Die Männer des Ersten Weltkriegs – Teil 2.458: Johann Baptist Stettner

Der Soldat Johann Baptist Stettner stammte aus Stetten Pfarrei Buchbach, und war der Sohn eines Landwirts. Im Ersten Weltkrieg diente er in der 3. Maschinengewehr-Kompanie des 17. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments. Er wurde mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet. Am 16.07.1918 fiel er im Alter von 25 Jahren während der Stellungskämpfe zwischen Aisne und Marne in Nordfrankreich durch einen Granatvolltreffer.

Über den Todestag und die Todesumstände berichtet die Regimentsgeschichte des 17. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments:

„Am 16.07. kam die Division in die erste Linie. Das Regiment sollte dabei aus der Linie Reuilly – Sauvigny in südlicher Richtung vorrücken und den Südrand des Waldes von Condé gewonnen. III./17. in vorderster Linie stieß am südlichen Waldrand bei Janvier- und Les Etangs-Ferme auf den Feind, der sich hier mit Maschinengewehren und Tanks hinter breiten Astverhauen eingenistet hatte. Da der Widerstand des durch Artillerie kräftig unterstützten Feindes ohne ausgiebige Vorbereitung nicht zu überwinden war, konnte das Bataillon nicht weiter vordringen; es wies einen unter dem Feuerschutz der Tanks ausgeführeten Gegenangriff des Feindes ab und machte dabei einige Gefangene. I./17. kam rechts vom III. Bataillon in die vordere Linie. Kampfführung und Übersicht über die Truppe waren durch den Wald erheblich erschwert. Bei I./17. fiel hier bei einem Erkundungsgang der vielfach bewährte Feldwebelleutnant Greif, der erst am Morgen aus Urlaub eingetroffen war und die 1. Kompanie übernommen hatte. Mit Greif, der dem Regiment seit drei Jahren angehört hatte, verlor das Regiment wieder einen der immer weniger werdenden alten Kompanieführer; er sollte die von ihm sehnlichst erwartete Beförderung zum Leutnant der Landwehr, die wegen Tapferkeit vor dem Feinde wenige Tage später erfolgte, nicht mehr erleben. Die Feuertätigkeit des Feindes steigerte sich in den folgenden Tagen immer mehr.“

Man begrub Johann Baptist Stettner auf dem Soldatenfriedhof Belleau in Block 1, Grab 537.

Sterbebild von Johann Baptist Stettner
Rückseite des Sterbebildes von Johann Baptist Stettner

Die Männer des Ersten Weltkriegs – Teil 2.457: Johann Plenk

Der Soldat Johann Plenk stammte aus Wiesen, einem Ortsteil der bayerischen Gemeinde Ruhpolding. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er in der 10. Kompanie des 1. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiment. Am am 06.09.1916 wurde er schwer verwundet und verstarb am 07.09.1916 im Alter von 32 Jahren an der Aisne.

Man begrub Johann Plenk auf dem Soldatenfriedhof Maissemy in einem Massengrab.

Seine Heimatgemeinde Ruhrpolding gedenkt Johann Plenk noch heute auf einem Denkmal: http://www.denkmalprojekt.org/dkm_deutschland/ruhpolding_1870-71_wk1u2_bay.htm

Sterbebild von Johann Plenk
Rückseite des Sterbebildes von Johann Plenk

Die Männer des Ersten Weltkriegs – Teil 2.456: Georg Seitz

Der Soldat Georg Seitz wurde am 03.03.1898 in Dietenhausen geboren, einem Ortsteil der bayerischen Gemeinde Odelzhausen, und war der Sohn eines Gutsbesitzers. Im Ersten Weltkrieg diente er in der 1. Kompanie des 10. bayerischen Infanterie-Regiments. Er wurde mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet. Am 18.10.1918 wurde er im Alter von 20 Jahren während der Kämpfe vor und in der Hermannstellung beim Gefecht bei Aisonville-et-Bernoville durch einen Infanterieschuss schwer verwundet, geriet laut Regimentsgeschichte in französische Kriegsgefangenschaft und verstarb auf dem Transport nach Staint-Quentin. Sein Tod traf seine Eltern 10 Tage, nachdem seinen Bruder Martin gefallen war.

Über den Todestag und die Todesumstände von Georg Seitz berichtet die Regimentsgeschichte des 10. bayerischen Infanterie-Regiments:

„18.10. Am 18. Oktober nach 1 Uhr morgens wurde vom Regiment der Befehl für die Zurücknahme des rechten Flügels der Division gegeben. Diese Maßnahme wurde wegen der Lage beim rechten Nachbar notwendig, nachdem der Gegner am 17. abends noch in den Besitz von Bernoville gesetzt hatte. Ein für 18. morgens angesetzter Gegenangriff der 18. Infanterie-Division unterblieb.

Die neue Linie verlief vom Nordrand von Aisonville, wo sie zurückgebogen wurde, über den Westrand von Aisonville südlich weiter mit Front gegen Bernoville zur rechten Regimentsgrenze, diese entlang bis zum linken Flügel der rechten Kompanie in der Hauptwiderstandslinie und dann in dem bisherigen Teil der Hauptwiderstandslinie weiter. Der rechte Teil der neuen Hauptwiderstandslinie wurde somit Hinterhangstellung.

In den neuen Teil der Hauptwiderstandslinie wurde sofort eine Kompanie des B.B. (9./10.) vorgeschoben, die sich flüchtig eingrub und Postierungen und leichte Maschiengewehre in die bisherige Hauptwiderstandslinie und das Vorfeld vorschob. Die 3. Kompanie sollte als Nahtkompanie zum B.B. kommen. Es wurde schon Tag, bevor die Verschiebung vollkommen durchgeführt werden konnte. Auch den Anschluss mit dem rechten Nachbarn (Infanterie-Regiment 31) herzustellen, gelang nicht mehr.

Um 6 Uhr morgens setzte auf der ganzen Front französisches Trommelfeuer ein. Unmittelbar darauf griffen die Franzosen mit mehreren Kompanien im Regimentsabschnitt an. Der Angriff wurde durch das mit Leuchtzeichen angeforderte Sperrfeuer der Artillerie und durch Maschinengewehr-Feuer vor der Hauptwiderstandslinie abgewiesen. Besonders bewährte sich dabei wieder die schweren Maschinengewehre. Der Zug Immer der 1. Maschinengewehr-Kompanie meldete u. a. „Um 6 Uhr morgens griffen die Franzosen an. Sie kommen in Reihe rechts zu uns, ein feines Ziel!“

Um 7.30 Uhr vormittags flaute das feindliche Artilleriefeuer ab.

