Der Soldat Kurt Stephan wurde am 09.05.1887 in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Landsturmmann in der 8. Kompanie des 74. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 04.08.1915 wurde er bei der Erstürmung des Lingekopfes nördlich der Stadt Münster (französisch: Munster, elsässisch: Menschter) zunächst verwundet und gilt seit dem als vermisst. Kurt Stephan wurde 28 Jahre alt.
Über den Todestag und die Todesumstände von Josef Eschenbüscher berichtet die Regimentsgeschichte des 74. Reserve-Infanterie-Regiments:
„Erstürmung des Lingekopfes
4. August 1915
Der größte Teil des ganzen Abschnitts, den wir jetzt besetzt halten, ist nur eine Notstellung. Ursprünglich waren die deutschen Gräben oben auf dem Kamm des Lingekopfes. Aber der Franzmann hat sie im Juli unseren Truppen weggenommen, ja er war teilweise noch darüber hinaus vorgedrungen. Ein späterer Gegenangriff hatte ihn aber wieder bis auf den Gipfel zurückgeworfen.
Hier liegt es nun in naher Entfernung über uns – wörtlich zu nehmen! Denn der Berg hat etwa 30 Grad Steigung! Das ist natürlich auf Dauer ein unhaltbarer Zustand. Er muss beseitigt werden, koste es was es wolle. Division, Brigade und Regiment haben schon fieberhaft vorgearbeitet. Bis ins einzelne ist alles erwogen. Heute soll der Lingekopf zurück in deutschen Besitz!
3. August spätabends Fernspruch. Die Bataillonskommandeure und einige andere Offiziere werden zum Regimentsgefechtsstand gerufen. Oberstleutnant von Bieberstein erteilt mit knappen, klaren Worten den Befehl: „Morgen abend um 6 Uhr greift das Regiment, in drei Sturmkolonnen geteilt, die Stellung des Gegners an und nimmt die alten deutschen Gräben. Die linke Sturmkolonne führt Hauptmann Settmaier, die mittlere Hauptmann Bowien, die rechte Leutnant Heweker“. Übersichtliche Skizzen werden ausgeteilt. Noch eine kurze Besprechung, Erklärung der Unterstützung durch Artillerie und Minenwerfer. Dann: „Hat einer der Herren noch eine Frage?“ Nein? Auf Wiedersehen!“ – Auf Wiedersehen!“ Jeder strebt seiner Behausung zu, den Kopf voll von Gedanken, wie man wohl dem Franzmann am besten beikommt.
Zögernd dämmert der Morgen des 4. August herauf. Die Kompanieführer rufen ihre Zugführer zu sich in den Unterstand, machen sie mit dem Befehl und den Einzelheiten des Sturmes bekannt.
Als Angriffstruppen sollen am rechten Flügel die 3. und 4., in der Mitte die 7. und 8. und links die 11. und 12. Kompanie in vorderer Linie verwendet werden.
Stellung am Lingekopf am 5. August 1915 nach dem Sturm
Jeder Sturmkolonne werden ⅔ Zug Pioniere, ein Fernsprechtrupp und eine Artilleriebeobachter mit Kabel zugeteilt. Außerdem erhalten die beiden Abteilungen auf dem rechten und linken Flügel je ein schweres Maschinengewehr.
Die Zeiteinteilung für den Sturm ist folgende:
10 Uhr – 12.45 Uhr Einschießen der Artillerie
12.50 Uhr – 1 Uhr Pause
1 Uhr – 3.30 Uhr Artilleriefeuer mittlerer Stärke
3.30 Uhr – 3.40 Uhr Artillerie-Feuerpause, Maschinengeweher-Feuer von den benachbarten Bergen Eichenrain und Schratzmännle
3.40 Uhr – 4.20 Uhr Artilleriefeuer
4.20 Uhr – 4.30 Uhr völlige Pause
4.30 Uhr – 5.10 Uhr Artilleriefeuer
5.10 Uhr – 5.20 Uhr Artillerie-Feuerpause, Maschinengewehr-Feuer vom Eichenrain und Schratzmännle
5.20 Uhr – 6 Uhr höchste Steigerung des Artilleriefeuers
6 Uhr Infanteriesturm und Vorverlegen des Artilleriefeuers
Der Ernst und die Schwere der Aufgabe, die zu lösen ist, steht jedem auf dem Gesicht geschrieben. Die Kuppe des Lingekopfes hat ja nach dem ersten Verlust schon mehrfach den Besitzer gewechselt. Wiederholt sind deutsche Truppen gegen diese starke Begbefestigung todesmutig angerannt, immer wieder ist sie in die Hand der Feinde zurückgefallen. Nun sollen Niedersachsen sich endgültig in den Besitz des Berges setzen.
Aber bei Einsicht in die sorgsame Vorbereitung dieses Angriffs muss einem das Herz leicht werden. und so ist es auch. Keiner zweifelt mehr an dem Erfolg des Unternehmens. Auch unsere Leute nehmen den Befehl ruhig und gefasst auf. Den Ernst der Lage erkennt jeder, jeder weiß auch, dass es Opfer kosten wird. Aber nirgends eine Spur von Niedergeschlagenheit!. Nur eines behagt der am rechten Flügel liegenden 3. Kompanie niecht: In dem Angriffsplan ist nicht erwähnt, ob das vor ihrer Stellung liegende französische Blockhaus gestürmt werden soll. Es heißt nur, dass die 3. Kompanie die Flankensicherung übernehmen und der 4. Kompanie folgen soll. Leutnant Presler eilt rasch zum Bataillon und erhält die Erlaubnis für die Erstürmung des Blockhauses. Leutnant Conrad soll dabei mit einem Maschinengewehr helfen. Nach dieser wertvollen Ergänzung des Angriffsplanes ist alles klipp und klar. In unserem Tatendrang ist uns der Besitz des Berges schon so gut wie sicher.
Auch außerhalb der Sturmkolonnen wird Klarheit geschaffen. Handgranatentrupps werden ausgesondert, den Zügen in 1., 2. und 3. Linie ihre Stellung angewiesen. Die Reservekompanien erhalten die nötigen Befehle. Munition und Handgranaten werden ergänzt. Kurz, es wird alles bis ins kleinste vorbereitet.
Um 9 Uhr morgens werden unsere vordersten Gräben unauffällig geräumt. Nur einige Beobachtungsposten bleiben vorne. Genügend Freiwillige haben sich zu diesem gefährlichen Dienst gemeldet.
Plötzlich ein donnerartiges Krachen. Der Berg erzittert. Unsere schweren Minenwerfer haben ihre Arbeit begonnen. Schuss auf Schuss folgt jetzt. Gespannt blicken wir hinauf auf die Höhe. Schlägt so ein Brocken ungefähr richtig ein, dann halten wir nicht mit unserem Beifall zurück. Es rührt sich in uns ein Gefühl der Vergeltungsfreude. Wurscht wider Wurscht. Damals vom Altmattkopf her haben uns die Franzmänner das Leben mit ihren Minen sauer gemacht. Heute sollen sie selber einmal spüren, wie wohl das tut.
Nach einer Stunde, um 10 Uhr, kommt ein neuer Ton in das Konzert. Heulend saust die erste Granate über unsere Köpfe weg in die feindliche Stellung. Die Artillerie schießt sich ein. Eine Batterie nach der andern beginnt das Feuer. Vom kleinkalibrigen Gebirgsgeschütz bis zum 21-cm-Mörser. Auch ein Artilleriebeobachter hat sich vorne bei uns eingefunden. Er sucht Anschluss an seine Zentrale, aber es gelingt ihm nicht.
Dafür steigert sich der Ehrgeiz unserer Artillerie, feindliche Stellung kurz und klein zu hauen. Schon fliegen die Balken und Felsdeckungen eines französischen Unterstandes hoch durch die Luft. Im nächsten Augenblick sitzt auch schon ein 21er in unserem Graben. Fernsprecher her! Aber die Verbindung zur Artillerie klappt immer noch nicht. Also Meldegänger los! Sie hasten den Berg hinab. Einige Posten kommen von vorn zurück: der eigene Graben liegt unter Feuer. Wieder wird an der Artilleriestrippe gebastelt. Vergebens! Kein Schwanz meldet sich.
Inzwischen hauen die Granaten immer kürzer ein. Ein Pioniertrupp, der an der Riegelstellung arbeitet, verliert durch ein Schrapnell 7 Mann. Auch in unsern Reihen fällt hier und dort einer aus. Die Sturmkolonnen müssen weiter zurückgenommen werden. Noch kürzer schlagen die Geschosse ein. Noch mehr zurück die Sturmmannschaften! Bange taucht die Frage auf, ob wir bei der Steilheit des Berges überhaupt frühzeitig genug oben sein können, bevor der Franzmann wieder in seinen Gräben ist.
Endlich ist die Verbindung mit der Artillerie hergestellt. Unsere Meldung über das Zukurzschießen wird aber nicht geglaubt. Die „eigene feindliche Artillerie“, wie sie schnell getauft wird, schießt weiter. Sie räumt zwar gut in der französischen Stellung auf, leistet sich aber immer noch Kurzschüsse, die uns immer neue Verluste zufügen. Bis zum Abend 200 Mann!
Sichtbar belebt wird die Stimmung, als um 1 Uhr mittags das Wirkungsschießen beginnt. Ein Hagel von Geschossen aller Kaliber, vom dumpfen Krachen schwerer Minen unterbrochen, zerschlägt die feindlichen Gräben. Beunruhigt tacken die französischen Maschinengewehre. Die Höhenstellung verschwindet im Rauch und Pulverqualm. Aber immer noch schlägt das unruhige Gewehrgeknatter an unser Ohr. Noch ist der Franzmann nicht mürbe!
Eine wohltuende Abwechslung in das betäubende Krachen der Granaten und Minen bringen mehrere Feuerpausen von 10 Minuten. Dann setzen unsere Maschinengewehre hinter uns ein und fegen mit ihren Garben über unsere Köpfe hinweg. Deutlich hören wir jetzt die angstvollen Schreie der verwundeten Franzosen über uns. Unser Wirkungsschießen muss ja auch fürchterlich da oben gewütet haben.
Aber auch diese Feuerpausen haben für die Franzmänner schreckliche Folgen, wie die mit Leichen angefüllten Gräben später zeigen. Mit dem auf die Minute festgesetzten Abbrechen unseres Artilleriefeuers glauben nämlich die Franzosen, dass nun unser Angriff beginnt. Sie stürzen aus ihrer Reservestellung nach vorne und stehen schussbereit da. Gespannt warten sie auf die ersten Ziele, die sich zeigen – warten und warten – da haut auch schon wieder nach der Feuerpause die erste schwere Granat mitten unter sie und vernichtet alles.
Von 5.15 Uhr ab erhöht sich die Feuergeschwindigkeit unserer Artillerie. Ein Orkan von Eisen und Stahl fegt durch die Luft. Baumstämme stürzen mit dumpfen Aufschlag, Felsen bersten krachend und überschütten uns mit einem Steinhagel.
Aber je toller es zugeht, desto mehr steigert sich unsere Angriffslust. Der Zeitpunkt für das Hervorbrechen kann kaum abgewartet werden. Bajonette blitzen schon über den Gewehrmündungen, im Sturmgepäck steht Mann an Mann an den Ausfallstufen.
Schlag 6 Uhr springen die Zugführer aus den Gräben, gefolgt von ihren tapferen Mannschaften. Jetzt alles heran an den Feind, auch die Reserven. Handgranatentrupps vor! Kein Gewehrschuss darf fallen, bevor wir nicht oben sind. In keuchender Eile geht es den Berg hinauf. Schon im eigenen Drahtverhau ganz am rechten Flügel fällt als erster des Sturmes Leutnant Kruse von der 3. Kompanie. Eine wohlgezielte Infanteriekugel hat ihn zu Tode getroffen. Handgranaten- und Maschinengewehr-Feuer aus dem Blockhaus empfängt die Stürmenden.
Über alles kann den ungestümen Schwung von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften nicht mehr schwächen. Schon künden die ersten Detonationen von Handgranaten, dass die Kuppe erreicht ist. Am rechten Flügel stürmen mit hocherhobenem Stock und die Pistole in der linken Leutnant Presler und Zizefeldwebel Krüger ihren Kameraden voraus. Bald sind sie am Blockhaus. Leutnant Presler steht eben aufrecht davor. Da läuft ein Alpenjäger mit dem Bajonett auf ihn los. Er wehrt den Angreifer mit dem Stock ab. Jetzt sind auch schon die ersten von der Gruppe da. „Packt ihn!“ Sie stürzen sich auf den Alpenjäger. Der wirft aber das Gewehr fort. In wütendem Nahkampf werden die Reste der Besatzung den Berg hinabgeworfen. Wer sich von den Alpenjägern noch wehrt, wird niedergemacht oder gefangengenommen.
Unweit davon stürmt mit seltenem Schneid ein anderer Trupp in die feindliche Stellung. Leutnant Warnecke ist es von der 4. Kompanie an der Spitze seines aus lauter Freiwilligen bestehenden Handgranatentrupps. Mit lautem Hurra werden die Gräben genommen.
Unteroffizier Götze (1. Kompanie) ist einer der ersten und geht der Besatzung mit bekannter Furchtlosigkeit zu Leibe. Vier Offiziere und über 20 Mann werden zu Gefangenen gemacht.
Unteroffizier Schnelle steht ihm als Führer eines weiteren Freiwilligentrupps an heroischer Tapferkeit nichts nach. Als er den zweiten feindlichen Graben noch besetzt findet, geht er mit blanker Waffe vor, springt als erster mitten unter die verdutzten Franzosen und räumt nun mit Hilfe seiner braven Leute gründlich auf. Da stürmt ihm mit aufgepflanztem Bajonett Verstärkung entgegen. Kaltblütig lässt er sie herankommen und erledigt sie im Nahkampf. Schnelle hält mit wenigen Leuten seinen Graben gegen vielfache Übermacht. Dabei findet der heldenhafte Gefreite Bakemeyer den Tod durch Handgranate.
Soweit das Auge reicht, rechts und links, überall ist der Nahkampf entbrannt. Wir wissen kaum, wie wir hinaufgekommen sind, aber wir sind oben. Schrapnells krepieren über, Handgranaten neben uns. Wir stehen im erstickenden Pulverdampf. Gesichter tauchen auf aus dem Dunst. Hier auf einem Felsblock der Kompanieführer der 3., Leutnant Heweker. Mit bombiger Ruhe leitet er durch Zeichen den Sturm. Im nächsten Augenblick hüllt ihn wieder eine Dampfwolke ein. und wie die Leute kämpfen! Jeder einzelne! Ein Bild für einen Schlachtenmaler!
Fast überall wehrt sich der Franzmann tapfer. Wenn man bedenkt, dass er viele Stunden im zermürbenden Wirkungsfeuer gestanden hat, so können wir heute seiner Zähigkeit und seinem Mut nur Achtung zollen. Mitten im Kampf versucht er seine Maschinengewehre in Tätigkeit zu setzen. Aber umsonst. Er wird von unseren wütenden Leuten einfach überrannt. Das Gewehr spielt jetzt keine Rolle mehr. Sie gehen ihm mit Handgranaten zu Leibe. Als der Vorrat zu Ende geht, nehmen sie Felsstücke. Dicke Steine fliegen in hohem Bogen hinter den Flüchtenden her. Derbe, für den Franzmann wenig schmeichelhafte Kraftworte begleiten sie.
Da! Ein Lager französische Handgranaten. Irgendeiner hat es entdeckt. Ein Alpenjäger wird geschnappt, der muss schnell Unterricht erteilen. In der nächsten Minute schon sausen die kleinen Dinger den Berg hinunter, mitten unter die feindlichen Wellen, die im Gegenstoß nach oben drängen. Gerade noch rechtzeitig kommt von rückwärts ein neuer Vorrat an Handgranaten. Wum … Wum … Wum … Krachend bersten sie und reißen blutige Lücken. Der Angreifer gibt für diesmal auf. Hinter Feldblöcken Schutz suchend springt er wieder zurück.
Derweilen wird aus dem Blockhaus schon das erste Maschinengewehr als Beute herausgetragen. In heller Begeisterung springt der junge Vizefeldwebel Krüger, ungeachtet der feindlichen Geschosse, oben auf einen freisthenden Felsblock, schwenkt die Mütze und stimmt das Lied „Deutschland, Deutschland über alles“ an. Wie ein Sturmgesang braust es durch die Reihen der Lingekopferoberer „über alles, über alles in der Welt!“
Leutnant Conrad hat inzwischen sein Maschinengewehr unter unsäglichen Schwierigkeiten und Gefahren an einer vorspringenden Bergnase in Stellung gebracht und feuert mit eiserner Ruhe in die abziehenden Reihen der Alpenjäger. Sein Ziel ist lohnend, denn schon setzen ganze Trupps von Franzosen dicht unter ihm zum Gegenstoß an. Er schießt sie alle, ehe sie sich richtig entwickeln können, mit staunenswerter Sicherheit zusammen. Ein Bild eigener Größe, wie er seinen tapferen Leuten, den Kugeln preisgebend, auf einem freien, erhöhten Fels liegt und ins Tal hinunterfeuert.
Doch plötzlich verstummt sein Gewehr. Von einem Querschläger in die Schulter getroffen, sinkt der tapfere Offizier blutüberströmt hinter seiner Waffe zusammen. Während er verbunden wird, hat schon ein anderer das Gewehr ergriffen und feuert in den Berg heraufkommender Reihen. Zu Tode getroffen sinkt auch dieser Brave in die Kniee. Ein dritter wagt es, die Handgriffe zu nehmen und auf den Abzugshebel zu drücken. Nur wenige Kugeln sind heraus, da schweigt sein tack-Tack wie abgerissen. Eine Kugel in den Bauch hat den Tapferen hingerafft. Sekunden nur, da liegt der vierte ohne Zaudern an den Griffen und mäht den Hang hinunter, bis auch dieser nach wenigen Augenblicken verwundet heruntergetragen wird.
