die 7. Kompanie den Angriff fort und rollte weiter auf, sodass im ganzen etwa 100 Meter der feindlichen Stellung vom II. Bataillon besetzt und zur nachhaltigen Verteidigung eingerichtet werden konnten. Gegen ein französisches Blockhaus vor der Front der 7. Kompanie wurde abgedämmt und dahinter nach der alten Stellung eine Verbindung durchgegraben, sodass gleich wieder eine zusammenhängende Feuerfront vorhanden war. Nach rechts hin zu II./Infanterie-Regiment 30 wurde ebenfalls anschluss hergestellt.

Durch geschicktes Ausnutzen des richtigen Zeitpunktes hatte das Regiment einen schönen Erfolg errungen, indem es auf rund 300 Meter Breite in die feindliche Verteidigungslinie eingedrungen war, den Franzosen (261. Regiment) schwere blutige Verluste zugefügt, etwa 800 Gefangene abgenommen und große Beute an Gewehren, Munition, Schutzschilden und sonstigem Gerät eingebracht hatte. Freilich waren auch die eigenen Verluste nicht gering: Hauptmann Gröning, Leutnant Kramer, 1 Unteroffizier und 12 Mann waren gefallen, die Leutnants Köhl und Bamberger, 5 Unteroffiziere und 60 Mann verwundet; eine Folge davon, dass wegen der Zusammenfassung des Artillerie- und Minenfeuers gegen Bagatellwerk, Eselsnase und Storchennest keine artilleristische Sturmreifmachung der französischen Stellungen auf dem Hubertusrücken stattgefunden hatte. Ganz allein dem kühnen Draufgehen des I. und II./173 gegen einen unerschütterten zähen Gegner war der Sieg zu danken. Das tapfere, im entscheidenden Augenblick zielsichere Zugreifen des Leutnant der Reserve Freese fand 2 Tage später durch Verleihung des Eisernen Kreuzes I. seine Anerkennung.

Die 12./173 unter Oberleutnant Pohl, die seit dem 27. Juni als Brigade-Reserve im Hubertuslager lag, wurde von dort am 30. Juni vormittags zunächst bis in die 2. Hauptstellung, die Hubertusstellung vorgezogen und dann in den ersten Nachmittagsstunden, als der Angriff auf der Rheinbabenhöhe günstig fortzuschreiten schien, dem Abschnitt des Hauptmann Schmidt (II./Infanterie-Regiment 30) am Nordwestabhang des Hubertusrückens zur Verfügung gestellt. 4 Uhr nachmittags rückte sie in heftigem Artillerie-Feuer durch den Martinspfad hinter den linken Flügel des II./30. Dort fand sie zunächst, während die 1. und 5./30 vorn um die Behauptung der erstürmten feindlichen Gräben kämpfte, Verwendung beim Säubern und Ausbauen der genommenen Grabenstücke, Herstellung von rückwärtigen Sappen, Bergung von Toten und Verwundeten und Heranschaffen von Patronen und Handgranaten. Mehrere bei der 5./30 beschäftigte Gruppen beteiligten sich außerdem am Abend un im Laufe der Nacht an der erfolgreichen Abwehr von 3 französischen Gegenangriffen. Weiter rechts bemühte sich währenddes die 8./30 todesmutig, aber vergeblich, die sogenannte Wurst, ein in sich geschlossenes, stark befestigtes und von 2 feindlichen Kompanien verteidigtes Werk, in wiederholten Handgranatenangriffen zu nehmen.“

Man begrub Wilhelm Groning auf dem Soldatenfriedhof Servon-Melzicourt in Block 3, Grab 329.

Feldhilfsarzt Schollmeyer, Leutnant Wilhelm Gröning und Hauptmann Hans Kramer am Abend des 29.06.1915. Am nächsten Tag fielen Wilhelm Gröning und Hans Kramer

Sonderbeitrag: Hauptmann Max Freiherr von Toll

Der Soldat Max Freiherr von Toll wurde am 06.09.1876 in Oldenburg im heutigen Bundesland Niedersachsen geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Hauptmann im Stab des 95. Infanterie-Regiment. Am 18.08.1916 wurde er zum Major befördert. Am 02.04.1918 wurde er an das Leib-Grenadier-Regiment 109 überwiesen. Am 12.10.1918 wurde er bei Banthéville schwer verwundet und verstarb nach dem Krieg an dieser Verwundung.