Die 12. Kompanie war während des feindlichen Feuers zum Kampftaktischen Kommandanten vorgezogen worden. Die 11. war auf den Platz der 12. gerückt und hatte die Sicherung nach rechts übernommen; die 3. war noch nicht an ihrem Platze an der Naht eingetroffen.

Der Kampftaktischekommandanten-Zug war am Morgen auf drei Geschütze verstärkt worden.

Allmählich machte sich rechts stärkerer feindlicher Druck bemerkbar. Den Franzosen war es nämlich bei dem Frühangriff gelungen, von Bernoville aus Aisonville zu nehmen. Der Kampftaktische Kommandant ließ Maschinengewehr- und Minenwerfer-Feuer auf den Südrand von Aisonville abgeben, sobald er dessen Besetzung durch die Franzosen erkannt hatte.

Rechts bei der 18. Infanterie-Division war die Lage um 10 Uhr folgende: An das R.B. des Regiments schloss mit einer kleinen Lücke I./31. mit Front gegen Südostrand von Bernoville an, an I./31. die 5./10., die von dem östlich Aisonville in einer Mulde zum Schutz der rechten Flanke der Division bereitgestellten II./10. zum Ausfüllen einer Lücke vorgeschoben war, die zwischen I./31. und dem rechts davon eingesetzten III./31. entstanden war. III./31. hatte Front gegen Aisonville; an III./31. schloss Infanterie-Regiment 85, an dieses Infanterie-Regiment 86 an.

In der Nähe der 11./10., die auch an der Naht sicherte, stand ein beim Nachbarregiment (Infanterie-Regiment 31) eingesetzter Tankabwehrzug, zwei 9 cm Geschütze der 7./sächsisches-Feldartillerie-Regiment 28, der von jeglicher Verbindung abgeschnitten, noch vorne geblieben war. An diese Geschütze hatten sich einzelne französische Sturmtrupps aus Aisonville und Bernoville heraus auf fast 200 m herangearbeitet und sie mit ihren Maschinengewehren beschossen. Den Sachsen war es gelungen, das eine Geschütz rechtzeitig aus der Deckung herauszuziehen und das Feuer gegen die feindlichen Maschinengewehre aufzunehmen, so dass diese sofort verstummten. Diesen Augenblick wollte die Bedienung des anderen Geschützes benützen, um es feuerbereit zu machen. Aber die sechs Mann konnten das Geschütz aus seiner Deckung, einem tiefen Loche, nicht herausbringen. Zudem nahmen die Franzosen jetzt wieder ihr Maschinengewehr-Feuer auf. Das eine Geschütz begann sofort wieder zu feuern, während der Zugführer gleichzeitig den Führer der benachbarten Kompanie (11./10.), Oberleutnant der Reserve Truckenbrod, dringend um Unterstützung anging.

Dieser Entsandte einen Zug, dessen Führung freiwillig Leutnant Bengl der 11. Kompanie übernahm. Der junge Offizier führte unter geschickter Ausnützung des Geländes den Zug in eine kleine Mulde an die beiden Geschütze heran, ließ sofort ein leichtes Maschinengewehr auf die Franzosen feuern und zog mit den anderen Leuten das Geschütz aus der Deckung heraus; dieses nahm sofort das Feuer auf. Sodann trug er mit seinen wackeren Leuten persönlich Munition heran.

Das Feuer der beiden Geschütze hatte zur Folge, dass die Franzosen sich eiligst an die Ortsränder zurückzogen. Dort sammelten sie und wollten von neuem in Sturmtrupps wieder vorbrechen. Aber unter dem direkten Schuss der beiden Geschütze erlitten sie, wo sie sich zeigten, solche Verluste, dass sie ihre Angriffsabsichten völlig aufgaben. So hatte Leutnant Bengl, der sich schon am 20.08.1918 beim Gegenstoß der 5./10. unter Leutnant Lanz ausgezeichnet hatte, durch sein entschlossenes, schneidiges Eingreifen eine schwere Gefahr von dem rechten Flügel der Division abzuwenden verstanden. Er war von zwei braven, unerschrockenen Unteroffizieren der 11./10. besonders bei seinem Beginnen unterstützt worden, dem Vizefeldwebel der Landwehr Walter und Sergant der Landwehr Behringer.

Gegen Mittag gelang es, die beiden Geschütze unbeschädigt zurückzubringen.

Um 11.15 Uhr vormittags erging vom Regiment folgender Regimentsbefehl:

„II./10. sichert den Regimentsabschnitt gegen den Südausgang von Aisonville in seiner jetzigen Stellung; hierzu sind auch die Nahtkompanien und die Regimentsreserve zu verwenden. Führung über die gesamte Sicherung: Major Heinzmann.

I./10. hält seine Stellung so lange als möglich. Wird durch ein weiteres zurückgehen des rechten Nachbars die Stellung unhaltbar, so schließt sich I./10. dem Zurückgehen an und bezieht erneut Stellung an der Straße Aisonville – Tremont-Ferme.

Als rückwärtige Sicherung rückt III./13. in die Mulde nordwestlich Badencourt“.

Dieser Befehl traf nach 12 Uhr mittags bei den Bataillonen ein. Der Gegner hatte vor dem Regimentsabschnitt keinen Angriff mehr unternommen. Aber bei den rechts anschließenden Divisionen drängte der Franzose teilweise auch mit Einsatz von Tanks derartig nach, dass die Lage immer unhaltbarer wurde.

Nach 1 Uhr nachmittags gab das Regiment den inzwischen eingetroffenen Divisionsbefehl zur Rückzug in die Hermann II Stellung weiter. Die 6. Infanterie-Division sollte sich dem um 3 Uhr nachmittags von Bernoville aus beginnenden Abzug der 18. Infanterie-Division vom rechten Flügel aus anschließen. Dem 10. Infanterie-Regiment wurde zum Zurückgehen über die Oise die Brücke zwischen Grand-Berly und Badencourt zugeweisen; die Straße Grand-Berly – Lesquielles durfte vom 10. Infanterie-Regiment nicht benützt werden.