Das Mschinengewehr muss aus allernächster Nähe Flankenfeuer bekommen. Das ist den wenigen Überlebenden klar. Und wirklich! Als einige Leute sich kriechend an den Bergvorsprung der rechten Flanke heranpirschen, gewahren sie nur 15 Meter unter sich hinter einem Felsen einen einzelnen Alpenjäger, wie er in aller Gemütsruhe sein Gewehr lädt und gerade anlegen will. Im Nu kracht ein Hagel von Handgranaten zu ihm hinunter und macht ihn unschädlich. Ganz allein hatte sich dieser verwegene Bursche dort gehalten und unsere gesamte Maschinengewehr-Besatzung auf kurze Entfernung abgeknallt.
Gott sei Dank ist diese Gefahr nun endgültig beseitigt. Die vordere Linie links vom blockhaus ist unter Führung des Unteroffizier Bünnemeyer eifrig dabei, Sandsäcke zu füllen und die eingenommene Stellung zu beseitigen. Reserven schieben sich ein und füllen die Lücke. Es ist aber auch höchste Zeit! Denn ganze Gruppen von Alpenjägern drängen hinter Felsblöcken und Baumstümpfen aufwärts. Sie wollen mit aller Gewalt wieder die Kuppe haben. Aber Handgranate auf Handgranate fliegen ihnen vor die Füße, so dass keiner von ihnen an die von Bünnemeyer verteidigte Linie herankommt. Fest ist sie in der Hand der Unsrigen.
Unvergessen bleibt die tatkräftige Unterstützung der 9. Kompanie, die am 4. August zusammen mit dem I. Bataillon eingesetzt wurde. Auch sie hat großen Anteil an den erfolgen der Sturmabteilung Heweker. Im Verbande dieser Abteilung dringen Teile der 9. Kompanie unter Führung des bei diesem Sturm gefallenen Offizierstellvertreter Eschenbüscher bis über den zweiten feindlichen Graben vor.Der Gefreite Recksieck bemächtigt sich eines französischen Maschinengewehrs und macht erst vor dem dritten feindlichen Graben halt.
Was nun geschieht, schildert uns Kamerad Schwarting in lebendigen Worten:
„Auf der granatenzerstampften Kuppe liegen die Sieger in fieberhafter Tätigkeit. Sandsäcke werden in ununterbrochener Kette von unten heraufgelangt und am Rande der Kuppe aufgebaut. Auf dem Leibe kriechend, schiebt jeder die Verteidigungslinie so weit hinaus, wie es eben geht. Zerschossene Baumstämme werden zur Befestigung zwischen die Sandsäcke gelegt. Dann werden die Stahlschilde mit den Schießscharten eingebaut. Von Minute zu Minute wird der Verteidigungsdamm höher und fester. Schon kann der Mann in seinem Schutze dahinter knien, bald steht er aufrecht und späht durch die Scharten den Hang hinunter, wo hinter Felsen noch Feinde kauern und Schuss auf Schuss gegen die entstehende Brustwehr senden. Aber sie müssen zurück, Schritt für Schritt; denn während bei uns die einen bauen, schleudern andere Handgranaten, die mit furchtbarem Getöse explodieren und Schrecken und Verwüstung verbreiten.“
Die Beute des I. Bataillons ist groß. Allein vier Offiziere, ein Arzt und ca. fünfzig unverletzte Alpenjäger werden an Gefangenen gezählt. Eine große Anzahl tote und schwerverwundete Franzosen bedecken den Kampfplatz. Zwei Maschinengewehre mit viel Munition, Hunderte von Handgranaten, zwei Fernsprechapparate (aus dem Blockhaus) und wertvolles Feldbefestigungsmaterial ist in unsere Hände gefallen. Die eigenen Verluste betragen 1 Offizier, 7 Unteroffiziere, 28 Mann tot; 1 Offizier, 18 Unteroffiziere, 103 Mann verwundet.
Die Sturmkolonne des II. Bataillons war von gleichem Angriffsgeist beseelt. Als erster verlässt Hauptmann Bowien um 6.10 Uhr den Graben und geht mit seiner Abteilung mit großem Schnei vor. Da schlägt ein Volltreffer in die 7. Kompanie. Das Hurra erstirbt auf den Lippen. Elf Mann tot! Schon scheint die Sturmkolonne an dieser Stelle zu schwanken, da springt Hauptmann Bowien vor und reißt seine Leute mit sich vorwärts. Gewehr- und Handgranatenfeuer prasselt ihnen entgegen. Durch einen Brustschuss schwer getroffen sinkt Hauptmann Bowien zu Boden.
Für seine Leute gibt es jetzt kein Halten mehr. Wütend arbeiten sie sich der Kuppe zu. Der Sturm gelingt der 7. und 8. Kompanie bis über die feindliche Stellung hinaus. Vierzig Franzosen werden zu Gefangenen gemacht. Die Beute beträgt: 1 Maschinengewehr, 300 Gewehre und einige hundert Handgranaten. Erst als die Meldung von dem sicheren Besitz der feindlichen Stellung zu ihm gelangt, lässt sich Hauptmann Bowien mit einem letzten Hoch auf seine 7. Kompanie nunmehr völlig entkräftet zurücktragen. Tags darauf erliegt er in Kolmar seinen Wunden. Mit ihm fielen Leutnant Schleip durch Herzschuss und 16 tapfere Leute. Verwundet wurden Leutnant Sahlmann, Offizierstellvertreter Sommerlatte und 106 Mann.
Allmählich wird das Gefechtsfeld übersichtlich. Der Lingekopf ist unser. Die rechte Sturmkolonne hat zwei Gräben genommen und beherrscht jetzt den jenseitigen Berghang. Auch die mittlere Kolonne hat ihr Ziel erreicht bis auf ein Grabenstück von etwa 100 Meter Breite, das die Franzosen noch zäh verteidigen.
Nur dem linken Flügel war trotz rücksichtslosen Draufgehens kein Erfolg beschieden. Sein Angriffsziel war das sogenannte Franzosennest, das zwischen Lingekopf und Schratzmännle liegt. Eine Befestigungsanlage, die durch Blockhäuser und Sappen stark gesichert ist.
Schon bei der Artillerievorbereitung gehen mehrere Volltreffer schweren Kalibers in die eigenen Gräben, wie überhaupt der ganze linke Flügel am schwersten unter den verhängnisvollen Kurzschüssen zu leiden hat. Heillose Verwirrung entstehnt. Man rennt bald hier, bald dorthin, um sich vor den eigenen Granaten zu schützen. Aber nirgends ist man sicher. Hier steht eine Gruppe der 10. Kompanie angstvoll zusammengepresst. Da…ein einziger Aufschrei! Ein gutes Dutzend blutender Leiber windet sich im schwefeldampfenden Erdreich. Sechs Mann allein tot, darunter der schneidige Unteroffizier Mürrle. Die übrigen schwer verwundet. Verzweifelte Rufe der Nächststehenden. Schon schlägt dicht dabei eine neue Granate ein. Wohin? Wohin? Wut, Angst, Entsetzen spricht aus den Gesichtern.
Kein Wunder, dass die Verbände auseinanderreißen. Die Übersicht geht verloren. An eine Bildung von Sturmgruppen ist jetzt nicht mehr zu denken. Denn die Zeit des Sturmbeginns rückt immer näher. Schnelles Handeln ist nötig, um den Anschluss an den vorgehenden Nachbarn nicht zu verlieren.
Hauptmann Settmaier setzt daher die 12. Kompanie unter seiner Führung frontal ein, während die 11. Kompanie von links flankierend eingreifen soll. Kaum aber haben die ersten Gruppen den Graben verlassen, als ihnen ein wahres Höllenfeuer entgegenschlägt.
Mit dem Degen in der Hand springt Vizefeldwebel Klug von der 11. Kompanie seinem Zuge weit voraus. Als er sich nach einer Atempause zum letzten Vorstoß gegen das Franzosennest anschickt und zum Sprung aufrichtet, sinkt er in die Stirn getroffen lautlos zu Boden. Mächtig setzt sich der Feind zur Wehr. Ungeschwächt empfängt er die Unsrigen mit einer Anzahl von Handgranaten. Bis auf 20 und 30 Meter gelangen die Vorwärtsstürmenden an das Franzosennest heran. Die Verluste mehren sich bedenklich. Besonders fegt französisches Maschinengewehr-Feuer vom Schratzmännle her in die Reihen der Angreifer, die jetzt dicht vor ihrem Ziel liegen.
Es macht den letzten entscheidenden Stoß unmöglich. Ein Verbleiben in dieser Lage ist zwecklos. Nur der Ersatz-Reservist Starke von der 12. Kompanie bleibt in opferbereiter Soldatentreue 15 Meter vor dem feindlichen Drahtverhau bei einem Schwerverwundeten in einem Granatloch liegen, schneidet seinen Mantel in Streifen und bindet seinem verblutenden Kameraden das Bein ab. Später bringt er den so geretteten wohlbehalten in den deutschen Graben zurück.
An anderer Stelle stürmen unsere braven Leute noch weiter und gelangen bis in die feindlichen Gräben. Sie haben mörderische Verluste. Während rechts beim I. und II. Bataillon die Höhenstellung des Feindes gänzlich von Artillerie und Minen zertrümmert waren, ist hier am linken Flügel das stark ausgebaute Franzosennest noch vollständig intakt. Unsere Artillerie hat unter den Kompanien des III. Bataillons fast noch stärker aufgeräumt als oben in dem Felsennest beim Franzmann. Von allen Seiten tacken Gewehre und Maschinengewehre hinter unbeschädigten Grabenwehren und speien ihre todbringenden Geschosse über unsere hinter Felsstücken geduckten Köpfe. Trotzdem kommen einzelne Gruppen Schritt für Schritt, Sprung für Sprung näher heran. Sie wollen doch hinter den Kameraden von rechts nicht zurückstehen. Ein maßloser Ehrgeiz beseelt sie, es den anderen gleich zu tun. Sie wissen nur nicht, dass sie unter bedeutend schwereren Verhältnissen kämpfen.
Jetzt gelingt es dem Reservisten Spör von der 10. Kompanie zusammen mit 2 Kameraden in den feindlichen Graben zu springen. Da steht in nächster Nähe ein feuerndes Maschinengewehr. Wie die Löwen stürzen sie auf die Besatzung, entreißen ihr die furchtbare Waffe. Mit ihnen sind noch andere durch den Kugelregen nach oben gekommen. Schnell versuchen sie sich einzurichten. Aber es ist unmöglich. Sie erhalten vom nahen Schratzmännle aus, der einige Meter höher liegt, ein derartig heftiges Flankenfeuer, dass sie sich nicht halten können. Ganz wenigen nur glückt es, unseren Graben wieder zu erreichen. Darunter auch der Reservist Spör, der allein seine kostbare Beute, das französische Maschinengewehr zurückschleppt.
Wenn der Sturmkolonne Settmaier auch kein greifbarer Erfolg beschieden ist: sie hat sich unter den ungünstigsten Bedingungen heldenhaft geschlagen. Ihre Leistungen sind vollkommen ebenbürtig. Trotz schwerer Verluste versucht sie noch am gleichen Tage, 8.30 Uhr abends mit Unterstützung der 5. Kompanie des bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments 2 einen neuen Sturm auf das Franzosennest. Aber auch dieser scheitert an der Wachsamkeit und zähen Gegenwehr der Alpenjäger. Ohne Zerstörung der feindlichen Blockhäuser muss jedes Anrennen gegen diese kleine Bergfestung zerschellen.
Inzwischen ist auch schon die Nacht hereingebrochen. Das Getöse in den Bergen verhallt. Nur ab und zu platzten dumpf ein paar Handgranaten. Vereinzelte Gewehrschüsse durchschneiden scharf die nächtliche Stille. So bleibt es bis zum frühen Morgen.
Unterdessen wird fieberhaft daran gearbeitet, die eroberten Gräben zur Verteidigung herzurichten und zu verstärken. Sandsäcke werden gefüllt und aufgetürmt, Handgranaten, Stacheldraht, Schutzschilder, Munition nach oben geschleppt. Denn wir rechnen damit, dass der Franzmann alles versuchen wird, die beherrschende Höhe zurückzugewinnen.
Wieder andere gehen einer Beschäftigung nach, die viel trauriger stimmt. In langen Zügen sieht man die Sanitäter talwärts ziehen. Auf Bahren und in Zeltbahnen schleppen sie mühsam die Schwerverwundeten und toten Kameraden den Berg hinab. Unsere Regimentsmusiker helfen dabei tapfer mit, wie sie uns auch Essen und Munition auf die Höhe heraufgebracht haben.
Was sind das hier für Unterstände? Matter Kerzenschimmer dringt heraus. Es ist ein fortwährendes Kommen und Gehen. Die schwankenden Lasten der Krankenträger verschwinden in den schmalen Eingängen. Leer kommen die Leute mit der Roten Kreuzbinde wieder zurück, oder aber sie stützen einen Kameraden, dessen weißer Verband gespenstisch durch die Dunkelheit leuchtet.
Das sind die Verbandstellen des Regiments. In ihnen sehen wir unsere Ärzte Dr. Willms, Dr. Eichwald, Dr. Grenacher und Dr. Cordua mit aufgekrempelten Hemdärmeln und blutigen Kitteln hantieren. Sie leisten die erste Hilfe, geben Tetanusspritzen, verbinden, lindern, sprechen gut zu. Unaufhörlich kommen sie hereingetragen oder herangehumpelt; jeder verlässt erleichtert, gestärkt und aufgemunutert den von frischem Blut geschwängerten Raum. Der Abtransport ist gut organisiert. Sie brauchen nicht lange zu warten, die Verwundeten, dann geht ein neuer Schub nach rückwärts, Wagen nehmen sie auf und bringen sie in saubere Lazarette, wo ein weißes Bett, eine liebevolle Pflege ihrer wartet.“
Offiziell ist die Lage des Grabes von Kurt Stephan unbekannt. Es könnte sein, dass er anonym in einem Massengrab auf dem Soldatenfriedhof Hohrod beigesetzt wurde, wo man auch seine Regimentskameraden begrub, die im gleichen Zeitraum fielen, u. a. Josef Eschenbüscher.
In Stellung am Reichsackerkopf – Von rechts nach links: Oberleutnant Engel, Leutnant Haase, Fähnrich Butt, Offiziersstellvertreter Eschenbüscher, Landsturmmann Stephan, Gefreiter Riese
Der Soldat Josef Eschenbüscher wurde am 11.12.1886 Schloß Neuhaus geboren, einem Stadtteil von Paderborn im heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Offizierstellvertreter in der 9. Kompanie des 74. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 04.08.1915 fiel er im Alter von 28 Jahren in den Vogesen am Lingekopf nördlich der Stadt Münster (französisch: Munster, elsässisch: Menschter).
Über den Todestag und die Todesumstände von Josef Eschenbüscher berichtet die Regimentsgeschichte des 74. Reserve-Infanterie-Regiments:
„Erstürmung des Lingekopfes
4. August 1915
Der größte Teil des ganzen Abschnitts, den wir jetzt besetzt halten, ist nur eine Notstellung. Ursprünglich waren die deutschen Gräben oben auf dem Kamm des Lingekopfes. Aber der Franzmann hat sie im Juli unseren Truppen weggenommen, ja er war teilweise noch darüber hinaus vorgedrungen. Ein späterer Gegenangriff hatte ihn aber wieder bis auf den Gipfel zurückgeworfen.
Hier liegt es nun in naher Entfernung über uns – wörtlich zu nehmen! Denn der Berg hat etwa 30 Grad Steigung! Das ist natürlich auf Dauer ein unhaltbarer Zustand. Er muss beseitigt werden, koste es was es wolle. Division, Brigade und Regiment haben schon fieberhaft vorgearbeitet. Bis ins einzelne ist alles erwogen. Heute soll der Lingekopf zurück in deutschen Besitz!
3. August spätabends Fernspruch. Die Bataillonskommandeure und einige andere Offiziere werden zum Regimentsgefechtsstand gerufen. Oberstleutnant von Bieberstein erteilt mit knappen, klaren Worten den Befehl: „Morgen abend um 6 Uhr greift das Regiment, in drei Sturmkolonnen geteilt, die Stellung des Gegners an und nimmt die alten deutschen Gräben. Die linke Sturmkolonne führt Hauptmann Settmaier, die mittlere Hauptmann Bowien, die rechte Leutnant Heweker“. Übersichtliche Skizzen werden ausgeteilt. Noch eine kurze Besprechung, Erklärung der Unterstützung durch Artillerie und Minenwerfer. Dann: „Hat einer der Herren noch eine Frage?“ Nein? Auf Wiedersehen!“ – Auf Wiedersehen!“ Jeder strebt seiner Behausung zu, den Kopf voll von Gedanken, wie man wohl dem Franzmann am besten beikommt.
Zögernd dämmert der Morgen des 4. August herauf. Die Kompanieführer rufen ihre Zugführer zu sich in den Unterstand, machen sie mit dem Befehl und den Einzelheiten des Sturmes bekannt.
Als Angriffstruppen sollen am rechten Flügel die 3. und 4., in der Mitte die 7. und 8. und links die 11. und 12. Kompanie in vorderer Linie verwendet werden.
Stellung am Lingekopf am 5. August 1915 nach dem Sturm
Jeder Sturmkolonne werden ⅔ Zug Pioniere, ein Fernsprechtrupp und eine Artilleriebeobachter mit Kabel zugeteilt. Außerdem erhalten die beiden Abteilungen auf dem rechten und linken Flügel je ein schweres Maschinengewehr.