Über den Tag seiner schweren Verwundung berichtet die Regimentsgeschichte des 109. Grenadier-Regiment:

„Gegen 2 Uhr morgens am 12. Oktober richtete eine feindliche Granate des fortwährend auf dem ganzen Gelände liegenden Streufeuers im Regimentsstab große Verheerungen an. Einige Grenadiere und Soldaten des Infanterie-Regiments 171, die als Melder dem Regimentsstab zugeteilt waren, fanden den Tod, gegen 10 Mann trugen Verwundungen davon. Außer diesen wurde noch der Regimentsführer, Major Freiherr von Toll, der Regimentsadjutant, Oberleutnant von Hofer und der Ordonnanzoffizier, Leutnant der Reserve Herrmann, verwundet. Oberleutnant von Hofer starb nach wenigen Tagen in Stenay, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.“

Der Ort der schweren Verwundung von Max Freiherr von Toll:

Die Lage des Grabes von Max Freiherr von Toll konnte ich bislang nicht ermitteln.

Hauptmann Max Freiherr von Toll (rechts) und Hauptmann Hans von Seebach (links)

 

Sonderbeitrag: Oberleutnant Hermann Stöve

Der Soldat Hermann Stöve stammte aus Varel im heutigen Bundesland Niedersachsen. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Oberleutnant im 95. Infanterie-Regiment, war jedoch abgeordnet in die 12. Kompanie des 233. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 05.04.1916 fiel er belgischen Flandern an der Westfront. Er wurde während der Stellungskämpfe an der Yser getötet.

Man begrub Hermann Stöve auf dem Soldatenfriedhof Langemark in Block B Grab 14069.

In Varel gedenkt man Hermann Stöve noch heute auf einem Denkmal: http://www.denkmalprojekt.org/2024/varel_lkr-friesland_wk1_ns.html

Oberleutnant Hermann Stöve

Sonderbeitrag: Hauptmann Hans Witte

Der Soldat Hans Witte stammte aus Blankenburg im heutigen Bundeland Sachsen-Anhalt. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Hauptmann in der 9. Kompanie des 95. Infanterie-Regiment. Am 23.08.1914 fiel er in Belgien an der Westfront bei der Eroberung von Namur. Er wurde bei der Ortschaft Marchevolette und Bouge getötet.

Vermutlich war er Teil eines Kriegsverbrechens. Kurz vor seinem Tod war er an der Tötung von Zivilisten beteiligt, auch wenn die Regimentsgeschichte des 95. Infanterie-Regiments es so darstellt, als haben die getöteten Zivilisten zuvor als Nicht-Kombattanten an der Beschießung von deutschen Soldaten teilgenommen. Nach dem Krieg führten alle unabhängigen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass die Vorwürfe der deutschen Militärs, Zivilisten hätten an kriegerischen Handlungen teilgenommen und amit ihrerseits gegen das internationale Kriegsvölkerrecht verstoßen, falsch waren.

Angriff auf Namur am 23.08.1914

Über den Todestag und die Todesumstände von Hans Witte berichtet die Regimentsgeschichte des 95. Infanterie-Regiments:

„Angriff auf Namur

Das Regiment wurde hierzu beim Dorf Marchovelette eingesetzt. I./95 kam in vorderste Linie, III./95 und die Maschinengewehr-Kompanie blieben zunächst beim Gut Tierre Cauth in Reserve. II./95 wurde zur Verfügung des Korps im Walde von Fernelemont bereitgestellt.