Mit dem Abbauen, das in kleineren Trupps, möglichst der Sicht des Feindes entzogen, unter Ausnützung der Mulden vor sich gehen sollte, hatte III./10. zu beginnen, diesem I./10. zu folgen. II./10. hatte den Rückzug zu decken. Geräte und Munition waren nach Tunlichkeit zurückzuschaffen. Für den Fall eines feindlichen Angriffs während des Zurückgehens waren von den Bataillonen zur Deckung des Abzuges Nachhuten mit schweren Maschinengewehren auszuscheiden, die von Abschnitt zu Abschnitt ausweichen sollten.

III./13. wurde von der Division in eine Aufnahmestellung östlich des Oise-Cambre-Kanals von der Nordgrenze der Division bis zur Straße Grand-Berly – Lesquilles befohlen. Die zurückgehenden Teile des Regiments sollten durch die Kanalbesatzung durchgezogen werden und in den Waldstücken der Mulde südlich Tupigny sammeln, und zwar III./10. im nordöstlichsten Waldstück an der Abschnittsgrenze, II./10. in dem südlichsten Waldstück, I./10. im mittleren Waldstück.

Der Regimentsstab verblieb zunächst in Grand-Berly und ging dann an die Straße Tupigny – Lesquilles zurück.

Der Rückzugsbefehl erreichte K. B. (I/10.) um 2.10 Uhr nachmittags. Um 2.15 Uhr erhielt er der Kampftaktische Kommandant die Mitteilung vom rechten Nachbar Kampftaktischen Kommandant (I./31), dass er mit dem Rückzug begonnen hätte.

Der Kampftaktische Kommandant gab so schnell wie möglich seinen Kompanien und Minenwerfern den Befehl zum sofortigen Rückzug, bestimmte 2./10. (die linke Flügelkompanie) und die 1. Maschinengewehr-Kompanie als Nachhut und entließ die 12./10. zu ihrem Bataillon. Erst gegen  4 Uhr nachmittags verließ er mit Teilen der 9./10. seine Befehlsstelle.

Wie sich später herausstellte, hatten die beiden rechten Kompanien des K.B., 9. und 1. Kompanie, den Befehl zum Rückzug nicht mehr rechtzeitig genug erhalten und waren zum größten Teile von den infolge des Abzugs der rechten Nachbardivision scharf nachdrängenden Franzosen von rechts her abgeschnitten und gefangen genommen worden.

Beim III./10. konnte sich der Rückzug ohne besondere Schwierigkeiten vollziehen, während das II./10. infolge des äußerst starken Nachdrängens der Franzosen hinter der 18. Infanterie-Division seinen Auftrag, den Abzug des Regiments zu decken, nicht mehr ganz durchführen konnte.

Die 5. Kompanie (Lanz), verstärkt durch den schweren Maschinengewehr-Zug Keitsch, welche um 11 Uhr vormittags bereits weiter vorgeschoben war, um gegen Aisonville abzuriegeln, blieb auf eigene Faust noch länger in der Stellung und hielt den von da vordringenden Gegner durch ihr Feuer auf. Zwei verlassene Tankgeschütze, die unmittelbar vor ihrer Linie standen, sollten kurz nach 3 Uhr von ihrer Bespannung abgeholt werden. Da aber die Geschütze tief eingegraben waren, zogen sie einige Freiwillige der Kompanien (darunter Unteroffizier Kaiser) trotz feindlichen Maschinengewehr-Feuers heraus und protzten sie auf.

Zwischen 5 Uhr und 6 Uhr nachmittags überschritten die Bataillone des Regiments die Oise, zwischen 6 Uhr und 7 Uhr trafen sie an den befohlenen Sammelplätzen südlich Tupigny ein.

Obwohl der Rückzug am Tage angesichts des Gegners über zum Teil sehr schwieriges Gelände hatte ausgeführt werden müssen, hatte das Regiment bei dieser Bewegung so gut wie keine blutigen Verluste erlitten. Das kam davon her, weil die französische Artillerie sich offenbar schon bei dem Trommelfeuer am Morgen verschossen und noch keine frische Munition hatte heranschaffen können. Die französische Infanterie unterließ es, durch Maschinengewehr- und Gewehrfeuer den Rückzug zu stören.

Nach dem um 3.45 nachmittags ausgegebenen Brigadebefehl hielt die Division bis auf weiteres die Kanalstellung (Oise-Cambre-Kanal), rechter Flügel die bisherige Divisionsgrenze südlich Tupigny, linker Flügel am Nordausgang von Proix. R. 1 mit linkem Flügel etwa 50 Meter südlich der Straße Le Grand-Berly – Lesquilles: 10. Infanterie-Regiment, R. II: 6. Infanterie-Regiment, R. III.: 13. Infanterie-Regiment.

Vom 10. Infanterie-Regiment wurde das II. Bataillon R.B. und löste das III./13. in der Kanalstellung ab, die entscheidend zu halten war. II./10. wurde B.B. in der Gegend der Waldstücke südlich Tupigny, I./10. R.B. in dem Grund südwestlich Moulin Iron (nordwestlich Iron). Regimentsstab in Moulin Iron; Brigadestab in Ferme Wollines östlich Dorengt.

Die schweren Maschinengewehre wurden teils zur Bestreichung der Kanal- und Oise-Niederung, teils auf den Höhen zwischen der Niederung und der Artillerieschutzstellung (diese verlief Westrand Boué – Waldrand Les Quilles – Couvron Ferme – Jonqueuse-Ferme), die Minenwerfer und Tankgewehre teilweise zur Bestreichung der Brücken, hauptsächlich rückwärts auf den Höhen eingebaut.

Die Zerstörung der Brücken über die Oise und den Kanal vor der Front der Division durch die Pioniere wurde nach Übergang der Nachhuten angeordnet; die Laufstege sollten von der Infanterie besetigt werden.

Die Franzosen trafen mit ihren Vortruppen noch im Laufe der Nacht (11.30 Uhr abends) vor dem Oise-Sambre-Kanal ein. Die Nacht verlief ohne besondere Ereignisse.

Die Kampfzone wurde von der feindlichen Artillerie etwas abgestreut, dagegen wurde die Ortschaft Iron sehr stark beschossen, sodass die dort untergebrachte Gefechtsbagagen weiter rückwärts in die Gegend nordöstlich Neuville verschoben werden musste.“

Man begrub Georg Seitz auf dem Soldatenfriedhof St.-Quentin in Block 9, Grab 370.