Die Zeiteinteilung für den Sturm ist folgende:
10 Uhr – 12.45 Uhr Einschießen der Artillerie
12.50 Uhr – 1 Uhr Pause
1 Uhr – 3.30 Uhr Artilleriefeuer mittlerer Stärke
3.30 Uhr – 3.40 Uhr Artillerie-Feuerpause, Maschinengeweher-Feuer von den benachbarten Bergen Eichenrain und Schratzmännle
3.40 Uhr – 4.20 Uhr Artilleriefeuer
4.20 Uhr – 4.30 Uhr völlige Pause
4.30 Uhr – 5.10 Uhr Artilleriefeuer
5.10 Uhr – 5.20 Uhr Artillerie-Feuerpause, Maschinengewehr-Feuer vom Eichenrain und Schratzmännle
5.20 Uhr – 6 Uhr höchste Steigerung des Artilleriefeuers
6 Uhr Infanteriesturm und Vorverlegen des Artilleriefeuers
Der Ernst und die Schwere der Aufgabe, die zu lösen ist, steht jedem auf dem Gesicht geschrieben. Die Kuppe des Lingekopfes hat ja nach dem ersten Verlust schon mehrfach den Besitzer gewechselt. Wiederholt sind deutsche Truppen gegen diese starke Begbefestigung todesmutig angerannt, immer wieder ist sie in die Hand der Feinde zurückgefallen. Nun sollen Niedersachsen sich endgültig in den Besitz des Berges setzen.
Aber bei Einsicht in die sorgsame Vorbereitung dieses Angriffs muss einem das Herz leicht werden. und so ist es auch. Keiner zweifelt mehr an dem Erfolg des Unternehmens. Auch unsere Leute nehmen den Befehl ruhig und gefasst auf. Den Ernst der Lage erkennt jeder, jeder weiß auch, dass es Opfer kosten wird. Aber nirgends eine Spur von Niedergeschlagenheit!. Nur eines behagt der am rechten Flügel liegenden 3. Kompanie niecht: In dem Angriffsplan ist nicht erwähnt, ob das vor ihrer Stellung liegende französische Blockhaus gestürmt werden soll. Es heißt nur, dass die 3. Kompanie die Flankensicherung übernehmen und der 4. Kompanie folgen soll. Leutnant Presler eilt rasch zum Bataillon und erhält die Erlaubnis für die Erstürmung des Blockhauses. Leutnant Conrad soll dabei mit einem Maschinengewehr helfen. Nach dieser wertvollen Ergänzung des Angriffsplanes ist alles klipp und klar. In unserem Tatendrang ist uns der Besitz des Berges schon so gut wie sicher.
Auch außerhalb der Sturmkolonnen wird Klarheit geschaffen. Handgranatentrupps werden ausgesondert, den Zügen in 1., 2. und 3. Linie ihre Stellung angewiesen. Die Reservekompanien erhalten die nötigen Befehle. Munition und Handgranaten werden ergänzt. Kurz, es wird alles bis ins kleinste vorbereitet.
Um 9 Uhr morgens werden unsere vordersten Gräben unauffällig geräumt. Nur einige Beobachtungsposten bleiben vorne. Genügend Freiwillige haben sich zu diesem gefährlichen Dienst gemeldet.
Plötzlich ein donnerartiges Krachen. Der Berg erzittert. Unsere schweren Minenwerfer haben ihre Arbeit begonnen. Schuss auf Schuss folgt jetzt. Gespannt blicken wir hinauf auf die Höhe. Schlägt so ein Brocken ungefähr richtig ein, dann halten wir nicht mit unserem Beifall zurück. Es rührt sich in uns ein Gefühl der Vergeltungsfreude. Wurscht wider Wurscht. Damals vom Altmattkopf her haben uns die Franzmänner das Leben mit ihren Minen sauer gemacht. Heute sollen sie selber einmal spüren, wie wohl das tut.
Nach einer Stunde, um 10 Uhr, kommt ein neuer Ton in das Konzert. Heulend saust die erste Granate über unsere Köpfe weg in die feindliche Stellung. Die Artillerie schießt sich ein. Eine Batterie nach der andern beginnt das Feuer. Vom kleinkalibrigen Gebirgsgeschütz bis zum 21-cm-Mörser. Auch ein Artilleriebeobachter hat sich vorne bei uns eingefunden. Er sucht Anschluss an seine Zentrale, aber es gelingt ihm nicht.
Dafür steigert sich der Ehrgeiz unserer Artillerie, feindliche Stellung kurz und klein zu hauen. Schon fliegen die Balken und Felsdeckungen eines französischen Unterstandes hoch durch die Luft. Im nächsten Augenblick sitzt auch schon ein 21er in unserem Graben. Fernsprecher her! Aber die Verbindung zur Artillerie klappt immer noch nicht. Also Meldegänger los! Sie hasten den Berg hinab. Einige Posten kommen von vorn zurück: der eigene Graben liegt unter Feuer. Wieder wird an der Artilleriestrippe gebastelt. Vergebens! Kein Schwanz meldet sich.
Inzwischen hauen die Granaten immer kürzer ein. Ein Pioniertrupp, der an der Riegelstellung arbeitet, verliert durch ein Schrapnell 7 Mann. Auch in unsern Reihen fällt hier und dort einer aus. Die Sturmkolonnen müssen weiter zurückgenommen werden. Noch kürzer schlagen die Geschosse ein. Noch mehr zurück die Sturmmannschaften! Bange taucht die Frage auf, ob wir bei der Steilheit des Berges überhaupt frühzeitig genug oben sein können, bevor der Franzmann wieder in seinen Gräben ist.
Endlich ist die Verbindung mit der Artillerie hergestellt. Unsere Meldung über das Zukurzschießen wird aber nicht geglaubt. Die „eigene feindliche Artillerie“, wie sie schnell getauft wird, schießt weiter. Sie räumt zwar gut in der französischen Stellung auf, leistet sich aber immer noch Kurzschüsse, die uns immer neue Verluste zufügen. Bis zum Abend 200 Mann!
Sichtbar belebt wird die Stimmung, als um 1 Uhr mittags das Wirkungsschießen beginnt. Ein Hagel von Geschossen aller Kaliber, vom dumpfen Krachen schwerer Minen unterbrochen, zerschlägt die feindlichen Gräben. Beunruhigt tacken die französischen Maschinengewehre. Die Höhenstellung verschwindet im Rauch und Pulverqualm. Aber immer noch schlägt das unruhige Gewehrgeknatter an unser Ohr. Noch ist der Franzmann nicht mürbe!
Eine wohltuende Abwechslung in das betäubende Krachen der Granaten und Minen bringen mehrere Feuerpausen von 10 Minuten. Dann setzen unsere Maschinengewehre hinter uns ein und fegen mit ihren Garben über unsere Köpfe hinweg. Deutlich hören wir jetzt die angstvollen Schreie der verwundeten Franzosen über uns. Unser Wirkungsschießen muss ja auch fürchterlich da oben gewütet haben.
Aber auch diese Feuerpausen haben für die Franzmänner schreckliche Folgen, wie die mit Leichen angefüllten Gräben später zeigen. Mit dem auf die Minute festgesetzten Abbrechen unseres Artilleriefeuers glauben nämlich die Franzosen, dass nun unser Angriff beginnt. Sie stürzen aus ihrer Reservestellung nach vorne und stehen schussbereit da. Gespannt warten sie auf die ersten Ziele, die sich zeigen – warten und warten – da haut auch schon wieder nach der Feuerpause die erste schwere Granat mitten unter sie und vernichtet alles.
Von 5.15 Uhr ab erhöht sich die Feuergeschwindigkeit unserer Artillerie. Ein Orkan von Eisen und Stahl fegt durch die Luft. Baumstämme stürzen mit dumpfen Aufschlag, Felsen bersten krachend und überschütten uns mit einem Steinhagel.
Aber je toller es zugeht, desto mehr steigert sich unsere Angriffslust. Der Zeitpunkt für das Hervorbrechen kann kaum abgewartet werden. Bajonette blitzen schon über den Gewehrmündungen, im Sturmgepäck steht Mann an Mann an den Ausfallstufen.
Schlag 6 Uhr springen die Zugführer aus den Gräben, gefolgt von ihren tapferen Mannschaften. Jetzt alles heran an den Feind, auch die Reserven. Handgranatentrupps vor! Kein Gewehrschuss darf fallen, bevor wir nicht oben sind. In keuchender Eile geht es den Berg hinauf. Schon im eigenen Drahtverhau ganz am rechten Flügel fällt als erster des Sturmes Leutnant Kruse von der 3. Kompanie. Eine wohlgezielte Infanteriekugel hat ihn zu Tode getroffen. Handgranaten- und Maschinengewehr-Feuer aus dem Blockhaus empfängt die Stürmenden.
Über alles kann den ungestümen Schwung von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften nicht mehr schwächen. Schon künden die ersten Detonationen von Handgranaten, dass die Kuppe erreicht ist. Am rechten Flügel stürmen mit hocherhobenem Stock und die Pistole in der linken Leutnant Presler und Zizefeldwebel Krüger ihren Kameraden voraus. Bald sind sie am Blockhaus. Leutnant Presler steht eben aufrecht davor. Da läuft ein Alpenjäger mit dem Bajonett auf ihn los. Er wehrt den Angreifer mit dem Stock ab. Jetzt sind auch schon die ersten von der Gruppe da. „Packt ihn!“ Sie stürzen sich auf den Alpenjäger. Der wirft aber das Gewehr fort. In wütendem Nahkampf werden die Reste der Besatzung den Berg hinabgeworfen. Wer sich von den Alpenjägern noch wehrt, wird niedergemacht oder gefangengenommen.
Unweit davon stürmt mit seltenem Schneid ein anderer Trupp in die feindliche Stellung. Leutnant Warnecke ist es von der 4. Kompanie an der Spitze seines aus lauter Freiwilligen bestehenden Handgranatentrupps. Mit lautem Hurra werden die Gräben genommen.
Unteroffizier Götze (1. Kompanie) ist einer der ersten und geht der Besatzung mit bekannter Furchtlosigkeit zu Leibe. Vier Offiziere und über 20 Mann werden zu Gefangenen gemacht.
Unteroffizier Schnelle steht ihm als Führer eines weiteren Freiwilligentrupps an heroischer Tapferkeit nichts nach. Als er den zweiten feindlichen Graben noch besetzt findet, geht er mit blanker Waffe vor, springt als erster mitten unter die verdutzten Franzosen und räumt nun mit Hilfe seiner braven Leute gründlich auf. Da stürmt ihm mit aufgepflanztem Bajonett Verstärkung entgegen. Kaltblütig lässt er sie herankommen und erledigt sie im Nahkampf. Schnelle hält mit wenigen Leuten seinen Graben gegen vielfache Übermacht. Dabei findet der heldenhafte Gefreite Bakemeyer den Tod durch Handgranate.
Soweit das Auge reicht, rechts und links, überall ist der Nahkampf entbrannt. Wir wissen kaum, wie wir hinaufgekommen sind, aber wir sind oben. Schrapnells krepieren über, Handgranaten neben uns. Wir stehen im erstickenden Pulverdampf. Gesichter tauchen auf aus dem Dunst. Hier auf einem Felsblock der Kompanieführer der 3., Leutnant Heweker. Mit bombiger Ruhe leitet er durch Zeichen den Sturm. Im nächsten Augenblick hüllt ihn wieder eine Dampfwolke ein. und wie die Leute kämpfen! Jeder einzelne! Ein Bild für einen Schlachtenmaler!
Fast überall wehrt sich der Franzmann tapfer. Wenn man bedenkt, dass er viele Stunden im zermürbenden Wirkungsfeuer gestanden hat, so können wir heute seiner Zähigkeit und seinem Mut nur Achtung zollen. Mitten im Kampf versucht er seine Maschinengewehre in Tätigkeit zu setzen. Aber umsonst. Er wird von unseren wütenden Leuten einfach überrannt. Das Gewehr spielt jetzt keine Rolle mehr. Sie gehen ihm mit Handgranaten zu Leibe. Als der Vorrat zu Ende geht, nehmen sie Felsstücke. Dicke Steine fliegen in hohem Bogen hinter den Flüchtenden her. Derbe, für den Franzmann wenig schmeichelhafte Kraftworte begleiten sie.
Da! Ein Lager französische Handgranaten. Irgendeiner hat es entdeckt. Ein Alpenjäger wird geschnappt, der muss schnell Unterricht erteilen. In der nächsten Minute schon sausen die kleinen Dinger den Berg hinunter, mitten unter die feindlichen Wellen, die im Gegenstoß nach oben drängen. Gerade noch rechtzeitig kommt von rückwärts ein neuer Vorrat an Handgranaten. Wum … Wum … Wum … Krachend bersten sie und reißen blutige Lücken. Der Angreifer gibt für diesmal auf. Hinter Feldblöcken Schutz suchend springt er wieder zurück.
Derweilen wird aus dem Blockhaus schon das erste Maschinengewehr als Beute herausgetragen. In heller Begeisterung springt der junge Vizefeldwebel Krüger, ungeachtet der feindlichen Geschosse, oben auf einen freisthenden Felsblock, schwenkt die Mütze und stimmt das Lied „Deutschland, Deutschland über alles“ an. Wie ein Sturmgesang braust es durch die Reihen der Lingekopferoberer „über alles, über alles in der Welt!“
Leutnant Conrad hat inzwischen sein Maschinengewehr unter unsäglichen Schwierigkeiten und Gefahren an einer vorspringenden Bergnase in Stellung gebracht und feuert mit eiserner Ruhe in die abziehenden Reihen der Alpenjäger. Sein Ziel ist lohnend, denn schon setzen ganze Trupps von Franzosen dicht unter ihm zum Gegenstoß an. Er schießt sie alle, ehe sie sich richtig entwickeln können, mit staunenswerter Sicherheit zusammen. Ein Bild eigener Größe, wie er seinen tapferen Leuten, den Kugeln preisgebend, auf einem freien, erhöhten Fels liegt und ins Tal hinunterfeuert.
Doch plötzlich verstummt sein Gewehr. Von einem Querschläger in die Schulter getroffen, sinkt der tapfere Offizier blutüberströmt hinter seiner Waffe zusammen. Während er verbunden wird, hat schon ein anderer das Gewehr ergriffen und feuert in den Berg heraufkommender Reihen. Zu Tode getroffen sinkt auch dieser Brave in die Kniee. Ein dritter wagt es, die Handgriffe zu nehmen und auf den Abzugshebel zu drücken. Nur wenige Kugeln sind heraus, da schweigt sein tack-Tack wie abgerissen. Eine Kugel in den Bauch hat den Tapferen hingerafft. Sekunden nur, da liegt der vierte ohne Zaudern an den Griffen und mäht den Hang hinunter, bis auch dieser nach wenigen Augenblicken verwundet heruntergetragen wird.
Das Mschinengewehr muss aus allernächster Nähe Flankenfeuer bekommen. Das ist den wenigen Überlebenden klar. Und wirklich! Als einige Leute sich kriechend an den Bergvorsprung der rechten Flanke heranpirschen, gewahren sie nur 15 Meter unter sich hinter einem Felsen einen einzelnen Alpenjäger, wie er in aller Gemütsruhe sein Gewehr lädt und gerade anlegen will. Im Nu kracht ein Hagel von Handgranaten zu ihm hinunter und macht ihn unschädlich. Ganz allein hatte sich dieser verwegene Bursche dort gehalten und unsere gesamte Maschinengewehr-Besatzung auf kurze Entfernung abgeknallt.
Gott sei Dank ist diese Gefahr nun endgültig beseitigt. Die vordere Linie links vom blockhaus ist unter Führung des Unteroffizier Bünnemeyer eifrig dabei, Sandsäcke zu füllen und die eingenommene Stellung zu beseitigen. Reserven schieben sich ein und füllen die Lücke. Es ist aber auch höchste Zeit! Denn ganze Gruppen von Alpenjägern drängen hinter Felsblöcken und Baumstümpfen aufwärts. Sie wollen mit aller Gewalt wieder die Kuppe haben. Aber Handgranate auf Handgranate fliegen ihnen vor die Füße, so dass keiner von ihnen an die von Bünnemeyer verteidigte Linie herankommt. Fest ist sie in der Hand der Unsrigen.
Unvergessen bleibt die tatkräftige Unterstützung der 9. Kompanie, die am 4. August zusammen mit dem I. Bataillon eingesetzt wurde. Auch sie hat großen Anteil an den erfolgen der Sturmabteilung Heweker. Im Verbande dieser Abteilung dringen Teile der 9. Kompanie unter Führung des bei diesem Sturm gefallenen Offizierstellvertreter Eschenbüscher bis über den zweiten feindlichen Graben vor.Der Gefreite Recksieck bemächtigt sich eines französischen Maschinengewehrs und macht erst vor dem dritten feindlichen Graben halt.
Was nun geschieht, schildert uns Kamerad Schwarting in lebendigen Worten:
„Auf der granatenzerstampften Kuppe liegen die Sieger in fieberhafter Tätigkeit. Sandsäcke werden in ununterbrochener Kette von unten heraufgelangt und am Rande der Kuppe aufgebaut. Auf dem Leibe kriechend, schiebt jeder die Verteidigungslinie so weit hinaus, wie es eben geht. Zerschossene Baumstämme werden zur Befestigung zwischen die Sandsäcke gelegt. Dann werden die Stahlschilde mit den Schießscharten eingebaut. Von Minute zu Minute wird der Verteidigungsdamm höher und fester. Schon kann der Mann in seinem Schutze dahinter knien, bald steht er aufrecht und späht durch die Scharten den Hang hinunter, wo hinter Felsen noch Feinde kauern und Schuss auf Schuss gegen die entstehende Brustwehr senden. Aber sie müssen zurück, Schritt für Schritt; denn während bei uns die einen bauen, schleudern andere Handgranaten, die mit furchtbarem Getöse explodieren und Schrecken und Verwüstung verbreiten.“
Die Beute des I. Bataillons ist groß. Allein vier Offiziere, ein Arzt und ca. fünfzig unverletzte Alpenjäger werden an Gefangenen gezählt. Eine große Anzahl tote und schwerverwundete Franzosen bedecken den Kampfplatz. Zwei Maschinengewehre mit viel Munition, Hunderte von Handgranaten, zwei Fernsprechapparate (aus dem Blockhaus) und wertvolles Feldbefestigungsmaterial ist in unsere Hände gefallen. Die eigenen Verluste betragen 1 Offizier, 7 Unteroffiziere, 28 Mann tot; 1 Offizier, 18 Unteroffiziere, 103 Mann verwundet.