Etwa 1.000 Meter vor der Stellung des I./95 lag Fort Marchovelette. Es wurde von österreichischen 30,5 Mörsern beschossen. In großen Zwischenräumen wuchsen auf dem Fort die dunklen Rauchpinien der Geschosseinschläge empor. Unter diesem Feuerschutz erreichte das Bataillon ohne Verluste seine Stellung. Nur einzelne schwere Geschosse zogen hoch am Nachthimmel ihre Bahn, um fern mit dumpfem Knall zu zerbersten. Ein Scheinwerfer tastete einige Male unsicher umher. Das flackernde Licht aufsteigender Leuchtkugeln erhellte hin und wieder die Umgebung. Der Feind aber blieb ruhig. So konnte I./95 ungestört am Ausbau seiner Stellung arbeiten, II. und III./95 in ihren Bereitstellungsplätzen ruhn.

Inzwischen hatte General von Gallwitz den Angriff auf die Festung für den 23.08. befohlen. Unter Niederhaltung des Forts Cognelèe und Marchovelette durch schwere Artillerie sollten die zwischen ihnen liegenden Stellungen nach ausgiebiger Feuervorbereitung durch die leichte Artillerie von der Infanterie gestürmt werden.

So begann am Vormittag des 23. August – eines Sonntags – die deutschen Batterien ihr Zerstörungswerk. Anschwellend und wieder abflauend, allmählich aber an Stärke wachsend, steigerte sich das Feuer, bis gegen 12 Uhr mittags ein Orkan von Geschossen im Fort Marchovelette die letzten Grasreste von den Wällen herabfegte, die Gräben verschüttete, die Hindernisse zerschnitt, die Betondecke durchschlug, den Munitionsraum zur Explosion brachte und den naheliegenden Wald von Champion splitternd und krachend zerbrach.

Fort Marchovelette war verschwunden! Eine ungeheure, undurchdringliche Wolke von Staub, Qulm und Rauch verhüllte die Stätte, an der es lag.

Da hörte auf Feindseite jeder Widerstand auf. Frei auf ihren Deckungen standen unsere Leute und staunten dies gewaltige, nie gesehene Schauspiel an. Niemand hinderte sie, kein Schuss von belgischer Seite zwang sie in ihre Gräben zurück. III./95, das um diese Zeit vorgezogen und nördlich des I./95 eingesetzt wurde, gelangte so ohne Verluste in die vorderste Linie.

11.30 Uhr vormittags kam der Befehl zum Sturm. III./95 nahm die 9. und 10., I./95 die 1., 2. und 4. Kompanie hierzu in vorderster Linie. Die Maschinengewehr-Kompanie ging auf einer kleinen Höhe in Stellung, um den Schutz des Vorgehens zu übernehmen. Die Kompanien ordneten sich zum Antreten in der Front mit Pionieren, dahinter Kompanien geschlossen, die Offiziere zum Teil zu Pferd – so wurde 1 Uhr nachmittags angetreten. Niemand hatte sich den Angriff so vorgestellt – niemand auch ihn so wieder erlebt – kein Schuss fiel, ohne Widerstand wurde nahe beim Fort Marchovelette der Wald von Champion erreicht. –

Unmittelbar in seinem Nordostrand befand sich die Stellung der Belgier, ein tiefer Graben, dichte Hindernisse, Unterstände, zahlreiche Geschütze bis in die vorderste Linie vorgeschoben, verlassen, jedoch nicht leer. Haufen von Munition lagen verstreut, Gewehre noch schussfertig auf den Deckungen, dazwischen stapelte Artillerie-Munition, hier lagen einzeln, dort in ganzen Haufen, gefallene Belgier. Durch eine Granate emporgeschleudert, hing eine Leiche in den Ästen der Bäume.

Jenseits des Waldes änderte sich das Bild. Aus Champion pfiffen die ersten Kugeln. Zurückgehende Belgier waren auf den weiten, mit Getreidehocken bestandenen Feldern sichtbar. Vereinzeltes Artillerie-Feuer schlug herüber. Doch die Verfolgung kam nicht zum Stehen. Ohne Aufenthalt stürmte Alles vorwärts.