Sterbebild von Georg Seitz
Rückseite des Sterbebildes von Georg Seitz

Sonderbeitrag: Kurt Stephan

Der Soldat Kurt Stephan wurde am 09.05.1887 in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Landsturmmann in der 8. Kompanie des 74. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 04.08.1915 wurde er bei der Erstürmung des Lingekopfes nördlich der Stadt Münster (französisch: Munster, elsässisch: Menschter) zunächst verwundet und gilt seit dem als vermisst. Kurt Stephan wurde 28  Jahre alt.

Über den Todestag und die Todesumstände von Josef Eschenbüscher berichtet die Regimentsgeschichte des 74. Reserve-Infanterie-Regiments:

„Erstürmung des Lingekopfes

4. August 1915

Der größte Teil des ganzen Abschnitts, den wir jetzt besetzt halten, ist nur eine Notstellung. Ursprünglich waren die deutschen Gräben oben auf dem Kamm des Lingekopfes. Aber der Franzmann hat sie im Juli unseren Truppen weggenommen, ja er war teilweise noch darüber hinaus vorgedrungen. Ein späterer Gegenangriff hatte ihn aber wieder bis auf den Gipfel zurückgeworfen.

Hier liegt es nun in naher Entfernung über uns – wörtlich zu nehmen! Denn der Berg hat etwa 30 Grad Steigung! Das ist natürlich auf Dauer ein unhaltbarer Zustand. Er muss beseitigt werden, koste es was es wolle. Division, Brigade und Regiment haben schon fieberhaft vorgearbeitet. Bis ins einzelne ist alles erwogen. Heute soll der Lingekopf zurück in deutschen Besitz!

3. August spätabends Fernspruch. Die Bataillonskommandeure und einige andere Offiziere werden zum Regimentsgefechtsstand gerufen. Oberstleutnant von Bieberstein erteilt mit knappen, klaren Worten den Befehl: „Morgen abend um 6 Uhr greift das Regiment, in drei Sturmkolonnen geteilt, die Stellung des Gegners an und nimmt die alten deutschen Gräben. Die linke Sturmkolonne führt Hauptmann Settmaier, die mittlere Hauptmann Bowien, die rechte Leutnant Heweker“. Übersichtliche Skizzen werden ausgeteilt. Noch eine kurze Besprechung, Erklärung der Unterstützung durch Artillerie und Minenwerfer. Dann: „Hat einer der Herren noch eine Frage?“ Nein? Auf Wiedersehen!“ – Auf Wiedersehen!“ Jeder strebt seiner Behausung zu, den Kopf voll von Gedanken, wie man wohl dem Franzmann am besten beikommt.

Zögernd dämmert der Morgen des 4. August herauf. Die Kompanieführer rufen ihre Zugführer zu sich in den Unterstand, machen sie mit dem Befehl und den Einzelheiten des Sturmes bekannt.

Als Angriffstruppen sollen am rechten Flügel die 3. und 4., in der Mitte die 7. und 8. und links die 11. und 12. Kompanie in vorderer Linie verwendet werden.

Stellung am Lingekopf am 5. August 1915 nach dem Sturm

Jeder Sturmkolonne werden ⅔ Zug Pioniere, ein Fernsprechtrupp und eine Artilleriebeobachter mit Kabel zugeteilt. Außerdem erhalten die beiden Abteilungen auf dem rechten und linken Flügel je ein schweres Maschinengewehr.

Die Zeiteinteilung für den Sturm ist folgende:

10 Uhr – 12.45 Uhr Einschießen der Artillerie

12.50 Uhr – 1 Uhr Pause

1 Uhr – 3.30 Uhr Artilleriefeuer mittlerer Stärke

3.30 Uhr – 3.40 Uhr Artillerie-Feuerpause, Maschinengeweher-Feuer von den benachbarten Bergen Eichenrain und Schratzmännle

3.40 Uhr – 4.20 Uhr Artilleriefeuer

4.20 Uhr – 4.30 Uhr völlige Pause

4.30 Uhr – 5.10 Uhr Artilleriefeuer

5.10 Uhr – 5.20 Uhr Artillerie-Feuerpause, Maschinengewehr-Feuer vom Eichenrain und Schratzmännle

5.20 Uhr – 6 Uhr höchste Steigerung des Artilleriefeuers

6 Uhr Infanteriesturm und Vorverlegen des Artilleriefeuers

Der Ernst und die Schwere der Aufgabe, die zu lösen ist, steht jedem auf dem Gesicht geschrieben. Die Kuppe des Lingekopfes hat ja nach dem ersten Verlust schon mehrfach den Besitzer gewechselt. Wiederholt sind deutsche Truppen gegen diese starke Begbefestigung todesmutig angerannt, immer wieder ist sie in die Hand der Feinde zurückgefallen. Nun sollen Niedersachsen sich endgültig in den Besitz des Berges setzen.

Aber bei Einsicht in die sorgsame Vorbereitung dieses Angriffs muss einem das Herz leicht werden. und so ist es auch. Keiner zweifelt mehr an dem Erfolg des Unternehmens. Auch unsere Leute nehmen den Befehl ruhig und gefasst auf. Den Ernst der Lage erkennt jeder, jeder weiß auch, dass es Opfer kosten wird. Aber nirgends eine Spur von Niedergeschlagenheit!. Nur eines behagt der am rechten Flügel liegenden 3. Kompanie niecht: In dem Angriffsplan ist nicht erwähnt, ob das vor ihrer Stellung liegende französische Blockhaus gestürmt werden soll. Es heißt nur, dass die 3. Kompanie die Flankensicherung übernehmen und der 4. Kompanie folgen soll. Leutnant Presler eilt rasch zum Bataillon und erhält die Erlaubnis für die Erstürmung des Blockhauses. Leutnant Conrad soll dabei mit einem Maschinengewehr helfen. Nach dieser wertvollen Ergänzung des Angriffsplanes ist alles klipp und klar. In unserem Tatendrang ist uns der Besitz des Berges schon so gut wie sicher.

Auch außerhalb der Sturmkolonnen wird Klarheit geschaffen. Handgranatentrupps werden ausgesondert, den Zügen in 1., 2. und 3. Linie ihre Stellung angewiesen. Die Reservekompanien erhalten die nötigen Befehle. Munition und Handgranaten werden ergänzt. Kurz, es wird alles bis ins kleinste vorbereitet.

Um 9 Uhr morgens werden unsere vordersten Gräben unauffällig geräumt. Nur einige Beobachtungsposten bleiben vorne. Genügend Freiwillige haben sich zu diesem gefährlichen Dienst gemeldet.