Die Sturmkolonne des II. Bataillons war von gleichem Angriffsgeist beseelt. Als erster verlässt Hauptmann Bowien um 6.10 Uhr den Graben und geht mit seiner Abteilung mit großem Schnei vor. Da schlägt ein Volltreffer in die 7. Kompanie. Das Hurra erstirbt auf den Lippen. Elf Mann tot! Schon scheint die Sturmkolonne an dieser Stelle zu schwanken, da springt Hauptmann Bowien vor und reißt seine Leute mit sich vorwärts. Gewehr- und Handgranatenfeuer prasselt ihnen entgegen. Durch einen Brustschuss schwer getroffen sinkt Hauptmann Bowien zu Boden.
Für seine Leute gibt es jetzt kein Halten mehr. Wütend arbeiten sie sich der Kuppe zu. Der Sturm gelingt der 7. und 8. Kompanie bis über die feindliche Stellung hinaus. Vierzig Franzosen werden zu Gefangenen gemacht. Die Beute beträgt: 1 Maschinengewehr, 300 Gewehre und einige hundert Handgranaten. Erst als die Meldung von dem sicheren Besitz der feindlichen Stellung zu ihm gelangt, lässt sich Hauptmann Bowien mit einem letzten Hoch auf seine 7. Kompanie nunmehr völlig entkräftet zurücktragen. Tags darauf erliegt er in Kolmar seinen Wunden. Mit ihm fielen Leutnant Schleip durch Herzschuss und 16 tapfere Leute. Verwundet wurden Leutnant Sahlmann, Offizierstellvertreter Sommerlatte und 106 Mann.
Allmählich wird das Gefechtsfeld übersichtlich. Der Lingekopf ist unser. Die rechte Sturmkolonne hat zwei Gräben genommen und beherrscht jetzt den jenseitigen Berghang. Auch die mittlere Kolonne hat ihr Ziel erreicht bis auf ein Grabenstück von etwa 100 Meter Breite, das die Franzosen noch zäh verteidigen.
Nur dem linken Flügel war trotz rücksichtslosen Draufgehens kein Erfolg beschieden. Sein Angriffsziel war das sogenannte Franzosennest, das zwischen Lingekopf und Schratzmännle liegt. Eine Befestigungsanlage, die durch Blockhäuser und Sappen stark gesichert ist.
Schon bei der Artillerievorbereitung gehen mehrere Volltreffer schweren Kalibers in die eigenen Gräben, wie überhaupt der ganze linke Flügel am schwersten unter den verhängnisvollen Kurzschüssen zu leiden hat. Heillose Verwirrung entstehnt. Man rennt bald hier, bald dorthin, um sich vor den eigenen Granaten zu schützen. Aber nirgends ist man sicher. Hier steht eine Gruppe der 10. Kompanie angstvoll zusammengepresst. Da…ein einziger Aufschrei! Ein gutes Dutzend blutender Leiber windet sich im schwefeldampfenden Erdreich. Sechs Mann allein tot, darunter der schneidige Unteroffizier Mürrle. Die übrigen schwer verwundet. Verzweifelte Rufe der Nächststehenden. Schon schlägt dicht dabei eine neue Granate ein. Wohin? Wohin? Wut, Angst, Entsetzen spricht aus den Gesichtern.
Kein Wunder, dass die Verbände auseinanderreißen. Die Übersicht geht verloren. An eine Bildung von Sturmgruppen ist jetzt nicht mehr zu denken. Denn die Zeit des Sturmbeginns rückt immer näher. Schnelles Handeln ist nötig, um den Anschluss an den vorgehenden Nachbarn nicht zu verlieren.
Hauptmann Settmaier setzt daher die 12. Kompanie unter seiner Führung frontal ein, während die 11. Kompanie von links flankierend eingreifen soll. Kaum aber haben die ersten Gruppen den Graben verlassen, als ihnen ein wahres Höllenfeuer entgegenschlägt.
Mit dem Degen in der Hand springt Vizefeldwebel Klug von der 11. Kompanie seinem Zuge weit voraus. Als er sich nach einer Atempause zum letzten Vorstoß gegen das Franzosennest anschickt und zum Sprung aufrichtet, sinkt er in die Stirn getroffen lautlos zu Boden. Mächtig setzt sich der Feind zur Wehr. Ungeschwächt empfängt er die Unsrigen mit einer Anzahl von Handgranaten. Bis auf 20 und 30 Meter gelangen die Vorwärtsstürmenden an das Franzosennest heran. Die Verluste mehren sich bedenklich. Besonders fegt französisches Maschinengewehr-Feuer vom Schratzmännle her in die Reihen der Angreifer, die jetzt dicht vor ihrem Ziel liegen.
Es macht den letzten entscheidenden Stoß unmöglich. Ein Verbleiben in dieser Lage ist zwecklos. Nur der Ersatz-Reservist Starke von der 12. Kompanie bleibt in opferbereiter Soldatentreue 15 Meter vor dem feindlichen Drahtverhau bei einem Schwerverwundeten in einem Granatloch liegen, schneidet seinen Mantel in Streifen und bindet seinem verblutenden Kameraden das Bein ab. Später bringt er den so geretteten wohlbehalten in den deutschen Graben zurück.
An anderer Stelle stürmen unsere braven Leute noch weiter und gelangen bis in die feindlichen Gräben. Sie haben mörderische Verluste. Während rechts beim I. und II. Bataillon die Höhenstellung des Feindes gänzlich von Artillerie und Minen zertrümmert waren, ist hier am linken Flügel das stark ausgebaute Franzosennest noch vollständig intakt. Unsere Artillerie hat unter den Kompanien des III. Bataillons fast noch stärker aufgeräumt als oben in dem Felsennest beim Franzmann. Von allen Seiten tacken Gewehre und Maschinengewehre hinter unbeschädigten Grabenwehren und speien ihre todbringenden Geschosse über unsere hinter Felsstücken geduckten Köpfe. Trotzdem kommen einzelne Gruppen Schritt für Schritt, Sprung für Sprung näher heran. Sie wollen doch hinter den Kameraden von rechts nicht zurückstehen. Ein maßloser Ehrgeiz beseelt sie, es den anderen gleich zu tun. Sie wissen nur nicht, dass sie unter bedeutend schwereren Verhältnissen kämpfen.
Jetzt gelingt es dem Reservisten Spör von der 10. Kompanie zusammen mit 2 Kameraden in den feindlichen Graben zu springen. Da steht in nächster Nähe ein feuerndes Maschinengewehr. Wie die Löwen stürzen sie auf die Besatzung, entreißen ihr die furchtbare Waffe. Mit ihnen sind noch andere durch den Kugelregen nach oben gekommen. Schnell versuchen sie sich einzurichten. Aber es ist unmöglich. Sie erhalten vom nahen Schratzmännle aus, der einige Meter höher liegt, ein derartig heftiges Flankenfeuer, dass sie sich nicht halten können. Ganz wenigen nur glückt es, unseren Graben wieder zu erreichen. Darunter auch der Reservist Spör, der allein seine kostbare Beute, das französische Maschinengewehr zurückschleppt.
Wenn der Sturmkolonne Settmaier auch kein greifbarer Erfolg beschieden ist: sie hat sich unter den ungünstigsten Bedingungen heldenhaft geschlagen. Ihre Leistungen sind vollkommen ebenbürtig. Trotz schwerer Verluste versucht sie noch am gleichen Tage, 8.30 Uhr abends mit Unterstützung der 5. Kompanie des bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments 2 einen neuen Sturm auf das Franzosennest. Aber auch dieser scheitert an der Wachsamkeit und zähen Gegenwehr der Alpenjäger. Ohne Zerstörung der feindlichen Blockhäuser muss jedes Anrennen gegen diese kleine Bergfestung zerschellen.
Inzwischen ist auch schon die Nacht hereingebrochen. Das Getöse in den Bergen verhallt. Nur ab und zu platzten dumpf ein paar Handgranaten. Vereinzelte Gewehrschüsse durchschneiden scharf die nächtliche Stille. So bleibt es bis zum frühen Morgen.
Unterdessen wird fieberhaft daran gearbeitet, die eroberten Gräben zur Verteidigung herzurichten und zu verstärken. Sandsäcke werden gefüllt und aufgetürmt, Handgranaten, Stacheldraht, Schutzschilder, Munition nach oben geschleppt. Denn wir rechnen damit, dass der Franzmann alles versuchen wird, die beherrschende Höhe zurückzugewinnen.
Wieder andere gehen einer Beschäftigung nach, die viel trauriger stimmt. In langen Zügen sieht man die Sanitäter talwärts ziehen. Auf Bahren und in Zeltbahnen schleppen sie mühsam die Schwerverwundeten und toten Kameraden den Berg hinab. Unsere Regimentsmusiker helfen dabei tapfer mit, wie sie uns auch Essen und Munition auf die Höhe heraufgebracht haben.
Was sind das hier für Unterstände? Matter Kerzenschimmer dringt heraus. Es ist ein fortwährendes Kommen und Gehen. Die schwankenden Lasten der Krankenträger verschwinden in den schmalen Eingängen. Leer kommen die Leute mit der Roten Kreuzbinde wieder zurück, oder aber sie stützen einen Kameraden, dessen weißer Verband gespenstisch durch die Dunkelheit leuchtet.
Das sind die Verbandstellen des Regiments. In ihnen sehen wir unsere Ärzte Dr. Willms, Dr. Eichwald, Dr. Grenacher und Dr. Cordua mit aufgekrempelten Hemdärmeln und blutigen Kitteln hantieren. Sie leisten die erste Hilfe, geben Tetanusspritzen, verbinden, lindern, sprechen gut zu. Unaufhörlich kommen sie hereingetragen oder herangehumpelt; jeder verlässt erleichtert, gestärkt und aufgemunutert den von frischem Blut geschwängerten Raum. Der Abtransport ist gut organisiert. Sie brauchen nicht lange zu warten, die Verwundeten, dann geht ein neuer Schub nach rückwärts, Wagen nehmen sie auf und bringen sie in saubere Lazarette, wo ein weißes Bett, eine liebevolle Pflege ihrer wartet.“
Man begrub Josef Eschenbüscher auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in einem Massengrab.
In Stellung am Reichsackerkopf – Von rechts nach links: Oberleutnant Engel, Leutnant Haase, Fähnrich Butt, Offiziersstellvertreter Eschenbüscher, Landsturmmann Stephan, Gefreiter Riese
Der Soldat Johann Wolfgruber stammte aus der bayerischen Stadt Traunstein und war Schneidergehilfe. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Landwehrmann in der 3. Kompanie des 2. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments. Am 19.08.1914 fiel er während der Gefechte im Münstertal bei Weier im Tal (französisch: Wihr-au-Val) im Alter von 27 Jahren durch schwere Verwundung.
Über den Verwundungs- und Todeszeitraum von Johann Wolfgruber berichtet die Regimentsgeschichte des 2. bayerischen Infanterie-Regiments:
„Vom Feinde war bekannt, dass er Münster stark besetzt habe, dass Alpenjäger-Bataillione im Vormarsch aus dem Rheintal bei Gebweiler über Lautenbach nach Bönlesgrab (8 km südwestlich Sulzbach) gemeldet seien. Mit ihrem Auftreten bei Sulzbach im Münstertal in der linken Flanke und im Rücken der Kolonne Hüber war also zu rechnen.
Der Vormarsch dieser Kolonne wurde am 18.08. ohne Störung durch den Feind durchgeführt. Die Truppen bezogen Unterkunft zwischen Weier im Tal und Zimmerbach. Eine Reiter-Patouillie war zur Aufklärung in das Sulzbach-Tal entsandt worden.
Am 19.08. 6 Uhr morgens stellte sich Kolonne Hübner bereit:
Landwehr-Infanterie-Regiment 121 mitI. Bataillon auf Höhe nordwestlich Weier im Tal (Kapellenhöhe); III. Bataillon in Weier im Tal;
III./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 in der Mulde zwischen Weier im Tal und Walbach; 1 Batterie 9 cm auf der Kapellenhöhe mit Schussrichtung gegen Münster (diese Stellung bot nur Raum für eine Batterie); 1 Batterie 9 cm nordwestlich Walbach mit Schussrichtung gegen Sulzbach; 6./FußartillerieRegiment 13 – s. F. H. – dich östlich Weiler im Tal mit Schussrichtung gegen Münster; 1/2 II. Landwehr-Infanterie-Regiment 123 wurde der Kolonne Hübner zur Verfügung gestellt und über Türkheim herangezogen.
General Eichhorn traf etwa 8 Uhr vormittags in Weier im Tal ein und bestimmte die Zeit zum Vorgehen auf Münster auf 4 Uhr nachmittags. Darauf begab sich der Grigade-Kommandeur im Kraftwagen nach Giragoutte, um das Zusammenwirken mit der Kolonne Kehl zu regeln.
Um 10.15 Uhr vormittags rückten 4 feindliche Kompanien entfaltet von Münster gegen Günsbach vor. Oberstleutnant Hübner machte der Kolonne Kehl hiervon durch Kraftwagen Mitteilung und ersuchte um Mitwirkung. Der Feind wurde nordöstlich von Günsbach von unserem Artilleriefeuer gefasst, geriet in Unordnung und wurde am weiteren Vorgehen aufgehalten.
Um 10 Uhr vormittags kam der Befehl der Brigade, die im Münstertale gegenüberstehende 5. französische Division durch Angriff am Abrücken nach Norden zu hindern. Oberstleutnant Hübner gab hierauf den Befehl zum Angriff gegen Münster. Der Angriff sollte vom Landwehr-Infanterie-Regiment 121 auf den Höhen des nördlichen Talrandes vorgetragen werden, III./Landwehr-Infanterie 121 auf den Höhen des nördlichen Talrandes vorgetragen werden, III./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 zur Verfügung des Oberstleutnant Hübner an den Talhängen über Günsbach folgen unter Beobachtung gegen Sulzbach.
Der Angriff ging zügig vorwärts. Die feindliche Infanterie zog sich über Günsbach nach der Höhe nordwestlich dieses Ortes zurück, nahm hier Stellung und ging beim Herankommen unserer vordersten Schützen weiter gegen Münster zurück. Günsbach und Höhe nordwestlich davon wurden vom Landwehr-Infanterie-Regiment 121 genommen. Der linke Flügel des Regiments mit dem Maschinengewehr drang bis zur Hagmühle östlich Münster vor und stamd im Feuer auf 800 Meter mit dem Feinde am Ostrande von Münster.
Bald nach Mittag traf die Mitteilung der Brogade ein 2 Alpenjäger-Bataillone befänden sich im Marsche von Rufach im Rheintal über Ofenbach gegen Sulzbach. Gleichzeitig wurde der Kolonne Hübner noch das zweite Halbbataillon II./Landwehr-Infanterie-Regiment 123 zur Verfügung nachgeschickt. Oberstleutnant Hübner beauftragte III./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 wie bisher mit der Beobachtung gegen Sulzbach und lies das zuerst eintreffende Halbbataillon II./Landwehr-Infanterie-Regiment 123 dem rechten Flügel des Landwehr-Infanterie-Regiment 121 nördlich Weier im Tal folgen.
Nun traf noch die Mitteilung von der Brigade ein, feindliche Truppen gingen auch von Rufach im Rheintal gegen Colmar vor, dazu der Befehl, die Kolonne Hübner sollte 1. Bataillon über Winzenheim (4 Kilometer südwestlich Colmar) in Marsch setzen, das mit dem letzten Verfügungs-Bataillon der Brigade (II./Landwehr-Infanterie-Regiment 121) diesem Feinde entgegentreten sollte. Ohne auf die Durchführung des ersten Auftrags, Angriff gegen Münster, zu verzichten, hätte dieser Befehl nicht ausgeführt werden können. Oberstleutnant Hübner gab daher das Bataillon nicht ab. Die Kampflage, wie sie sich jetzt bei Weier im Tal gestaltete, ließ dies nicht zu.
Die offen aufgefahrene, mit rauchstarkem Pulver feuernde Batterie auf der Kapellenhöhe wurde von feindlicher Artillerie aus Stellung westlich Münster unter Feuer genommen. Gleichzeitig hörte man starkes Infanteriefeuer nördlich der Batterie. Ihre Dedeckungskompanie wurde von an Zahl weit überlegenen Alpenjägern angegriffen. Oberstleutnant Hübner setzte 1/2 II./Landwehr-Infanterie-Regiment 123 zum Gegenangriff ein. Dem rücksichtslosen Angriff dieser Kompanien im Verein mit Teilen vom I./121 gelang es, die Alpenjäger zurückzuwerfen. Unter den Toten des Feindes wurden die Nummern der Alpenjäger-Bataillione 30 und 33 festgestellt. Die 9-cm Batterie auf der Kapellenhöhe hatte sich aber durch diesen in ihrer nächsten Nähe stattfindenden Infanteriekampf veranlasst gesehen, ihre Stellung zu räumen und zwar unter Zurücklassung von zwei Geschützen, die später von Leutnant Meyer des Landwehr-Infanterie-Regiments 2 geborgen wurden. Die Zivilfuhrleute mit ihren Munitions-Leiterwagen waren gleich bei Beginn des Artilleriekampfes verschwunden.
Aus Richtung Kolonne Kehl glaubte man um Mittag Artilleriefeuer gehört zu haben. Von ihrer Einwirkung auf den Kampf bei Weier im Tal und Münster war aber nichts zu bemerken.