Während 1. und 3./95 sich auf Moulin â Vent wandten, bog III./95, zusammen mit 2. und 4. Kompanie nach Süden auf Bouge ab, aus dem der Gegner noch feuerte. Als 1. Offizier wurde hier Leutnant von Aulock 4./95, als er mit einer Offizierspatrouille zur Erkundung einer feindlichen Batterie vorging, verwundet. Sprungweise begannen sich die Linien vorzuarbeiten. Da fuhr bei Champion eigene Artillerie auf, um den Angriff zu unterstützen. Nun ging es rasch vorwärts. Weit allen Verfolgern voran, erreichte Hauptmann Witte mit seiner 9. Kompanie Bouge. Aus dem nächsten Hause erhielt er Feuer. Bald barst die verrammelte Tür unter dröhnenden Axtschlägen. Am noch warmen Maschinengewehr fanden sich – Belgier in Zivilkleidern. Sie wurden, nachdem Hauptmann Witte die Lage geklärt, – erschossen. Weiter auf die Kirche eilten die Stürmenden. Da krachten aus einem die Straße abschließenden Hause Schüsse. Zu Tode getroffen, fiel Hauptmann Witte und seine tapferen Begleiter, Gefreiter Vierneusel, Tambour Franz und Reservist Probst. 4 weitere wurden verwundet. Selten erfreute sich ein Offizier bei seinen Kameraden und Untergebenen solcher Liebe und Wertschätzung wie Hauptmann Witte. Selten hatte jemand wie er alle Herzen gewonnen! So war sein Tod für alle, die ihn kannten, ein persönlicher Schmerz. Und so durchdrang das Gefühl, ihn zu rächen, jeden, der von seinem Ende erfuhr. Wo sich in Bouge noch Widerstand zeigte, wurde er ohne Rücksicht gebrochen. Wo aus einem Hause Schüsse fielen, flog ihm der rote Hahn aufs Dach. Prasselnd schlug bald die Lohe der Brände gen Himmel, – und in das Krachen des Gebälks mischte sich das Knattern der Gewehre. – –

II./95 war 11 Uhr vormittags vom Generalkommando näher an die vorderste Linie herangezogen, zum Einsatz jedoch noch nicht freigegeben worden. Es folgte in kurzem Abstand entfaltet dem III. und I./95. Nachdem es Dorf Marchovelette durchschritten, ging es nördlich an dem noch immer beschossenen Fort Marchovelette vorbei. Fast hätte es hier durch eigenes Feuer verluste erlitten. Dicht bei der 7./95, die in Kompanie-Kolonne vorübergehend an der Straße hielt, schlug eine Lage der österreichischen Mörser ein, durch ihre gewaltige Detonation haushoch die Erde emporwerfend. Die nächsten Schüsse mussten nach menschlichem Ermessen die Truppe treffen. Die Leute wurden unruhig, sie wollten ausweichen. Da nahm an Stelle des erkundenden Kompanie-Chefs der Leutnant Graf Baudissin durch festes Kommando die Kompanie in die Hand. Wie auf dem Exerzierplatz führte er sie nach strammem Griff im Gleichschritt von der gefährdeten Stelle.

Im Wald von Champion erhielt II./95 überraschend Infanterie-Feuer. Ein Zug der 7./95 unter Leutnant Lenz wandte sich gegen den Feind, tötete 5 Belgier im Bajonettkampf und nahm den Rest – Angehörige des 1. und 8. beglischen Regiments – gefangen. Jenseits des Waldes wurden Flüchtlinge vom Fort Marchovelette eingebracht. Sie schienen keine Menschen mehr. Die 3tägige Beschießung des Forts hatte sie seelisch völlig gebrochen. Mit irren Augen, kaum der Sprache noch mächtig, baten sie flehend um Gnde. Nach Durchschreiten des Waldes folgte das II./95, jetzt vom Generalkommando freigegeben, nach kurzer Durchsuchung von Champion, dem Regiment nach Bouge.

Hier, auf den Höhen hart nördlich der Maas, hatte das Generalkommando die Verfolgung angehalten. Nur ein Zug der 2./95, schneidig geführt durch Leutnant von Wintzingerode, war bis an den Fluss vorgestoßen und dort nur durch eigenes Artilleriefeuer gehindert worden. Das Regiment selbst ordnete seine Verbände auf der Höhe. Welch ein Anblick bot sich von hier! Im warmen Licht der Abendsonne tief unten das Häusermeer, das silberne Band von Maas und Sambre, und drüben am Berghang, in Felsen gehauen, die trotzigen Mauern der alten Zitadelle. Hoch flatterte über ihr im Abendwind die französische Trikolore. Zu den Höhen von Bouge stieg ein langer, nicht endender Zug gefangener Feinde empor.