Plötzlich ein donnerartiges Krachen. Der Berg erzittert. Unsere schweren Minenwerfer haben ihre Arbeit begonnen. Schuss auf Schuss folgt jetzt. Gespannt blicken wir hinauf auf die Höhe. Schlägt so ein Brocken ungefähr richtig ein, dann halten wir nicht mit unserem Beifall zurück. Es rührt sich in uns ein Gefühl der Vergeltungsfreude. Wurscht wider Wurscht. Damals vom Altmattkopf her haben uns die Franzmänner das Leben mit ihren Minen sauer gemacht. Heute sollen sie selber einmal spüren, wie wohl das tut.

Nach einer Stunde, um 10 Uhr, kommt ein neuer Ton in das Konzert. Heulend saust die erste Granate über unsere Köpfe weg in die feindliche Stellung. Die Artillerie schießt sich ein. Eine Batterie nach der andern beginnt das Feuer. Vom kleinkalibrigen Gebirgsgeschütz bis zum 21-cm-Mörser. Auch ein Artilleriebeobachter hat sich vorne bei uns eingefunden. Er sucht Anschluss an seine Zentrale, aber es gelingt ihm nicht.

Dafür steigert sich der Ehrgeiz unserer Artillerie, feindliche Stellung kurz und klein zu hauen. Schon fliegen die Balken und Felsdeckungen eines französischen Unterstandes hoch durch die Luft. Im nächsten Augenblick sitzt auch schon ein 21er in unserem Graben. Fernsprecher her! Aber die Verbindung zur Artillerie klappt immer noch nicht. Also Meldegänger los! Sie hasten den Berg hinab. Einige Posten kommen von vorn zurück: der eigene Graben liegt unter Feuer. Wieder wird an der Artilleriestrippe gebastelt. Vergebens! Kein Schwanz meldet sich.

Inzwischen hauen die Granaten immer kürzer ein. Ein Pioniertrupp, der an der Riegelstellung arbeitet, verliert durch ein Schrapnell 7 Mann. Auch in unsern Reihen fällt hier und dort einer aus. Die Sturmkolonnen müssen weiter zurückgenommen werden. Noch kürzer schlagen die Geschosse ein. Noch mehr zurück die Sturmmannschaften! Bange taucht die Frage auf, ob wir bei der Steilheit des Berges überhaupt frühzeitig genug oben sein können, bevor der Franzmann wieder in seinen Gräben ist.

Endlich ist die Verbindung mit der Artillerie hergestellt. Unsere Meldung über das Zukurzschießen wird aber nicht geglaubt. Die „eigene feindliche Artillerie“, wie sie schnell getauft wird, schießt weiter. Sie räumt zwar gut in der französischen Stellung auf, leistet sich aber immer noch Kurzschüsse, die uns immer neue Verluste zufügen. Bis zum Abend 200 Mann!

Sichtbar belebt wird die Stimmung, als um 1 Uhr mittags das Wirkungsschießen beginnt. Ein Hagel von Geschossen aller Kaliber, vom dumpfen Krachen schwerer Minen unterbrochen, zerschlägt die feindlichen Gräben. Beunruhigt tacken die französischen Maschinengewehre. Die Höhenstellung verschwindet im Rauch und Pulverqualm. Aber immer noch schlägt das unruhige Gewehrgeknatter an unser Ohr. Noch ist der Franzmann nicht mürbe!

Eine wohltuende Abwechslung in das betäubende Krachen der Granaten und Minen bringen mehrere Feuerpausen von 10 Minuten. Dann setzen unsere Maschinengewehre hinter uns ein und fegen mit ihren Garben über unsere Köpfe hinweg. Deutlich hören wir jetzt die angstvollen Schreie der verwundeten Franzosen über uns. Unser Wirkungsschießen muss ja auch fürchterlich da oben gewütet haben.

Aber auch diese Feuerpausen haben für die Franzmänner schreckliche Folgen, wie die mit Leichen angefüllten Gräben später zeigen. Mit dem auf die Minute festgesetzten Abbrechen unseres Artilleriefeuers glauben nämlich die Franzosen, dass nun unser Angriff beginnt. Sie stürzen aus ihrer Reservestellung nach vorne und stehen schussbereit da. Gespannt warten sie auf die ersten Ziele, die sich zeigen – warten und warten – da haut auch schon wieder nach der Feuerpause die erste schwere Granat mitten unter sie und vernichtet alles.

Von 5.15 Uhr ab erhöht sich die Feuergeschwindigkeit unserer Artillerie. Ein Orkan von Eisen und Stahl fegt durch die Luft. Baumstämme stürzen mit dumpfen Aufschlag, Felsen bersten krachend und überschütten uns mit einem Steinhagel.

Aber je toller es zugeht, desto mehr steigert sich unsere Angriffslust. Der Zeitpunkt für das Hervorbrechen kann kaum abgewartet werden. Bajonette blitzen schon über den Gewehrmündungen, im Sturmgepäck steht Mann an Mann an den Ausfallstufen.

Schlag 6 Uhr springen die Zugführer aus den Gräben, gefolgt von ihren tapferen Mannschaften. Jetzt alles heran an den Feind, auch die Reserven. Handgranatentrupps vor! Kein Gewehrschuss darf fallen, bevor wir nicht oben sind. In keuchender Eile geht es den Berg hinauf. Schon im eigenen Drahtverhau ganz am rechten Flügel fällt als erster des Sturmes Leutnant Kruse von der 3. Kompanie. Eine wohlgezielte Infanteriekugel hat ihn zu Tode getroffen. Handgranaten- und Maschinengewehr-Feuer aus dem Blockhaus empfängt die Stürmenden.

Über alles kann den ungestümen Schwung von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften nicht mehr schwächen. Schon künden die ersten Detonationen von Handgranaten, dass die Kuppe erreicht ist. Am rechten Flügel stürmen mit hocherhobenem Stock und die Pistole in der linken Leutnant Presler und Zizefeldwebel Krüger ihren Kameraden voraus. Bald sind sie am Blockhaus. Leutnant Presler steht eben aufrecht davor. Da läuft ein Alpenjäger mit dem Bajonett auf ihn los. Er wehrt den Angreifer mit dem Stock ab. Jetzt sind auch schon die ersten von der Gruppe da. „Packt ihn!“ Sie stürzen sich auf den Alpenjäger. Der wirft aber das Gewehr fort. In wütendem Nahkampf werden die Reste der Besatzung den Berg hinabgeworfen. Wer sich von den Alpenjägern noch wehrt, wird niedergemacht oder gefangengenommen.