Da für den Angriff auf Münster die Unterstützung von Feldartillerie fehlte, mit der Kolonne Kehl anscheinend nicht zu rechnen war und daher die rechte Flanke der Kolonne Hübner von den Berghöhen her ungeschützt schien, sie sich außerdem in der linken Flanke und im Rücken von Sulzbach her bedroht fühlte, entschloss sich ihr Führer, den Angriff gegen Münster als aussichtslos aufzugeben und unter dem Eindruck des erfolgreichen Gegenstoßes des 1/2 II./123 in die alten Stellungen bei Ingersheim-Türkheim zurückzugehen. Die Brigade billigte diesen Entschluss.
Unter dem Schutze des auf Höhe nordöstlich Weier im Tal in Stellung gebrachten III./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 vollzog sich der Rückmarsch glatt und ohne dass der Feind nachgedrängt hätte. Gerade hatte die Nachhut-Kompanie Walbach (3 km östlich Sulzbach) 5 Uhr nachmittags verlassen, als die Meldung von der in das Sulzbach.Tal entsandten Reiter-Patrouille eintraf, dass um diese Zeit eine Alpenjäger-Kolonne mit einer Abteilung Gebirgsartillerie von Ofenbach her mit Anfang bei Sulzbach eingetroffen sei. Die Kolonne Hübner hatte sich gerade noch rechtzeitig einer sehr gefährlichen Flankenbedrohung enzogen.
Bei Ankunft in Türkheim erhielt Oberstleutnant Hübner Mitteilung von der Kolonne Kehl, dass diese um Mittag westlich Giragoutte in überraschendes Artillerie- und Infanteriefeuer gekommen und von Alpenjäger gezwungen worden sei, über Zell auf Ingersheim zurückzugehen.
Die Kolonne Kehl war mit I./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 seit 18.08. morgens bei Giragoutte gestanden. Ihre anderen Truppen (1/2 II./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 und 1 überplanmäßig 9 cm-Batterie) trafen im Laufe des 18, die Batterie erst am 19. vormittags ein.
Auf die Aufforderung des Oberstleutnant Hübner vom 19. vormittags, sogleich zur Unterstützung von dessen Kolonne auf Hohrodberg anzutreten, vollendete die Kolonne Kehl zunächst das begonnene Abkochen und wollte 12 Uhr mittags auf dem zwischen dem Kleinen und Großen Hohnack führenden Wege über Weirer Kreuz den Vormarsch ins Gebirge antreteb: 3. Kompanie – Hauptmann Diem – mit Infanterie-Spitze voraus; das Gros folgte auf 300 Meter. Die Infanterie-Spitze hatte gerade das unmittelbar westlich des Großen Hohnack befindliche Weirer Kreuz erreicht, hatte also erst einen Marsch von etwa 1 km zurückgelegt, als die Vortrupp-Kompanie von allen Seiten, insbesondere von den hochragenden Tannenbäumen, mit Infanterie- und Maschinengewehrfeuer überschütztet wurde. Die Kompanie entwickelte sofort. 1. Kompanie – Hauptmann Eibner – wurde in Marsch-Marsch zu ihrer Unterstützung eingesetzt, 2. Kompanie – Oberleutnant Fürst – erhielt Befehl, westlich (rechts) am Hang vorzugehen, 4. Kompanie – Hauptmann Hörhammer – sollte links den Berg ersteigen und den Feind umfassen. In dem bergigen, waldigen, unübersichtlichen Gelände war die Landwehr, sie seit der Mobilmachung noch keinen Augenblick Zeit zum Üben gefunden hatte, die Befehle ihrer Führer – ausnahmslos des Beurlaubtenstandes – nicht verstand, der Überraschung durch die berggewohnte Truppe der Alpenjäger nicht gewachsen. Die Marschkolonne war augenscheinlich in einen Hinterhalt geraten. Die Entwicklung hatte nicht nur durch Infanterie-, sondern auch durch Artilleriefeuer vom Breitenberg her sehr zu leiden. Es ist ein Zeichen des vortrefflichen Geistes, der den Wehrleuten, besonders aber auch ihren Führern, innewohnte und ihrer gediegenen Friedensausbildung, dass in dem von allen Seiten niederprasselnden Feuer, ohne dass ein Feind zu sehen und zu fassen war, ein geordneter Widerstand überhaupt zustande kam. Glänzende Leitsungen von Tapferkeit traten in Erscheinung. Hervorzuheben ist das tapfere Verhalten des Wehrmanns Benz der 1. Kompanie, der selbständig, als er die Verbindung mit der 4. Kompanie herzustellen hatte, zur Erkundung des Feindes vorging. Er fand die durch das feindliche Feuer vernichtete und zersprengte 4. Kompanie nicht mehr, stellte aber fest, dass der linke Flügel der 3. Kompanie durch feindliche Umfassung stark bedroht war und meldete dies dem Hauptmann Diem, sodass dieser rechtzeitig Maßnahmen zur Deckung seiner gefährdeten Flanke anordnen konnte.
Die 9 cm-Batterie wurde in dem Sattel zwischen Kleinem und Großen Hohnack eingesetzt, um die feindliche Artillerie zu bekämpfen. Deren Stellung war auf dem mit niederem Waldbestand bedeckten Breitberg gegen die Sonne nicht zu erkennen, während die deutsche Batterie, die offen und frei auffahren musste und durch den qualmenden Rauch ihres Feuers der feindlichen Artillerie ein selten günstiges Ziel bot, von dieser wirksam gefasst werden konnte. Ein Geschütz wurde sogleich kampfunfähig gemacht.
Major Kehl setzte 1/2 II. Bataillon mit 2 Maschinengewehren am Südrande des Waldes am Kleinen Hohnack ein. Da das eigene Artilleriefeuer gegen das feindliche nicht aufkommen konnte und immer mehr Teile des I. Bataillons aus dem Walde des Großen Hohnack zurückgingen, beschloss er abzubauen. Er wollte hierzu eine Aufnahmestellung am Kleinen Hohnack und nordöstlich davon besziehen. Selbsttätig kam ihm hierbei der Unteroffizier Lorenz Würstl der 4. Kompanie entgegen. Dieser hatte als Furier in einem Hause nordöstlich des Kleinen Hohnack die Mahlzeit zubereiten lassen. Eine Granate schlug in das Haus ein und machte das Essen unbrauchbar. Da griff Unteroffizier Würstl in den Kampf ein. Er sammelte mit Hilfe des Kochs und einiger Wehrleute im heftigsten feindlichen Feuer die Versprengten hinter einer Steinmauer und stellte dem Bataillons-Kommandeur einen Zug von 82 Mann für die Aufnahme zur Verfügung. Unter dem Schutze dieser Aufnahmestaffel und des 1/2 II. Bataillons sammelte Major Kehl das I. Bataillon bei Rochette (500 Meter nordöstlich des Kleinen Hohnack), zog die Batterie ebendorthin und trat, ohne vom Feind gedrängt zu werden, um 4 Uhr nachmittags über Zell den Rückmarsch zunächst bis Ammerschweier und auf Befehl der Brigade nach Ingersheim an.
Dem Vizefeldwebel Xaver Fais der 6. Kompanie ist es zu verdanken, dass der Patronenwagen der 5. Kompanie dem Feinde nicht in die Hände fiel. Der Wagen war in dem weichen Boden festgefahren und stand unbeweglich noch da, als die Truppe schon im Abzug begriffen war. Vizefeldwebel Fais holte im feindlichen Feuer Leute herbei, machte ihn nach langen Bemühungen, immerfort vom Feinde beschossen, wieder fahrbar und vermochte ihn durch Tatkraft zu retten.
Um die Bergung der Verwundeten machten sich der Bataillons-Arzt, Oberarzt Dr. Glatz, und der Assistenz-Arzt Dr. Kletterer des I. Bataillons sehr verdient. Sie walteten mutig ihres Amtes bei Rochette auch nach Abzug der Truppen und gingen erst mit Einbruch der Dunkelheit zurück. Oberarzt Dr. Glatz wurde für diese tapfere Tat mit dem bayerischen Militär-Sanitätsorden ausgezeichnet.
Die Verluste der Landwehr in den Gefechten bei Weier im Tal und am Großen Hohnack waren nicht gering. Besonders 1/2 II./Landwehr-Infanterie-Regiment 123 und die Bedeckungs-Kompanie des Landwehr-Infanterie-Regiments 121 hatten starke Verluste an Führern und Mannschaften. I./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 hatte 14 % Gefechts-Verluste. Der tapfere Führer der 4. Kompanie, Hauptmann Hörhammer, war gefallen. Wir fanden das ihm vom Feinde bereitete Grab bei unserem späteren Vormarsche am Weirer Kreuz. Von der 2. Kompanie fiel Offiziers-Stellvertreter, Vizefeldwebel Fritz, Oberleutnant Thielemann der 4. Kompanie fiel schwer verwundet in die Hände des Feindes und starb in der Kriegsgefangenschaft. Er wurde auf dem Friedhofe von Münster bestattet (Anmerkung PS: Oberleutnant der Reserve Wilhelm Thielemann aus Brühlheim in Sachsen-Coburg-Gotha, gestorben am 30.08.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Münster, Block 4, Grab 35).
In ihrem ersten Gefechte hat die Landwehr in dem schwierigen Gebirgsgelände ihr Möglichstes geleistet, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Die württembergische Landwehr ist ihren in vorbildlicher Tapferkeit zum Sturm vorangehenden Führern in dem hin und herwogenden Nahkampf gegen die beste französische Truppe mutig gefolgt und hat diese geworfen. Auch die bayerische Landwehr hat in der Hölle am Großen Hohnack ihren Halt nicht verloren. Die jämmerlich ausgestattete überplanmäßigen Festungsbatterien mit ihren veralteten Geschützen bildeten im Gebirgskampfe nicht nur keine Unterstützung, sondern ein wesentliches Hindernis für die Truppe. In ihrer Kampfkraft, der Befehlsübermittlung, der Bewegungsfähigkeit war die landwehr dadurch außerordentlich behindert, dass ihr Maschinengewehre, Nachrichtengerät und besonders auch Feldküchen fehlten. Diese Mängel sollten sich ebenfalls in den späteren Kämpfen noch nachteilig fühlbar machen.
Trotz aller Opfer und Mühen aber war dieser Kampfestag nicht vergebens. Ihre Aufgabe, die im Münstertal stehenden feindlichen Truppen durch Angriff zu fesseln, haben beide Kolonnen erfüllt.
Es soll hier noch des tapferen, klugen, umsichtigen, tatkräftigen Kommandeurs des württembergischen Landwehr-Infanterie-Regiments 121, Oberstleutnant Bechtinger (Anmerkung PS: Oberstleutnant Arthur Bechtinger aus Ludwigsburg, gefallen am 04.09.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Colmar in Grab 252) gedacht werden, der sich in der Führung seines Regiments am 19.08.1914 hervorragend bewährt und am 04.09.1914, als er mit seinem Regiment dem am Großen Hörnleskopf kämpfenden bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiment 2 durch Angriff auf den Mönchberg bei Münster die linke Flanke decken wollte, den Heldentod gefunden hat. Die bayerische Landwehr des 2. Regiments wird diesem Helden ein dankbares, treues Gedenken bewahren.“
Offiziell ist für Johann Wolfgruber keine Grablage bekannt. ich vermute jedoch, dass er anonym in einem Massengrab auf dem Soldatenfriedhof Lafrimbolle beigesetzt wurde, wo man auch seine Regimentskameraden begrub, die im gleichen Zeitraum fielen, u. a.
Gefreiter Johann Kraut, gefallen am 19.08.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 3, Grab 540;
Wehrmann Sebastian Brunnhuber, gefallen am 19.08.1914 am Hohnack, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in einem Massengrab;
Gefreiter Johann Kraut, gefallen am 19.08.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 3, Grab 540;
Offiziersstellvertreter Matthäus Fritz, gefallen am 19.08.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 3, Grab 123.
Über Johann Wolfgrubers Regimentskameraden Andreas Stockenreiter, der am gleichen Tag im gleichen Gefecht fiel, habe ich am 19.11.2020 berichtet.
Der Soldat Andreas Stockenreiter stammte aus Spielberg (heute ein Ortsteil der bayerischen Gemeinde Eiselfing) und war Landwirt (Eicherbauer). Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Landwehrmann in der 4. Kompanie des 2. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments. Am 19.08.1914 fiel er im Alter von 30 Jahren während der Gefechte im Münstertal bei Weier im Tal am Hohnack.
Über den Todestag und die Todesumstände von Andreas Stockenreiter berichtet die Regimentsgeschichte des 2. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments:
„Vom Feinde war bekannt, dass er Münster stark besetzt habe, dass Alpenjäger-Bataillione im Vormarsch aus dem Rheintal bei Gebweiler über Lautenbach nach Bönlesgrab (8 km südwestlich Sulzbach) gemeldet seien. Mit ihrem Auftreten bei Sulzbach im Münstertal in der linken Flanke und im Rücken der Kolonne Hüber war also zu rechnen.
Der Vormarsch dieser Kolonne wurde am 18.08. ohne Störung durch den Feind durchgeführt. Die Truppen bezogen Unterkunft zwischen Weier im Tal und Zimmerbach. Eine Reiter-Patouillie war zur Aufklärung in das Sulzbach-Tal entsandt worden.
Am 19.08. 6 Uhr morgens stellte sich Kolonne Hübner bereit:
Landwehr-Infanterie-Regiment 121 mitI. Bataillon auf Höhe nordwestlich Weier im Tal (Kapellenhöhe); III. Bataillon in Weier im Tal;
III./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 in der Mulde zwischen Weier im Tal und Walbach; 1 Batterie 9 cm auf der Kapellenhöhe mit Schussrichtung gegen Münster (diese Stellung bot nur Raum für eine Batterie); 1 Batterie 9 cm nordwestlich Walbach mit Schussrichtung gegen Sulzbach; 6./FußartillerieRegiment 13 – s. F. H. – dich östlich Weiler im Tal mit Schussrichtung gegen Münster; 1/2 II. Landwehr-Infanterie-Regiment 123 wurde der Kolonne Hübner zur Verfügung gestellt und über Türkheim herangezogen.
General Eichhorn traf etwa 8 Uhr vormittags in Weier im Tal ein und bestimmte die Zeit zum Vorgehen auf Münster auf 4 Uhr nachmittags. Darauf begab sich der Grigade-Kommandeur im Kraftwagen nach Giragoutte, um das Zusammenwirken mit der Kolonne Kehl zu regeln.
Um 10.15 Uhr vormittags rückten 4 feindliche Kompanien entfaltet von Münster gegen Günsbach vor. Oberstleutnant Hübner machte der Kolonne Kehl hiervon durch Kraftwagen Mitteilung und ersuchte um Mitwirkung. Der Feind wurde nordöstlich von Günsbach von unserem Artilleriefeuer gefasst, geriet in Unordnung und wurde am weiteren Vorgehen aufgehalten.
Um 10 Uhr vormittags kam der Befehl der Brigade, die im Münstertale gegenüberstehende 5. französische Division durch Angriff am Abrücken nach Norden zu hindern. Oberstleutnant Hübner gab hierauf den Befehl zum Angriff gegen Münster. Der Angriff sollte vom Landwehr-Infanterie-Regiment 121 auf den Höhen des nördlichen Talrandes vorgetragen werden, III./Landwehr-Infanterie 121 auf den Höhen des nördlichen Talrandes vorgetragen werden, III./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 zur Verfügung des Oberstleutnant Hübner an den Talhängen über Günsbach folgen unter Beobachtung gegen Sulzbach.
Der Angriff ging zügig vorwärts. Die feindliche Infanterie zog sich über Günsbach nach der Höhe nordwestlich dieses Ortes zurück, nahm hier Stellung und ging beim Herankommen unserer vordersten Schützen weiter gegen Münster zurück. Günsbach und Höhe nordwestlich davon wurden vom Landwehr-Infanterie-Regiment 121 genommen. Der linke Flügel des Regiments mit dem Maschinengewehr drang bis zur Hagmühle östlich Münster vor und stamd im Feuer auf 800 Meter mit dem Feinde am Ostrande von Münster.
Bald nach Mittag traf die Mitteilung der Brogade ein 2 Alpenjäger-Bataillone befänden sich im Marsche von Rufach im Rheintal über Ofenbach gegen Sulzbach. Gleichzeitig wurde der Kolonne Hübner noch das zweite Halbbataillon II./Landwehr-Infanterie-Regiment 123 zur Verfügung nachgeschickt. Oberstleutnant Hübner beauftragte III./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 wie bisher mit der Beobachtung gegen Sulzbach und lies das zuerst eintreffende Halbbataillon II./Landwehr-Infanterie-Regiment 123 dem rechten Flügel des Landwehr-Infanterie-Regiment 121 nördlich Weier im Tal folgen.
Nun traf noch die Mitteilung von der Brigade ein, feindliche Truppen gingen auch von Rufach im Rheintal gegen Colmar vor, dazu der Befehl, die Kolonne Hübner sollte 1. Bataillon über Winzenheim (4 Kilometer südwestlich Colmar) in Marsch setzen, das mit dem letzten Verfügungs-Bataillon der Brigade (II./Landwehr-Infanterie-Regiment 121) diesem Feinde entgegentreten sollte. Ohne auf die Durchführung des ersten Auftrags, Angriff gegen Münster, zu verzichten, hätte dieser Befehl nicht ausgeführt werden können. Oberstleutnant Hübner gab daher das Bataillon nicht ab. Die Kampflage, wie sie sich jetzt bei Weier im Tal gestaltete, ließ dies nicht zu.