Namur war genommen! Im Vollgefühl des Sieges sah jeder hinab auf die eroberte Stadt. 3 Wochen hatten dem Feind zur Verfügung gestanden, die Festung mit Gräben und Hindernissen auszubauen, 3 Tage hatten genügt, diesen Schld zu brechen. Aber noch wehte drüben auf den Mauern trotzig die französische Fahne! Als die Sonne sank, barsten an ihnen die deutschen Granaten und ließen hoch auf des Berges Gipfel die leuchtende Kuppel des Hotel de la Citadelle in Flamen auflodern. Noch lange leuchtete der Brand als Siegesfanal in die Nacht! –

Das Regiment ruhte während der Nacht, Sicherungen bis an die Maas vorgeschoben, in Alarmquartieren in Bouge. Wenn auch die Verluste dieses Kampfes verhältnismäßig gering waren, so wurden sie doch als die ersten doppelt schwer empfunden: 1 Offizier, 4 Mann tot, 1 Offizier, 6 Leute verundet.“

Seite 12

Man begrub Hans Witte auf dem Soldatenfriedhof Vladslo in Block 9, Grab 791.

Hauptmann Hans Witte

Sonderbeitrag: Brigade-Adjutant Oberleutnant Egmont Schweitzer

Der Soldat Egmont Schweitzer wurde am 29.08.1890 in Meiningen im heutigen Bundesland Thüringen geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Brigade-Adjutant und Oberleutnant im 95. Infanterie-Regiment. Am 26.10.1916 fiel er im Alter von 26 Jahren während der Schlacht an der Somme. Er wurde in der Gegend bei Thiepval und Saint-Pierre-Divion getötet.

Sterberegion von Egmont Schweitzer:

Über den Todestag und die Todesumstände von Egmont Schweitzer berichtet die Regimentsgeschichte des 95. Infanterie-Regiment:

“ In den Tagen vom 25. – 27.10. lösten dann die Bataillone das Reserve-Regiment 109 in der Stellung ab, nachdem vorher der Regimentsadjutant Leutnant von Aulock mit dem Kommandeur der 109er alle Einzelheiten der Ablösung besprochen hatte. Ein Teil der Kompanien erlitt bereits beim Anmarsch Verluste. Schon vom Vorkommando des II. Bataillons fielen ein Unteroffizier und ein Mann durch Granatvolltreffer. Von der 10. Kompanie wurden unmittelbar vor der Stellung die Musketiere Herget und Bender, beide schon in manchem Sturm erprobt, durch Maschinengewehr-Feuer tödlich verletzt. Beim Vormarsch der 11. Kompanie scheuten durch den plötzlichen Abschuss eines Geschützes die Pferde eines Wagens und rasten in die Marschkolonne; 6 Mann blieben schwerverletzt liegen. Wenig später schlugen 2 Granaten in die 12. Kompanie, töteten 2 Mann, darunter den Feldwebel Neuhaus, und verwundeten mehr als ein Dutzend. Am 26. Oktober gegen Mittag fiel auch der Brigade-Adjutant Oberleutnant Schweitzer.“

Man überführte den Leichnam von Egmont Schweitzer auf den Friedhof Coburg (Friedhof Am Glockenberg) in Oberfranken (Bayern) und begrub ihn dort im Familiengrab.

In Coburg und Hildburghausen gedenkt man Egmont Schweitzer noch heute auf zwei Denkmälern: http://www.denkmalprojekt.org/2021/coburg_frdh-am-glockenberg_wk1_wk2_by.html und http://www.denkmalprojekt.org/2022/hildburghausen_denkmal_lkr-hildburghausen_wk1_th.html.

Brigade-Adjutant Oberleutnant Egmont Schweitzer