Unweit davon stürmt mit seltenem Schneid ein anderer Trupp in die feindliche Stellung. Leutnant Warnecke ist es von der 4. Kompanie an der Spitze seines aus lauter Freiwilligen bestehenden Handgranatentrupps. Mit lautem Hurra werden die Gräben genommen.

Unteroffizier Götze (1. Kompanie) ist einer der ersten und geht der Besatzung mit bekannter Furchtlosigkeit zu Leibe. Vier Offiziere und über 20 Mann werden zu Gefangenen gemacht.

Unteroffizier Schnelle steht ihm als Führer eines weiteren Freiwilligentrupps an heroischer Tapferkeit nichts nach. Als er den zweiten feindlichen Graben noch besetzt findet, geht er mit blanker Waffe vor, springt als erster mitten unter die verdutzten Franzosen und räumt nun mit Hilfe seiner braven Leute gründlich auf. Da stürmt ihm mit aufgepflanztem Bajonett Verstärkung entgegen. Kaltblütig lässt er sie herankommen und erledigt sie im Nahkampf. Schnelle hält mit wenigen Leuten seinen Graben gegen vielfache Übermacht. Dabei findet der heldenhafte Gefreite Bakemeyer den Tod durch Handgranate.

Soweit das Auge reicht, rechts und links, überall ist der Nahkampf entbrannt. Wir wissen kaum, wie wir hinaufgekommen sind, aber wir sind oben. Schrapnells krepieren über, Handgranaten neben uns. Wir stehen im erstickenden Pulverdampf. Gesichter tauchen auf aus dem Dunst. Hier auf einem Felsblock der Kompanieführer der 3., Leutnant Heweker. Mit bombiger Ruhe leitet er durch Zeichen den Sturm. Im nächsten Augenblick hüllt ihn wieder eine Dampfwolke ein. und wie die Leute kämpfen! Jeder einzelne! Ein Bild für einen Schlachtenmaler!

Fast überall wehrt sich der Franzmann tapfer. Wenn man bedenkt, dass er viele Stunden im zermürbenden Wirkungsfeuer gestanden hat, so können wir heute seiner Zähigkeit und seinem Mut nur Achtung zollen. Mitten im Kampf versucht er seine Maschinengewehre in Tätigkeit zu setzen. Aber umsonst. Er wird von unseren wütenden Leuten einfach überrannt. Das Gewehr spielt jetzt keine Rolle mehr. Sie gehen ihm mit Handgranaten zu Leibe. Als der Vorrat zu Ende geht, nehmen sie Felsstücke. Dicke Steine fliegen in hohem Bogen hinter den Flüchtenden her. Derbe, für den Franzmann wenig schmeichelhafte Kraftworte begleiten sie.

Da! Ein Lager französische Handgranaten. Irgendeiner hat es entdeckt. Ein Alpenjäger wird geschnappt, der muss schnell Unterricht erteilen. In der nächsten Minute schon sausen die kleinen Dinger den Berg hinunter, mitten unter die feindlichen Wellen, die im Gegenstoß nach oben drängen. Gerade noch rechtzeitig kommt von rückwärts ein neuer Vorrat an Handgranaten. Wum … Wum … Wum … Krachend bersten sie und reißen blutige Lücken. Der Angreifer gibt für diesmal auf. Hinter Feldblöcken Schutz suchend springt er wieder zurück.

Derweilen wird aus dem Blockhaus schon das erste Maschinengewehr als Beute herausgetragen. In heller Begeisterung springt der junge Vizefeldwebel Krüger, ungeachtet der feindlichen Geschosse, oben auf einen freisthenden Felsblock, schwenkt die Mütze und stimmt das Lied „Deutschland, Deutschland über alles“ an. Wie ein Sturmgesang braust es durch die Reihen der Lingekopferoberer „über alles, über alles in der Welt!“

Leutnant Conrad hat inzwischen sein Maschinengewehr unter unsäglichen Schwierigkeiten und Gefahren an einer vorspringenden Bergnase in Stellung gebracht und feuert mit eiserner Ruhe in die abziehenden Reihen der Alpenjäger. Sein Ziel ist lohnend, denn schon setzen ganze Trupps von Franzosen dicht unter ihm zum Gegenstoß an. Er schießt sie alle, ehe sie sich richtig entwickeln können, mit staunenswerter Sicherheit zusammen. Ein Bild eigener Größe, wie er seinen tapferen Leuten, den Kugeln preisgebend, auf einem freien, erhöhten Fels liegt und ins Tal hinunterfeuert.

Doch plötzlich verstummt sein Gewehr. Von einem Querschläger in die Schulter getroffen, sinkt der tapfere Offizier blutüberströmt hinter seiner Waffe zusammen. Während er verbunden wird, hat schon ein anderer das Gewehr ergriffen und feuert in den Berg heraufkommender Reihen. Zu Tode getroffen sinkt auch dieser Brave in die Kniee. Ein dritter wagt es, die Handgriffe zu nehmen und auf den Abzugshebel zu drücken. Nur wenige Kugeln sind heraus, da schweigt sein tack-Tack wie abgerissen. Eine Kugel in den Bauch hat den Tapferen hingerafft. Sekunden nur, da liegt der vierte ohne Zaudern an den Griffen und mäht den Hang hinunter, bis auch dieser nach wenigen Augenblicken verwundet heruntergetragen wird.

Das Mschinengewehr muss aus allernächster Nähe Flankenfeuer bekommen. Das ist den wenigen Überlebenden klar. Und wirklich! Als einige Leute sich kriechend an den Bergvorsprung der rechten Flanke heranpirschen, gewahren sie nur 15 Meter unter sich hinter einem Felsen einen einzelnen Alpenjäger, wie er in aller Gemütsruhe sein Gewehr lädt und gerade anlegen will. Im Nu kracht ein Hagel von Handgranaten zu ihm hinunter und macht ihn unschädlich. Ganz allein hatte sich dieser verwegene Bursche dort gehalten und unsere gesamte Maschinengewehr-Besatzung auf kurze Entfernung abgeknallt.