Die offen aufgefahrene, mit rauchstarkem Pulver feuernde Batterie auf der Kapellenhöhe wurde von feindlicher Artillerie aus Stellung westlich Münster unter Feuer genommen. Gleichzeitig hörte man starkes Infanteriefeuer nördlich der Batterie. Ihre Dedeckungskompanie wurde von an Zahl weit überlegenen Alpenjägern angegriffen. Oberstleutnant Hübner setzte 1/2 II./Landwehr-Infanterie-Regiment 123 zum Gegenangriff ein. Dem rücksichtslosen Angriff dieser Kompanien im Verein mit Teilen vom I./121 gelang es, die Alpenjäger zurückzuwerfen. Unter den Toten des Feindes wurden die Nummern der Alpenjäger-Bataillione 30 und 33 festgestellt. Die 9-cm Batterie auf der Kapellenhöhe hatte sich aber durch diesen in ihrer nächsten Nähe stattfindenden Infanteriekampf veranlasst gesehen, ihre Stellung zu räumen und zwar unter Zurücklassung von zwei Geschützen, die später von Leutnant Meyer des Landwehr-Infanterie-Regiments 2 geborgen wurden. Die Zivilfuhrleute mit ihren Munitions-Leiterwagen waren gleich bei Beginn des Artilleriekampfes verschwunden.
Aus Richtung Kolonne Kehl glaubte man um Mittag Artilleriefeuer gehört zu haben. Von ihrer Einwirkung auf den Kampf bei Weier im Tal und Münster war aber nichts zu bemerken.
Da für den Angriff auf Münster die Unterstützung von Feldartillerie fehlte, mit der Kolonne Kehl anscheinend nicht zu rechnen war und daher die rechte Flanke der Kolonne Hübner von den Berghöhen her ungeschützt schien, sie sich außerdem in der linken Flanke und im Rücken von Sulzbach her bedroht fühlte, entschloss sich ihr Führer, den Angriff gegen Münster als aussichtslos aufzugeben und unter dem Eindruck des erfolgreichen Gegenstoßes des 1/2 II./123 in die alten Stellungen bei Ingersheim-Türkheim zurückzugehen. Die Brigade billigte diesen Entschluss.
Unter dem Schutze des auf Höhe nordöstlich Weier im Tal in Stellung gebrachten III./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 vollzog sich der Rückmarsch glatt und ohne dass der Feind nachgedrängt hätte. Gerade hatte die Nachhut-Kompanie Walbach (3 km östlich Sulzbach) 5 Uhr nachmittags verlassen, als die Meldung von der in das Sulzbach.Tal entsandten Reiter-Patrouille eintraf, dass um diese Zeit eine Alpenjäger-Kolonne mit einer Abteilung Gebirgsartillerie von Ofenbach her mit Anfang bei Sulzbach eingetroffen sei. Die Kolonne Hübner hatte sich gerade noch rechtzeitig einer sehr gefährlichen Flankenbedrohung enzogen.
Bei Ankunft in Türkheim erhielt Oberstleutnant Hübner Mitteilung von der Kolonne Kehl, dass diese um Mittag westlich Giragoutte in überraschendes Artillerie- und Infanteriefeuer gekommen und von Alpenjäger gezwungen worden sei, über Zell auf Ingersheim zurückzugehen.
Die Kolonne Kehl war mit I./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 seit 18.08. morgens bei Giragoutte gestanden. Ihre anderen Truppen (1/2 II./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 und 1 überplanmäßig 9 cm-Batterie) trafen im Laufe des 18, die Batterie erst am 19. vormittags ein.
Auf die Aufforderung des Oberstleutnant Hübner vom 19. vormittags, sogleich zur Unterstützung von dessen Kolonne auf Hohrodberg anzutreten, vollendete die Kolonne Kehl zunächst das begonnene Abkochen und wollte 12 Uhr mittags auf dem zwischen dem Kleinen und Großen Hohnack führenden Wege über Weirer Kreuz den Vormarsch ins Gebirge antreteb: 3. Kompanie – Hauptmann Diem – mit Infanterie-Spitze voraus; das Gros folgte auf 300 Meter. Die Infanterie-Spitze hatte gerade das unmittelbar westlich des Großen Hohnack befindliche Weirer Kreuz erreicht, hatte also erst einen Marsch von etwa 1 km zurückgelegt, als die Vortrupp-Kompanie von allen Seiten, insbesondere von den hochragenden Tannenbäumen, mit Infanterie- und Maschinengewehrfeuer überschütztet wurde. Die Kompanie entwickelte sofort. 1. Kompanie – Hauptmann Eibner – wurde in Marsch-Marsch zu ihrer Unterstützung eingesetzt, 2. Kompanie – Oberleutnant Fürst – erhielt Befehl, westlich (rechts) am Hang vorzugehen, 4. Kompanie – Hauptmann Hörhammer – sollte links den Berg ersteigen und den Feind umfassen. In dem bergigen, waldigen, unübersichtlichen Gelände war die Landwehr, sie seit der Mobilmachung noch keinen Augenblick Zeit zum Üben gefunden hatte, die Befehle ihrer Führer – ausnahmslos des Beurlaubtenstandes – nicht verstand, der Überraschung durch die berggewohnte Truppe der Alpenjäger nicht gewachsen. Die Marschkolonne war augenscheinlich in einen Hinterhalt geraten. Die Entwicklung hatte nicht nur durch Infanterie-, sondern auch durch Artilleriefeuer vom Breitenberg her sehr zu leiden. Es ist ein Zeichen des vortrefflichen Geistes, der den Wehrleuten, besonders aber auch ihren Führern, innewohnte und ihrer gediegenen Friedensausbildung, dass in dem von allen Seiten niederprasselnden Feuer, ohne dass ein Feind zu sehen und zu fassen war, ein geordneter Widerstand überhaupt zustande kam. Glänzende Leitsungen von Tapferkeit traten in Erscheinung. Hervorzuheben ist das tapfere Verhalten des Wehrmanns Benz der 1. Kompanie, der selbständig, als er die Verbindung mit der 4. Kompanie herzustellen hatte, zur Erkundung des Feindes vorging. Er fand die durch das feindliche Feuer vernichtete und zersprengte 4. Kompanie nicht mehr, stellte aber fest, dass der linke Flügel der 3. Kompanie durch feindliche Umfassung stark bedroht war und meldete dies dem Hauptmann Diem, sodass dieser rechtzeitig Maßnahmen zur Deckung seiner gefährdeten Flanke anordnen konnte.
Die 9 cm-Batterie wurde in dem Sattel zwischen Kleinem und Großen Hohnack eingesetzt, um die feindliche Artillerie zu bekämpfen. Deren Stellung war auf dem mit niederem Waldbestand bedeckten Breitberg gegen die Sonne nicht zu erkennen, während die deutsche Batterie, die offen und frei auffahren musste und durch den qualmenden Rauch ihres Feuers der feindlichen Artillerie ein selten günstiges Ziel bot, von dieser wirksam gefasst werden konnte. Ein Geschütz wurde sogleich kampfunfähig gemacht.
Major Kehl setzte 1/2 II. Bataillon mit 2 Maschinengewehren am Südrande des Waldes am Kleinen Hohnack ein. Da das eigene Artilleriefeuer gegen das feindliche nicht aufkommen konnte und immer mehr Teile des I. Bataillons aus dem Walde des Großen Hohnack zurückgingen, beschloss er abzubauen. Er wollte hierzu eine Aufnahmestellung am Kleinen Hohnack und nordöstlich davon besziehen. Selbsttätig kam ihm hierbei der Unteroffizier Lorenz Würstl der 4. Kompanie entgegen. Dieser hatte als Furier in einem Hause nordöstlich des Kleinen Hohnack die Mahlzeit zubereiten lassen. Eine Granate schlug in das Haus ein und machte das Essen unbrauchbar. Da griff Unteroffizier Würstl in den Kampf ein. Er sammelte mit Hilfe des Kochs und einiger Wehrleute im heftigsten feindlichen Feuer die Versprengten hinter einer Steinmauer und stellte dem Bataillons-Kommandeur einen Zug von 82 Mann für die Aufnahme zur Verfügung. Unter dem Schutze dieser Aufnahmestaffel und des 1/2 II. Bataillons sammelte Major Kehl das I. Bataillon bei Rochette (500 Meter nordöstlich des Kleinen Hohnack), zog die Batterie ebendorthin und trat, ohne vom Feind gedrängt zu werden, um 4 Uhr nachmittags über Zell den Rückmarsch zunächst bis Ammerschweier und auf Befehl der Brigade nach Ingersheim an.
Dem Vizefeldwebel Xaver Fais der 6. Kompanie ist es zu verdanken, dass der Patronenwagen der 5. Kompanie dem Feinde nicht in die Hände fiel. Der Wagen war in dem weichen Boden festgefahren und stand unbeweglich noch da, als die Truppe schon im Abzug begriffen war. Vizefeldwebel Fais holte im feindlichen Feuer Leute herbei, machte ihn nach langen Bemühungen, immerfort vom Feinde beschossen, wieder fahrbar und vermochte ihn durch Tatkraft zu retten.
Um die Bergung der Verwundeten machten sich der Bataillons-Arzt, Oberarzt Dr. Glatz, und der Assistenz-Arzt Dr. Kletterer des I. Bataillons sehr verdient. Sie walteten mutig ihres Amtes bei Rochette auch nach Abzug der Truppen und gingen erst mit Einbruch der Dunkelheit zurück. Oberarzt Dr. Glatz wurde für diese tapfere Tat mit dem bayerischen Militär-Sanitätsorden ausgezeichnet.
Die Verluste der Landwehr in den Gefechten bei Weier im Tal und am Großen Hohnack waren nicht gering. Besonders 1/2 II./Landwehr-Infanterie-Regiment 123 und die Bedeckungs-Kompanie des Landwehr-Infanterie-Regiments 121 hatten starke Verluste an Führern und Mannschaften. I./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 hatte 14 % Gefechts-Verluste. Der tapfere Führer der 4. Kompanie, Hauptmann Hörhammer, war gefallen. Wir fanden das ihm vom Feinde bereitete Grab bei unserem späteren Vormarsche am Weirer Kreuz. Von der 2. Kompanie fiel Offiziers-Stellvertreter, Vizefeldwebel Fritz, Oberleutnant Thielemann der 4. Kompanie fiel schwer verwundet in die Hände des Feindes und starb in der Kriegsgefangenschaft. Er wurde auf dem Friedhofe von Münster bestattet (Anmerkung PS: Oberleutnant der Reserve Wilhelm Thielemann aus Brühlheim in Sachsen-Coburg-Gotha, gestorben am 30.08.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Münster, Block 4, Grab 35).
In ihrem ersten Gefechte hat die Landwehr in dem schwierigen Gebirgsgelände ihr Möglichstes geleistet, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Die württembergische Landwehr ist ihren in vorbildlicher Tapferkeit zum Sturm vorangehenden Führern in dem hin und herwogenden Nahkampf gegen die beste französische Truppe mutig gefolgt und hat diese geworfen. Auch die bayerische Landwehr hat in der Hölle am Großen Hohnack ihren Halt nicht verloren. Die jämmerlich ausgestattete überplanmäßigen Festungsbatterien mit ihren veralteten Geschützen bildeten im Gebirgskampfe nicht nur keine Unterstützung, sondern ein wesentliches Hindernis für die Truppe. In ihrer Kampfkraft, der Befehlsübermittlung, der Bewegungsfähigkeit war die landwehr dadurch außerordentlich behindert, dass ihr Maschinengewehre, Nachrichtengerät und besonders auch Feldküchen fehlten. Diese Mängel sollten sich ebenfalls in den späteren Kämpfen noch nachteilig fühlbar machen.
Trotz aller Opfer und Mühen aber war dieser Kampfestag nicht vergebens. Ihre Aufgabe, die im Münstertal stehenden feindlichen Truppen durch Angriff zu fesseln, haben beide Kolonnen erfüllt.
Es soll hier noch des tapferen, klugen, umsichtigen, tatkräftigen Kommandeurs des württembergischen Landwehr-Infanterie-Regiments 121, Oberstleutnant Bechtinger (Anmerkung PS: Oberstleutnant Arthur Bechtinger aus Ludwigsburg, gefallen am 04.09.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Colmar in Grab 252) gedacht werden, der sich in der Führung seines Regiments am 19.08.1914 hervorragend bewährt und am 04.09.1914, als er mit seinem Regiment dem am Großen Hörnleskopf kämpfenden bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiment 2 durch Angriff auf den Mönchberg bei Münster die linke Flanke decken wollte, den Heldentod gefunden hat. Die bayerische Landwehr des 2. Regiments wird diesem Helden ein dankbares, treues Gedenken bewahren.“
Die Lage des Grabes von Andreas Stockenreiter ist offiziell unbekannt. Ich vermute jedoch, dass er anonym in einem Massengrab auf dem Soldatenfriedhof Hohrod beigesetzt wurde, wo auch seine Kameraden begraben wurden, die im gleichen Zeitraum fielen, u. a.
Gefreiter Johann Kraut, gefallen am 19.08.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 3, Grab 540;
Wehrmann Sebastian Brunnhuber, gefallen am 19.08.1914 am Hohnack, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in einem Massengrab;
Gefreiter Johann Kraut, gefallen am 19.08.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 3, Grab 540;
Offiziersstellvertreter Matthäus Fritz, gefallen am 19.08.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 3, Grab 123.
Sterbebild von Andreas StockenreiterRückseite des Sterbebildes von Andreas Stockenreiter
Der Soldat Karl Zwiflsberger stammte aus Pfenningbach, heute ein Ortsteil der bayerischen Gemeinde Neuburg am Inn, und war Zimmermann von Beruf. Im Ersten Weltkrieg diente er als Landwehrmann in der 12. Kompanie des 2. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments. Am 20.07.1915 fiel er im Alter von 30 Jahren zu Beginn der 2. Schlacht bei Münster in den Vogesen am Schratzmaennele durch Verschüttung.
Über den Todestag und die Todesumstände von Karl Zwiflsberger schreibt die Regimentsgeschichte des 2. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments:
„Die zweite Schlacht um Münster
Die Gefechte am Lingekopf, Schratzmaennele und Barrenkopf am 20., 22., 26. und 27.7.1915
Der Regiments-Kommandeur ordnete am 19. in Voraussicht des feindlichen Angriffs an, dass die am Bärenstall befindliche Kompanie der Regiments-Reserve (9. Kompanie unter Oberleutnant Voigt) mit 1 Zug den in der Nordwestecke des Barrenkopfes befindlichen, stark erschütterten Zug der 6. Kompanie abzulösen und die 2. Linie am Schratzmaennele und im Sattel zwischen Schratzmaennele und Barrenkopf zu besetzen habe. Eine Kompanie der Brigade-Reserve wurde als Ersatz für die 9. Kompanie am Bärenstall zur Verfügung des rechten Regiments-Abschnitts angefordert. Die 12. Kompanie traf 1.00 Uhr morgens am Bärenstall ein. Für die Divisions-Reserve, II. Landwehr-Infanterie-Regiment 1, war Besichtigung auf dem Exerzierplatz Colmar für den 20. vormittags angesetzt. Der Antrag des Kommandeurs Landwehr-Infanterie-Regiment 2, dass diese ausfallen und das Bataillon zum Heranziehen für den bevorstehenden Kampf bereitgestellt werden möchte, wurde abgewiesen.
Am 20. 5.00 Uhr morgens begann der Feind mit der planmäßigen Zerstörung unserer Stellung vom Schratmaennele bis zum Eichwald einschließlich mit allen Kalibern des Feldkriegs, gegen den Sattel zwischen Schratzmaennele und Barrenkopf auch mit schweren Minen. Auch die Regiments-Reserve-Stelle in Hohrod und die rückwärtigen Straße und Wege wurden stark beschossen.
Der Regiments-Kommandeur forderte beim Landwehr-Feld-Artillerie-Regiment 6 die kräftigste Erwiderung des feindlichen Feuers gegen Großen Hörnleskopf, Combekopf und die feindliche Stellung bei Mittelbühl an, beantragte die Heranziehung der zweiten Kompanie der Brigade-Reserve (11. Kompanie) mit 1 MG-Zug nach dem Bärenstall, setzte von der Regiments-Reserve (10. Kompanie) in Hohrodberg 2/3 nach der Badener Hütte, am Südosthange des Barrenkopfes gelegen, in Marsch und stellte 1 Zug dem linken Unterabschnitt im Eichwald zur Verfügung. Der dringende Antrag, die Besichtigung des II./Land.Inf.Rgts. ausfallen zu lassen, wurde abermals abgelehnt.
Der Regiments-Kommandeur begab sich mit dem Regiments-Stab nach dem entscheidenden Punkte des Kampfes, nach der Badener Hütte am Barrenkopf. Dieser Berg bildete den rechten Stützpunkt für unsere Münstertal-Front. Wenn er fiel und sich die feindliche Angriffsbewegung nach links über den anschließenden Kleinkopf fortsetzte, waren das Münstertal und die südlich dieses Tales gelegene Stellung der 8. bayerischen Reserve-Division auf dem Reichsackerkopf und Hilsenfirst stark gefährdet, wenn nicht unhaltbar.
Die Stellung des Landwehr-Infanterie-Regiments 2 war am 20. morgens folgendermaßen besetzt:
Im rechten Regimentsabschnitt stand in erster Linie das II. Bataillon in der Reihenfolge
5. Kompanie am Schratzmaennele
6. Kompanie im Sattel, an der zerschossenen Nordwestecke des Barrenkopfs 1 Zug der 9. Kompanie
7. Kompanie am Westhange des Barrenkopfs und Kleinkopfs
8. Kompanie im Sattel zwischen Kleinkopf und Eichwald bei Hinterberg und Gebräch;
in zweiter Linie
2/3 9. Kompanie auf dem Schratzmaennele und im Sattel zum Barrenkopf;
in Reserve
11. und 12. Kompanie am Bärenstall östlich Schratzmaennele, 2/3 10. Kompanie bei der Badener Hütte;
Stab II. und III. Bataillon am Bärenstall.
Der linke Regimentsabschnitt war vom I. Bataillon besetzt in der Reihenfolge:
2. Kompanie Westrand des Eichwald,
3. Kompanie Katzensteine,
4. Kompanie Muschlersberg,
Kompanie Rebberg; in Reserve
1 Zug der 10. Kompanie am Eichwald, Ostrand
hier auch Stab I. Bataillon
Jedes Bataillon hatte 1 MG-Zug.
Der Schwerpunkt der Verteidigung war also auf den wichtigeren rechten Flügel gelegt.
Das feindliche Zerstörungsfeuer hielt unentwegt, mit wenigen Pausen, an und richtete besonders auf dem Südhange des Schratzmaennele, im Sattel zwischen Schratzmaennele und Barrenkopf und auf diesem selbst starke Verwüstungen an. Unsere erste Linie im Sattel wurde mitsamt ihrer Besatzung verschüttet, auch die zweite Linie schwer beschädigt. Die Barrenkopf-Besatzung in der Nordwestecke wurde derart gelichtet, dass 1 Zug der 10. Kompanie zu ihrer Auffüllung eingesetzt werden musste. Auch Oberleutnant Reck musste die 12. Kompanie zur Besetzung der weiten Lücken, die die zweite Linie im Sattel aufwies, ausgeben. Oberleutnant Roder begab sich im heftigsten Artilleriefeuer zu der kämpfenden Truppe vor, um den Zusammenhang zwischen Schratzmaennele- und Barrenkopf-Besatzung wieder herzustellen.
Um 1.30 Uhr nachmittags gingen starke feindliche Infanterie-Linien aus der Sturmstellung bei Glasborn zum Sturm vor, fluteten aber vor unserem sofort einsetzenden Infanterie- und MG-Feuer in ihre Ausgangsstellung zurück.
Das feindliche Artilleriefeuer setzte mit erhöhter Stärke wieder ein. Um 3.00 Uhr nachmittags wurde es nach rückwärts und besonders stark gegen die Straße Bärenstall-Wahlenstall-Schneiden verlegt. Die Umgebung der Badener Hütte war in dichte Rauchwolken gehüllt. Wiederum trat der Feind in 5 losen Wellen hintereinander zum Sturm an. Wieder prasselten den feindlichen Alpenjägern die Infanterie- und MG-Geschosse der bayerischen Landwehr, die die Hölle des feindlichen Artilleriefeuers überstanden hatte, entgegen.
Am Fuße des Schratzmaennele geriet der Feind überraschend in das Feuer unserer von ihrem kaltblütigen Führer, Hauptmann Pausch, geleiteten 5. Kompanie. Unsere neu angelegte 1. Linie war vom Feinde nicht entdeckt worden und daher von seinem Artilleriefeuer verschont geblieben. Er machte hier gar keine Fortschritte. Wohl aber nahm er rechts der 5. Kompanie Besitz von dem vom Landwehr-Infanterie-Regiment 1 angelegten, aber nicht besetzten Graben am Westhange des Lingekopfes und bedrängte von hier aus stark den rechten Flügel dieser Kompanie und besonders auch die Lingekopf-Besatzung des Landwehr-Infanterie-Regiments 1.
Weiter drang der Feind im Sattel gegen den Südhang des Schratzmaennele vor. Hier wurde er aber durch das falankierende Feuer des auf halbem Hang in Stellung gebrachten MG-Zuges des Offiziers-Stellvertreter Faulstich wirksam gefasst. Dem Feinde wurde durch das Feuer dieser MG die schwersten Verluste zugefügt. Links vorwärts von diesem MG-Zug feuerte Hauptmann Hainer, der unerschrockene Führer der 6. Kompanie durch sein vorbildliches Beispiel die wenigen Leute seiner Kompanie, die das schwere feindliche Feuer überstanden hatten, zu dem hartnäckigsten Widerstande nan. Die tapfere Schar streckte auf nächster Entfernung einen Feind nach dem anderen nieder. Sowie sich der feindliche Infanterie-Angriff aussprach, wurde die 11. Kompanie von Oberstleutnant Reck vom Bärenstall aus zum gegenstoß am Südhange des Schratzmaennele und im Sattel angesetzt. Entschlossen führte Hauptmann Ruidisch seine Kompanie vor. Sie kam gerade noch rechtzeitig an die 2. Linie heran, um gemeinsam mit der hier kämpfenden 12. Kompanie unter ihrem tapferen Führer, Oberleutnant Emminger, den feindlichen Angriff an dieser Stelle restlos abzuschlagen. Durch besondere Tapferkeit tat sich hierbei Unteroffizier Ludwig Pechaigner der 11. Kompanie auf dem Schratzmaennele hervor und spornte durch sein leuchtendes Beispiel als Gruppenführer seine Leute zum Ausharren im schwersten Feuer an. Wehrmann Peter Holzner der 12. Kompanie trug im schwersten Artilleriefeuer fortgesetzt Munition herbei.
An der Südseite des Sattels trat ein noch kampffähig gebliebenes MG in dem zertrümmerten Beton-Blockhaus in Tätigkeit und feuerte so lange, bis die Bedienungsmannschaften durch ein bei Glasborn stehendes feindliches MG außer Gefecht gesetzt waren und die Schießscharte durch eine feindliche Mine verschüttet worden war.
Die Masse der Franzosen blieb vor unserer Front liegen oder flutete zurück. Nur einer gegen die zertrümmerte Nordwestecke der Barrenkopf-Stellung angesetzten feindlichen Sturmabteilung gelang es, hier einzudringen. Leutnant Prähuber warf sich dem übermächtigen Feinde mit einer kleinen Schar der 9. Kompanie heldenmutig entgegen. Der Überzahl gegenüber musste sie im Kampfe erliegen. Den heldenhaft kämpfenden Offizier erreichte auf nächster Entfernung das tödliche Geschoss.
Der Führer der 9. Kompanie, Oberleutnant Voigt, eilte dem feindlichen Sturmangriff mit einem Teil seiner Leute zur Besetzung des an den Barrenkopf anschließenden, südlichsten Teiles der 2. Linie im Sattel entgegen. Er wurde durch eine feindliche schwere Granate verschüttet und am Tage danach tot ausgegraben. Auch Leutnant Hornick dieser Kompanie fand hier den Heldentod. Führerlos wich eine Anzahl der auf dem Barrenkopf kämpfenden Leute der 9. Kompanie dem Feinde aus und riss den zu ihrer Unterstützung eingesetzten Zug der 10. Kompanie nmit sich fort. Der Gegiments-Kommandeur warf sich dem kopflosen Haufen entgegen und führte sie wieder gegen die Höhe des Barrenkopfes vor. Hier gewannen diese Leute Anschluss an eine kleine, mutige Schar, die auf der Höhe des Barrenkopfes dem Feinde das Vorwärtskommen verwehrte. Vizefeldwebel Taubeneder der 9. Kompanie hatte beim Einsetzen des feindlichen Infanterie-Angriffs mit rücksichtsloser Tatkraft die in den Unterständen gegen das überwältigende Artilleriefeuer Schutz suchenden Leute aus den Deckungen herausgeholt und durch das feindliche Artilleriefeuer hindurch auf die Höhe des Barrenkopfes vorgeführt. Im heftigsten feindlichen Infanterie- und eigenem Artilleriefeuer hielt er mit seiner todesmutigen Kampfgruppe, selbst als diese auf 8 Mann zusammengeschmolzen war, stand, bis die durch den Regiments-Kommandeur wieder vorgeführten Leute sich ihm anschlossen und ihn bei der Abwehr unterstützten. Dem Vizefeldwebel Taubeneder gebührt das Verdienst, durch sein entschiedenes, opferfreudiges Handeln dem Feinde die Besitznahme des ganzen Barrenkopfes verwehrt zu haben. Er wurde für seine selbsttätige, entschlossene, tapfere Tat mit der goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Ein Inhaber der goldenen Tapferkeitsmedaille, die er sich in der Champagne erworben hatte, Vizefeldwebel Königer der 10. Kompanie, fand auf dem Barrenkopf, verzweiflungsvoll gegen feindliche Übermacht kämpfend, den Heldentod.
Als der Regiments-Kommandeur die Kuppe des Barrenkopfs in der Hand des Feindes sah, warf er seine letzte Reserve, 1 Zug der 10. Kompanie, auf den Kleinkopf und befahl dem Führer der 10. Kompanie, Oberleutnant Vilbig, zusammen mit Teilen der 7. Kompanie unter Hauptmann Krug gegen den Feind auf dem Barrenkopf links umfassend vorzugehen. Diese beiden Kompanieführer nahmen die Kampfgruppe auf dem Kleinkopf fest in die Hand und drangen mit ihr in dem am Westhange des Barrenkopfes führenden Kampfgraben bis zu der Nordwestecke der Barrenkopf-Stellung vor und verlegten hierdurch der nfeindlichen Schar, die sich auf der Barrenkopf-Kuppe festgesetzt hatte, den Rückzug.
Nun – etwa 4 Uhr nachmittags – traf von der Brigade die Mitteilung ein, dass die Divisionsreserve II./Landwehr-Infanterie-Regiment 1, dem Landwehr-Infanterie-Regiment 2 zur Verfügung gestellt sei. Bataillons-Stab und 3 Kompanien seien nach dem Kuhberg (östlich Schratzmaennele), 1 Kompanie nach Hohrod in Marsch gesetzt worden. Dem immer dringender werdenden Antrag des Kommandeurs Landwehr-Infanterie-Regiment 2, die Besichtigung auf dem Exerzierplatz Colmar abzubrechen, war endlich Folge gegeben worden. Das Bataillon erstieg in der Julihitze die Vogesenhöhen und legte im Eilmarsch die 25 Kilometer Entfernung von Colmar bis zum Bärenstall zurück. Hierher hatte Oberstleutnant Reck 2 Kompanien des Bataillons herangezogen. 1 Kompanie war vom Bataillons-Kommandeur, Oberstleutnant von Grundherr, dem auf dem Lingekopf vom Feinde stark bedrängten Landwehr-Infanterie-Regiment 1 zur Unterstützung gesandt worden. Oberstleutnant Reck erhielt vom Kommandeur Landwehr-Infanterie-Regiment 2 den Befehl, mit den beiden Kompanien den Barrenkopf von dem Rest des Feindes, der sich auf dessen Kuppe noch eingenistet hatte, zu säubern. Die 5. und 7. Kompanie 1. Landwehr-Infanterie-Regiment erstiegen unter Führung des Oberstleutnant Reck den Barrenkopf und schritten unverzüglich zum Sturm. Die Schützen des Landwehr-Infanterie-Regiments 2 schlossen sich ihnen von allen Seiten an. Die Kampfgruppe des Hauptmann Krug und Oberleutnant Vilbig drang von Westen her vor- Die nun völlig eingekreisten Franzosen wurden gefangen genommen. 1 Offizier, 51 unverwundete und 13 verwundete Alpenjäger der Bataillone 22, 28, 70 und 106 fielen in die Hände der bayerischen Landwehr.
Unsere Stellung war wieder restlos in unserem Besitz. Aus eigener Kraft hatte die Infanterie den feindlichen Angriff abgewiesen. Die Artillerie vermochte sie nur ungenügend zu unterstützen, da damals die Verbindung mit ihr, besonders auch durch Leuchtzeichen, für schwere Kampfverhältnisse noch nicht hinreichend organisiert war. Landwehr-Feld-Artillerie-Regiment 6 war wegen seines kurzen Einsatzes mit dem Schießen im Gebirge noch nicht vertraut, schoss infolgedessen mehrfach in die eigene Stellung hinein und fügte unserer Infanterie dadurch Verluste zu.
Gegen den linken Regimentsabschnitt richtete der Feind keinen Angriff, wohl aber lag auch auf ihm, besonders aber auf der Eichwald-Stellung, das schwerste Artilleriefeuer. Hier wirkte das feindliche 28 cm-Kaliber verheerend. Die vordersten Gräben wurden vollständig verschüttet, die Unterstände alle zertrümmert.
Die ganze Regimentsstellung zeigte überhaupt derartige Zerstörungen, vornehmlich auch an den Hindernissen, dass sie ihre Sturmfreiheit eingebüßt hatte und nur wenig Schutz gegen Artilleriefeuer mehr bot.
Der Regiments-Kommandeur zog die von der Brigade nach Hohrod in Marsch gesetzte 8. Kompanie Landwehr-Infanterie-Regiment 1 nach der Badener Hütte als seine Reserve heran, stellte 2/3 davon aber auf dringende Anforderung des Oberstleutnant von Grundherr dem Landwehr-Infanterie-Regiment 1 für den Lingekopf alsbald zur Verfügung.
Die 6. Kompanie Landwehr-Infanterie-Regiment 2, die im Sattel zwischen Schratzmaennele und Barrenkopf bis über die Hälfte aufgerieben worden war, wurde an den Bärenstall zurückgenommen und durch die 11. Kompanie ersetzt.
Am Abend unternahmen die Franzosen noch einmal zwei Angriffe gegen den Barrenkopf. Sie wurden beide Male abgewiesen.
In der Nacht vom 20./21. traf das Mecklenburgisches Jäger-Bataillon Nr. 14 zur Verfügung des Regiments ein.
Durch 2/8 Radfahrer Kompanie der Jäger wurde der rechte Flügel der in der vorgeschobenen Linie am Schratzmaennele-Hang sehr ausgedehnten 5. Kompanie verstärkt. Mit 2 Kompanien hatte das Jäger-Battailion die 7., 9., 10. Kompanie Landwehr-Infanterie-Regiment 2 und 5. und 7. Kompanie Landwehr-Infanterie-Regiment 1 auf dem Barrenkopf abzulösen.“
Offiziell ist für Karl Zwiflsberger keine Grablage bekannt. Ich bin mir jedoch sicher, dass er anonym in einem Massengrab auf dem Soldatenfriedhof Hohrod begraben wurde, wo auch seine Regimentskameraden beigesetzt wurden, die am gleichen Tag fielen, u. a.
Leutnant der Reserve der Infanterie Max Hönig, gefallen am 20.07.1915, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 2, Grab 552;
Offiziersstellvertreter Adolf Müller, gefallen am 20.07.1915, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 2, Grab 551;
Vize-Feldwebel Hans Fischer, gefallen am 20.07.1915, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 2, Grab 295;
Unteroffizier Gustav Schidemandel, gefallen am 20.07.1915, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 3, Grab 257.
Sterbebild von Karl ZwiflsbergerRückseite des Sterbebildes von Karl Zwiflsberger
Der Soldat Jakob Thanner stammte aus Ranerding, heute Ortteil der bayerischen Gemeinde Oberbergkirchen, und war der Sohn eines Schuhmachers. Im Ersten Weltkrieg diente er in der 8. Kompanie des 2. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments. Am 22.07.1915 fiel er während der 2. Schlacht um Münster im Alter von 30 Jahren am Barrenkopf beim Münster im Oberelsass.
Über den Todestag und die Todesumstände schreibt die Regimentsgeschichte des 2. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments:
22.07.1915
Um 5 Uhr morgens begann, wie am 20., das feindliche Zerstörungsfeuer auf die ganze Front des Landwehr-Infanterie-Regiments 2 vom Schratzmaennele bis zum Rebberg. Der Schwerpunkt der Verteidigung lag wieder am Barrenkopf. Der Regiments-Kommandeur zog daher 6 Uhr morgens eine Kompanie (4.) und 1/3 Maschinengewehr-Kompanie Jäger 14 vom Eichwald und von Hohrod, die Regiments-Reserve (jetzt 7. Landwehr-Infanterie-Regiment 2) von Hohrodberg zur Badener Hütte heran, so dass dort bereit standen: 7. und 12. Kompanie/Landwehr-Infanterie-Regiment 2 und 4., 1/3 Radfahrer und 1/3 Maschinengewehr-Kompanie Jäger 14. Dem Oberstleutnant Reck wurde befohlen, die 5. und 7. Kompanie Landwehr-Infanterie-Regiment 1 zum Bärenstall heranzuziehen und die geschwächte 6./Landwehr-Infanterie-Regiment 2 in der II. Stellung am Kuhberg einzusetzen.
Regiments-Gefechts-Stand war, wie am 20., die Badener Hütte. Dort befand sich auch Hauptmann von Diepow, der Führer des Unterabschnitts B, mit dem Bataillons-Stabe des Jäger-Bataillons 14.
9.30 Uhr vormittags ging der Feind nach schärfster Steigerung seines Artillerie- und Minenfeuers zum Angriff gegen die 1. Linie am Schratzmaennele-Hang vor, wurde aber von der Radfahrer-Kompanie der Jäger und unserer 5. Kompanie glatt abgewiesen.
Das feindliche Feuer nahm immer mehr an Stärke zu. Der Kompanieführer der 11. Kompanie, Hauptmann Ruidisch, fand bei dem Versuch, seine erschütterten Mannschaften aufzurichten, den Heldentod. Das gewaltige Getöse der zerspringenden 15, 22, 28 cm-Granaten und der schweren Minen, die am Südhange des Schratzmaennele, im Sattel und auf dem Barrenkopf Trichter auf Trichter aufrissen, die hohen Gebirgstannen fällten und die Unterstände einwarfen, wurde für die Nerven unerträglich. Die Mannschaften der 11. und 12. Kompanie waren kaum mehr in der Stellung zu halten. Es bedurfte der eisernen Ruhe des Kompanieführers der 12. Kompanie, Oberleutnant Emminger, um seine Leute zur Erfüllung ihrer Pflicht anzuhalten. Sein Zugführer, Leutnant Hönig, fiel, ein leuchtendes Vorbild für die Truppe, in Erfüllung seiner Pflicht. Oberleutnant Jakob, der Führer der 9. Kompanie, führte seine Kompanie mit ruhiger Überlegung aus dem stärksten Feuerbereich von der Höhe des Schratzmaennele hinter dessen Hang zurück, bereit, sie beim Vorgehen der feindlichen Infanterie entgegen zu werfen. Auch die 3. Kompanie Jäger 14 räumte schwer erschüttert den südlichen Teil des Sattels. Auf diese Meldungen hin gab der Regiments-Kommandeur dem Oberstleutnant Reck anheim, eine Kompanie als Rückhalt für die Kompanieen 1. Linie einzusetzen, wies ihn aber an, unbedingt eine Kompanie für den Gegenstoß zurückzuhalten. Daraufhin stellte Oberstleutnant Reck die 7./Landwehr-Infanterie-Regiment 1 hinter dem Sattel zwischen Schratzmaennele und Barrenkopf zur Abwehr bereit. Auch Hauptmann von Diepow verstärkte seine 3. Kompanie auf dem Barrenkopf durch 1 Zug der Radfahrer-Kompanie und 1 Maschinengewehr.