Gott sei Dank ist diese Gefahr nun endgültig beseitigt. Die vordere Linie links vom blockhaus ist unter Führung des Unteroffizier Bünnemeyer eifrig dabei, Sandsäcke zu füllen und die eingenommene Stellung zu beseitigen. Reserven schieben sich ein und füllen die Lücke. Es ist aber auch höchste Zeit! Denn ganze Gruppen von Alpenjägern drängen hinter Felsblöcken und Baumstümpfen aufwärts. Sie wollen mit aller Gewalt wieder die Kuppe haben. Aber Handgranate auf Handgranate fliegen ihnen vor die Füße, so dass keiner von ihnen an die von Bünnemeyer verteidigte Linie herankommt. Fest ist sie in der Hand der Unsrigen.

Unvergessen bleibt die tatkräftige Unterstützung der 9. Kompanie, die am 4. August zusammen mit dem I. Bataillon eingesetzt wurde. Auch sie hat großen Anteil an den erfolgen der Sturmabteilung Heweker. Im Verbande dieser Abteilung dringen Teile der 9. Kompanie unter Führung des bei diesem Sturm gefallenen Offizierstellvertreter Eschenbüscher bis über den zweiten feindlichen Graben vor. Der Gefreite Recksieck bemächtigt sich eines französischen Maschinengewehrs und macht erst vor dem dritten feindlichen Graben halt.

Was nun geschieht, schildert uns Kamerad Schwarting in lebendigen Worten:

„Auf der granatenzerstampften Kuppe liegen die Sieger in fieberhafter Tätigkeit. Sandsäcke werden in ununterbrochener Kette von unten heraufgelangt und am Rande der Kuppe aufgebaut. Auf dem Leibe kriechend, schiebt jeder die Verteidigungslinie so weit hinaus, wie es eben geht. Zerschossene Baumstämme werden zur Befestigung zwischen die Sandsäcke gelegt. Dann werden die Stahlschilde mit den Schießscharten eingebaut. Von Minute zu Minute wird der Verteidigungsdamm höher und fester. Schon kann der Mann in seinem Schutze dahinter knien, bald steht er aufrecht und späht durch die Scharten den Hang hinunter, wo hinter Felsen noch Feinde kauern und Schuss auf Schuss gegen die entstehende Brustwehr senden. Aber sie müssen zurück, Schritt für Schritt; denn während bei uns die einen bauen, schleudern andere Handgranaten, die mit furchtbarem Getöse explodieren und Schrecken und Verwüstung verbreiten.“

Die Beute des I. Bataillons ist groß. Allein vier Offiziere, ein Arzt und ca. fünfzig unverletzte Alpenjäger werden an Gefangenen gezählt. Eine große Anzahl tote und schwerverwundete Franzosen bedecken den Kampfplatz. Zwei Maschinengewehre mit viel Munition, Hunderte von Handgranaten, zwei Fernsprechapparate (aus dem Blockhaus) und wertvolles Feldbefestigungsmaterial ist in unsere Hände gefallen. Die eigenen Verluste betragen 1 Offizier, 7 Unteroffiziere, 28 Mann tot; 1 Offizier, 18 Unteroffiziere, 103 Mann verwundet.

Die Sturmkolonne des II. Bataillons war von gleichem Angriffsgeist beseelt. Als erster verlässt Hauptmann Bowien um 6.10 Uhr den Graben und geht mit seiner Abteilung mit großem Schnei vor. Da schlägt ein Volltreffer in die 7. Kompanie. Das Hurra erstirbt auf den Lippen. Elf Mann tot! Schon scheint die Sturmkolonne an dieser Stelle zu schwanken, da springt Hauptmann Bowien vor und reißt seine Leute mit sich vorwärts. Gewehr- und Handgranatenfeuer prasselt ihnen entgegen. Durch einen Brustschuss schwer getroffen sinkt Hauptmann Bowien zu Boden.

Für seine Leute gibt es jetzt kein Halten mehr. Wütend arbeiten sie sich der Kuppe zu. Der Sturm gelingt der 7. und 8. Kompanie bis über die feindliche Stellung hinaus. Vierzig Franzosen werden zu Gefangenen gemacht. Die Beute beträgt: 1 Maschinengewehr, 300 Gewehre und einige hundert Handgranaten. Erst als die Meldung von dem sicheren Besitz der feindlichen Stellung zu ihm gelangt, lässt sich Hauptmann Bowien mit einem letzten Hoch auf seine 7. Kompanie nunmehr völlig entkräftet zurücktragen. Tags darauf erliegt er in Kolmar seinen Wunden. Mit ihm fielen Leutnant Schleip durch Herzschuss und 16 tapfere Leute. Verwundet wurden Leutnant Sahlmann, Offizierstellvertreter Sommerlatte und 106 Mann.

Allmählich wird das Gefechtsfeld übersichtlich. Der Lingekopf ist unser. Die rechte Sturmkolonne hat zwei Gräben genommen und beherrscht jetzt den jenseitigen Berghang. Auch die mittlere Kolonne hat ihr Ziel erreicht bis auf ein Grabenstück von etwa 100 Meter Breite, das die Franzosen noch zäh verteidigen.

Nur dem linken Flügel war trotz rücksichtslosen Draufgehens kein Erfolg beschieden. Sein Angriffsziel war das sogenannte Franzosennest, das zwischen Lingekopf und Schratzmännle liegt. Eine Befestigungsanlage, die durch Blockhäuser und Sappen stark gesichert ist.

Schon bei der Artillerievorbereitung gehen mehrere Volltreffer schweren Kalibers in die eigenen Gräben, wie überhaupt der ganze linke Flügel am schwersten unter den verhängnisvollen Kurzschüssen zu leiden hat. Heillose Verwirrung entstehnt. Man rennt bald hier, bald dorthin, um sich vor den eigenen Granaten zu schützen. Aber nirgends ist man sicher. Hier steht eine Gruppe der 10. Kompanie angstvoll zusammengepresst. Da…ein einziger Aufschrei! Ein gutes Dutzend blutender Leiber windet sich im schwefeldampfenden Erdreich. Sechs Mann allein tot, darunter der schneidige Unteroffizier Mürrle. Die übrigen schwer verwundet. Verzweifelte Rufe der Nächststehenden. Schon schlägt dicht dabei eine neue Granate ein. Wohin? Wohin? Wut, Angst, Entsetzen spricht aus den Gesichtern.