Gegen 11 Uhr vormittags steigerte sich das feindliche Artilleriefeuer zu einer ungeheuren Heftigkeit sowohl auf, wie hinter die Stellung. Hier wurde planmäßig die Badener Hütte, eine kaum splittersichere Blockhausgruppe, beschossen. Die drei Kompanien der Regiments-Reserve lagen deckungslos am Waldhange hingeschmiegt. Ein feindlicher Flieger kreiste über uns und leitete das Feuer. Geschoss auf Geschoss, 15 cm-Steilfeuer, schlug in unmittelbarer Nähe ein. Die Offiziere, vom Regiments-Kommandeur abwärts, traten zu der Truppe und hielten sie zusammen. Eine schwere Granate krepierte in der Jäger-Kompanie. 20 Tote und Verwundete lagen am Boden. Auch in unsere 7. und 10. Kompanie schlugen Volltreffer ein und schufen erhebliche Verluste. Zwischen die Brisanzgranaten waren Nebelbomben gemischt, die den Bergwald in dichten, braunen Rauch hüllten.
Noch während der Beschießung erfolgte 11.30 Uhr vormittags der Infanterie-Angriff. Der Feind drang im Sattel vor und in die Südwestecke des Schratzmaennele ein. Wieder, wie vorher am 20., wurde er durch die Feuergarbe des Maschinengewehr-Zuges des Vizefeldwebel Faulstich wirksam gefasst. Bei ihm befand sich der tapfere Führer der Maschinengewehr-Kompanie, Oberleutnant Banvield. Oberleutnant Banfield wurde am Oberschenkel schwer verwundet. Nun trat Oberleutnant Jakob mit seiner bis dahin zurückgehaltenen 9. Kompanie in den Kampf. Ihr Feuer schlug in die feindlichen Reihen von der Höhe des Schratzmaennele herab flankierend hinein. Auch ein Teil der 11. Kompanie hatte rühmlichen Anteil an der Abwehr des Feindes. Der Zugführer war zur Bataillons-Befehlsstelle geeilt, um persönlich Unterstützung herbeizuholen. Da übernahm Unteroffizier Pechaigner, der sich schon am 20. ausgezeichnet hatte, mit fester Hand die Führung des Zuges und brachte durch geschickte Feuerleitung dem über den Steinhang hinaufklimmenden Feinde schwere Verluste bei. Die 5. Kompanie Landwehr-Infanterie-Regiment 1 trat zum Gegenstoß an. Im Verein mit der 7. Kompanie dieses Regiments und unserer 12. Kompanie wurden die Reste der feindlichen Sturmtruppen, die am Schratzmaennele-Hang und im Sattel vorgedrungen waren, vernichtet. Wehrmann Peter Holzner der 12. Kompanie, verheirateter Tagelöhner von Altdorf bei Landshut und Vater von 6 Kindern, der sich schon am 20. ausgezeichnet hatte, deckte an besonders gefährdeter Stelle die linke Flanke seiner Kompanie und wehrte einen Flankenstoß des Feindes ab. Da keine Zeit zum Laden blieb, schlug er mit dem Kolben drein.
Sehr erheblich war zunächst der Erfolg des Feindes gegen den Barrenkopf. Die dort in Stellung befindlichen Teile der 3. Kompanie und der Radfahrer-Kompanie Jäger 14 wurden von ihm vollständig zersprengt. Die Schützen der beiden Maschinengewehr Landwehr-Infanterie-Regiment 2 und des einen Maschinengewehr der Jäger wurden außer Gefecht gesetzt. Auf 200 Meter Entfernung erschienen die Alpenjäger vor den noch geschlossen bei der Badener Hütte liegenden Kompanien der Regiments-Reserve. Ihre Infanterie- und Maschinengewehr-Geschosse prasselten in die Kompanien hinein. Der Regimentskommandeur eilte zu den Kompanien. Auf seinen Zuruf „Hinauf auf den Kleinkopf! Drauf auf den Feind!“ stiegen Landwehrleute und Jäger, alles durcheinander, den bewaldeten Berghang zum Kleinkopf hinauf, immerfort angeeifert vom Regimentskommandeur. Die Offiziere gingen ihren Leuten voraus. Den Führer der 7. Kompanie, Hauptmann Krug, wies den der Regimentskommandeur persönlich an, die Kleinkopf-Kuppe zu gewinnen und von dort aus die Feinde vom Barrenkopf hinunterzuwerfen.
Als unsere Schützen die Höhe des Kleinkopfs erreicht und eine Feuerfront von dort bis zur Straße bei der Badener Hütte gebildet hatten, übergab der Regimentskommandeur dem Hauptmann von Diepow den Befehl über diese Front und begab sich zu der in Stellung am Wahlenstall mit Schussrichtung gegen Sattelkopf, westlich Reichsackerkopf, stehenden 6. Batterie Landwehr-Feld-Artillerie-Regiment 6. Der Regimentskommandeur befahl dem Batterie-Offizier, Leutnant Holstein, die Geschütze kehren und geschützweise gegen den auf dem Barrenkopf eingedrungenen Feind feuern zu lassen. Den gleichen Auftrag gab er durch Meldegänger der 3. Batterie bayerisches Reserve-Feld-Artillerie-Regiment 9 bei Schneiden. Beide Batterien unterstützten sehr wirksam unseren Infanterieangriff und trugen wesentlich zu dessen Erfolge bei.
Dem Kommandeur des I. Bataillons am Eichwald schickte der Regimentskommandeuer den Befehl, die 2. Kompanie und 2/3 Maschinengewehr-Kompanie Jäger 14 nach der Badener Hütte zu senden. Um auch von den am Südwesthange des Kleinkopfs und im Sattel bei Hinterberg stehenden Kompanien möglichst viele Kräfte für den Angriff frei zu machen, begab er sich zunächst nach Hinterberg zur 8. Kompanie/Landwehr-Infanterie-Regiment 2 und sodann zur 1. Kompanie Jäger 14 und veranlasste eine Rechtsschiebung im Schützengraben zum Hinaufrücken auf den Kleinkopf. Vom Südwesthange des Kleinkopfs aus dem Schützengraben der Jäger beobachtete er, wie die Alpenjäger vor unserem Gegenangriff und unserem Artillerie- und Infanteriefeuer in Massen gegen den Combekopf zurückströmten. Im Verfolgungsfeuer der Jäger sah man die fliehenden Feinde zusammenstürzen.
Der Feind war vom größten Teile des Barrenkopfes wieder vertrieben. Nur ein Rest von ihm saß noch in den Gräben auf der Barrenkopf-Kuppe. Um 2 Uhr nachmittags trafen die vom Eichwald heranbefohlenen 2. Kompanie und 2/3 Maschinengewehr-Kompanie Jäger 14 ein. Ein zug der Kompanie wurde eingesetzt und säuberte gemeinsam mit der 7. und 10. Kompanie Landwehr-Infanterie-Regiment 2 und der 4. Kompanie Jäger 14 unter der tatkräftigen Führung des Leutnants der Jäger Biermann die Kuppe des Barrenkopfes. 1 Major 1 Leutnant und 70 Alpenjäger der Bataillone 14, 106 und 114 wurden gefangen. Hierbei zeichnete sich der Unteroffizier Johann Schiefer der 12 Kompanie Landwehr-Infanterie-Regiment 2 besonders aus. Zwei am Barrenkopf und am Schratzmaennele einander gegenüber stehende Kampfgruppen der Jäger und der Landwehr glaubten Franzosen vor sich zu haben und begannen aufeinander zu feuern. Unteroffizier Schiefer klärte die beiden Abteilungen auf einem sehr gewagten Schleichgange über den gefährlichen Irrtum auf und verhütete dadurch erhebliche Verluste. Er veranlasste die Jäger, ihre Linie gegen den Schratzmaennele zu verlängern. Hierdurch wurden die eingedrungenen Franzosen abgeschnitten und gefangen genommen. Um 5 Uhr nachmittags war unsere Stellung wieder vollständig in unserer Hand. Im Laufe der Nacht wurden noch etwa 50, größtenteils leichtverwundete Alpenjäger eingebracht, die sich dircht vor unserer Stellung an der Nordwestecke des Barrenkopfs in Granatlöchern oder an versteckten Plätzen verborgen hatten. Bei den Aufräumungsarbeiten in der Stellung fanden sich mindestens 500 französische Gewehre; etwa 300 in der Stellung liegende tote Alpenjäger wurden von uns beerdigt. Der Sattel zwischen Barrenkopf und Combekopf war bedeckt mit toten Alpenjägern.
Das feindliche schwere Artilleriefeuer hatte eine ungeheure zerstörende Wirkung gehabt. Am Südrande des Schratzmaennele, im Sattel zwischen Schratzmaennele und Barrenkopf und auf dem Barrenkopf war kein Grabenstück, kein Unterstand mehr vorhanden. Das Drahthindernis war vor diesem Teile unserer Front vollständig beseitigt. Das ganze Gelände war von tiefen und weiten Granattrichtern durchwühlt, abgeschlagene Gebirgstannen lagen darüber und versperrten den Weg.
Eine Truppe, die ein derartig schweres Feuer zu ertragen und in diesem Granatenschauer zur Abgabe eines wohlgezielten Feuers, zu schneidigem Gegenangriff bereit war, hat gezeigt, dass sie unter den schwersten seelischen Eindrücken von dem eisernen Willen durchdrungen war, kein Fußbreit Boden dem Feinde abzutreten und dass ihr der Schutz des Vaterlandes über alles ging.
Auch auf dem Regiments-Abschnitt vom Eichwald bis zum Rehberg war schweres feindliches Artilleriefeuer gelegen, ein Angriff fand hier aber nicht statt, wenn die feindliche Infanterie auch durch Besetzung ihrer vordersten Gräben die Absicht zum Angriff vorzutäuschen suchte.
In den Kämpfen am 20. und 22. hatte das Landwehr-Infanterie-Regiment 2 einen Gefechtsverlust von 188 Toten, 395 Verwundeten. Am meisten hatten die 11. und 12. Kompanie in den Kämpfen am Schratzmaennele und Barrenkopf gelitten. Die 11. Kompanie hatte im ganzen 112, die 12. Kompanie 103 Gefechtsverluste aufzuweisen.“
Man begrub Jakob Thanner auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 4, Grab 66.
Sterbebild von Jakob ThannerRückseite des Sterbebildes von Jakob Thanner
Der Soldat Franz Neuwirth stammte aus der bayerischen Gemeinde Glonn und war der Sohn eines Schreinermeisters. Im Ersten Weltkrieg diente er als Landwehrmann in der 10. Kompanie des 1. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments. Am 17.04.1915 fiel er im Alter von 32 Jahren in den Vogesen am Eichenrain bei Münster (Oberelsass).
Über den Todestag von Franz Neuwirth berichtet die Regimentsgeschichte des 1. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiment:
„Die Kompanien setzten alsbald mit reger Patrouillentätigkeit ins Vorgelände ein. Der darüber verärgerte Feind sandte am 17. April einige wohlgezielte Artillerieschüsse herüber, die bei der 12. Kompanie zwei Tote und zwei Verwundete, bei der 10. Kompanie in der Nordhütte 18 Tote, 15 Schwer- und vier Leichtverwundete zur Folge hatten.“
Einer der Toten der 10. Kompanie war Franz Neuwirth.
Man begrub Franz Neuwirth auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 1, Grab 9.
Der Soldat Lorenz Graisel wurde am 13.12.1892 in Echerschwang (Schreibfehler auf Sterbebild), einem Ortsteil der bayerischen Gemeinde Bernbeuren, geboren und war Dienstknecht. Im Ersten Weltkrieg wurde er zunächst zur Ausbildung zum 1. bayerischen Infanterie-Regiment einberufen. Am 12.05.1915 wurde er zum 19. bayerisches Reserve-Infanterie-Regiment abkommandiert, um im Krieg eingesetzt zu werden. Am 11.08.1915 fiel er im Alter von 22 Jahren.
Offiziell ist für Lorenz Graisel keine Grablage bekannt. Ich vermute jedoch, dass er anonym in einem Massengrab auf dem Soldatenfriedhof Breitenbach oder Hohrod begraben wurde, wobei ich eher an Hohrod denke.
Sterbebild von Lorenz GraiselFoto von Lorenz Graisel
Der Soldat Josef Schnitzinger stammte aus der bayerischen Gemeinde Tyrlaching und war der Sohn eines Maurers. Im Ersten Weltkrieg diente er als Landsturmmann in der 3. Kompanie des 1. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiment. Am18.08.1915 fiel er im Alter von 26 Jahren während der Vogesenkämpfe am Lingekopf.
Man begrub Josef Schnitzinger auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 3, Grab 344.
Sterbebild von Josef SchnitzingerRückseite des Sterbebildes vonJosef Schnitzinger
Der Soldat Franz Besenhart stammte aus Arzting in Niederbayern, heute ein Ortsteil der bayerischen Gemeinde Grafling, und war Schlosser bei den städtischen Gaswerke München. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Landwehrmann in der 3. Kompanie des 1. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments. Am 22.07.1915 fiel er im Alter von 35 Jahren während der zweiten Schlacht um Münster am Lingekopf bei Münster (Elsass) in den Vogesen.
Über den Todestag von Franz Besenhart berichtet die Regimentsgeschichte des 1. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments:
„In der Nacht vom 21./22.07.1915 waren die Hauptstellungen des Lingekopfes einschließlich der Schützennester 9 und 8 am Lingehang durch die 8. Kompanie, die Schützennester 7-1 durch die 3. Kompanie LIR 1 besetzt. Die 6./LIR 1 wie die 10./LIR 3 befanden sich bei der Edelweiß- und Lingekopf-Hütte am Ostrande des Lingekopfs. 9., 11. und 12./LIR 3 lagen bei der Fischer-Hütte auf halber Höhe des Lingehanges in Reserve.
Am 22.07.1915 um 5.30 Uhr vormittags setzte starkes Artilleriefeuer leichten und schweren Kalibers auf die Hauptstellung am Lingekopf ein, wodurch die 8. Kompanie schwere Verluste erlitt. (Leutnant Drangmeister gefallen) Auch bei der in Reserve befindlichen 6. Kompanie gab es Verluste.
Als zwischen 9.00 Uhr und 10.00 Uhr vormittags das Artilleriefeuer schwächer wurde, ließ der Kommandeur von II./LIR 1 in Erwartung des Infanterieangriffs die Hauptstellung am Lingekopf noch durch zwei Züge verstärken, nahm sie aber alsbald wieder zurück, weil neuerdings heftiges Artilleriefeue, untermischt mit Infanterie- und Maschinengewehr-Feuer, eingesetzt.
12.00 Uhr nachmittags verlegt die feindliche Artillerie ihr Feuer nach rückwärts, was auf einen bevorstehenden Angriff deutete. Deshalb erhielt die 6. Kompanie den Befehl, die Hauptstellung am Lingekopf durch sämtliche drei Züge zu verstärken. Tatsächlich setzte auch gleich darauf der Angriff ein. Der Feind griff den ganzen Lingekopf an und gelangte bis zu dem durch das Artilleriefeuer stark beschädtigten Drahthindernis vor der Lingekopfstellung, durch welches er an einigen Stellen durchdrang. Beim Vorgehen versteckten sich die französischen Alpenjäger sehr gewandt hinter Steinblöcken und Büschen. Sie feuerten weiße und rote Signalkugeln ab. Infolge unseres heftigen Infanteriefeuers gelang es ihnen jedoch nicht, obwohl sie sich stellenweise im toten Winkel Deckung verschaffen konnten, an die Hauptstellung heranzukommen. Als sie die Unmöglichkeit hierzu erkannt hatten, versuchten sie, wie durch eine von der Nordseite des Lingekopfs vorgeschickte Patrouille erkundet wurde, sich unter Benützung des Toten Winkels etwa 100 Meter vor der Lingekopf-Stellung einzugraben. Einem von Norden her vorgeschickte Halbzug der 10. Kompanie LIR 3 gelang es, durch Flankenfeuer diesen Versuch zu vereiteln. Auch durch Flankenfeuer einen Maschinengewehrs aus Bastion I auf dem Eichenrain wurde der Lingekopf-Hang bestrichen, was die Lage wesentlich erleichterte. Dem weiteren Versuch der Franzosen, ein Maschinengewehr heranzubringen, wurde mit Handgranaten wirksam begegnet. Zwischen 4.00 Uhr und 5.30 Uhr nachmittags lag starkes Artilleriefeuer auf dem Bärenstall, zwischen 6.30 Uhr und 8.30 Uhr abends desgleichen auf Schratzmännele, Lingekopf und Lingehang.
Bei diesen Kämpfen zeichnete sich besonders Wehrmann Josef Sattler der 8. Kompanie aus. Nachdem Zugführer, Leutnant Drangmeister, und stellvertretender Zugführer, Unteroffizier Oelkofner, gefallen waren, übernahm bei Beginn des Angriffs Sattler die Führung von drei Gruppen, warf die Franzosen zurück und brachte durch Handgranaten einen Versuch des Feindes, sich ungefähr 100 Meter vor der Stellung im toten Winkel einzugraben, zum Scheitern. Den Gefreiten Digeser, der bei dieser Gelegenheit schwer verwundet wurde, holte er zwei Stunden später herein. Für sein Verhalten wurde ihm das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen und durch Regimentskommandeur persönlich überreicht.“
Man begrub Franz Besenhart auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 3, Grab 204.
Sterbebild von Franz BesenhartRückseite des Sterbebildes von Franz Besenhart