Kein Wunder, dass die Verbände auseinanderreißen. Die Übersicht geht verloren. An eine Bildung von Sturmgruppen ist jetzt nicht mehr zu denken. Denn die Zeit des Sturmbeginns rückt immer näher. Schnelles Handeln ist nötig, um den Anschluss an den vorgehenden Nachbarn nicht zu verlieren.

Hauptmann Settmaier setzt daher die 12. Kompanie unter seiner Führung frontal ein, während die 11. Kompanie von links flankierend eingreifen soll. Kaum aber haben die ersten Gruppen den Graben verlassen, als ihnen ein wahres Höllenfeuer entgegenschlägt.

Mit dem Degen in der Hand springt Vizefeldwebel Klug von der 11. Kompanie seinem Zuge weit voraus. Als er sich nach einer Atempause zum letzten Vorstoß gegen das Franzosennest anschickt und zum Sprung aufrichtet, sinkt er in die Stirn getroffen lautlos zu Boden. Mächtig setzt sich der Feind zur Wehr. Ungeschwächt empfängt er die Unsrigen mit einer Anzahl von Handgranaten. Bis auf 20 und 30 Meter gelangen die Vorwärtsstürmenden an das Franzosennest heran. Die Verluste mehren sich bedenklich. Besonders fegt französisches Maschinengewehr-Feuer vom Schratzmännle her in die Reihen der Angreifer, die jetzt dicht vor ihrem Ziel liegen.

Es macht den letzten entscheidenden Stoß unmöglich. Ein Verbleiben in dieser Lage ist zwecklos. Nur der Ersatz-Reservist Starke von der 12. Kompanie bleibt in opferbereiter Soldatentreue 15 Meter vor dem feindlichen Drahtverhau bei einem Schwerverwundeten in einem Granatloch liegen, schneidet seinen Mantel in Streifen und bindet seinem verblutenden Kameraden das Bein ab. Später bringt er den so geretteten wohlbehalten in den deutschen Graben zurück.

An anderer Stelle stürmen unsere braven Leute noch weiter und gelangen bis in die feindlichen Gräben. Sie haben mörderische Verluste. Während rechts beim I. und II. Bataillon die Höhenstellung des Feindes gänzlich von Artillerie und Minen zertrümmert waren, ist hier am linken Flügel das stark ausgebaute Franzosennest noch vollständig intakt. Unsere Artillerie hat unter den Kompanien des III. Bataillons fast noch stärker aufgeräumt als oben in dem Felsennest beim Franzmann. Von allen Seiten tacken Gewehre und Maschinengewehre hinter unbeschädigten Grabenwehren und speien ihre todbringenden Geschosse über unsere hinter Felsstücken geduckten Köpfe. Trotzdem kommen einzelne Gruppen Schritt für Schritt, Sprung für Sprung näher heran. Sie wollen doch hinter den Kameraden von rechts nicht zurückstehen. Ein maßloser Ehrgeiz beseelt sie, es den anderen gleich zu tun. Sie wissen nur nicht, dass sie unter bedeutend schwereren Verhältnissen kämpfen.

Jetzt gelingt es dem Reservisten Spör von der 10. Kompanie zusammen mit 2 Kameraden in den feindlichen Graben zu springen. Da steht in nächster Nähe ein feuerndes Maschinengewehr. Wie die Löwen stürzen sie auf die Besatzung, entreißen ihr die furchtbare Waffe. Mit ihnen sind noch andere durch den Kugelregen nach oben gekommen. Schnell versuchen sie sich einzurichten. Aber es ist unmöglich. Sie erhalten vom nahen Schratzmännle aus, der einige Meter höher liegt, ein derartig heftiges Flankenfeuer, dass sie sich nicht halten können. Ganz wenigen nur glückt es, unseren Graben wieder zu erreichen. Darunter auch der Reservist Spör, der allein seine kostbare Beute, das französische Maschinengewehr zurückschleppt.

Wenn der Sturmkolonne Settmaier auch kein greifbarer Erfolg beschieden ist: sie hat sich unter den ungünstigsten Bedingungen heldenhaft geschlagen. Ihre Leistungen sind vollkommen ebenbürtig. Trotz schwerer Verluste versucht sie noch am gleichen Tage, 8.30 Uhr abends mit Unterstützung der 5. Kompanie des bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments 2 einen neuen Sturm auf das Franzosennest. Aber auch dieser scheitert an der Wachsamkeit und zähen Gegenwehr der Alpenjäger. Ohne Zerstörung der feindlichen Blockhäuser muss jedes Anrennen gegen diese kleine Bergfestung zerschellen.

Inzwischen ist auch schon die Nacht hereingebrochen. Das Getöse in den Bergen verhallt. Nur ab und zu platzten dumpf ein paar Handgranaten. Vereinzelte Gewehrschüsse durchschneiden scharf die nächtliche Stille. So bleibt es bis zum frühen Morgen.

Unterdessen wird fieberhaft daran gearbeitet, die eroberten Gräben zur Verteidigung herzurichten und zu verstärken. Sandsäcke werden gefüllt und aufgetürmt, Handgranaten, Stacheldraht, Schutzschilder, Munition nach oben geschleppt. Denn wir rechnen damit, dass der Franzmann alles versuchen wird, die beherrschende Höhe zurückzugewinnen.

Wieder andere gehen einer Beschäftigung nach, die viel trauriger stimmt. In langen Zügen sieht man die Sanitäter talwärts ziehen. Auf Bahren und in Zeltbahnen schleppen sie mühsam die Schwerverwundeten und toten Kameraden den Berg hinab. Unsere Regimentsmusiker helfen dabei tapfer mit, wie sie uns auch Essen und Munition auf die Höhe heraufgebracht haben.

Was sind das hier für Unterstände? Matter Kerzenschimmer dringt heraus. Es ist ein fortwährendes Kommen und Gehen. Die schwankenden Lasten der Krankenträger verschwinden in den schmalen Eingängen. Leer kommen die Leute mit der Roten Kreuzbinde wieder zurück, oder aber sie stützen einen Kameraden, dessen weißer Verband gespenstisch durch die Dunkelheit leuchtet.

Das sind die Verbandstellen des Regiments. In ihnen sehen wir unsere Ärzte Dr. Willms, Dr. Eichwald, Dr. Grenacher und Dr. Cordua mit aufgekrempelten Hemdärmeln und blutigen Kitteln hantieren. Sie leisten die erste Hilfe, geben Tetanusspritzen, verbinden, lindern, sprechen gut zu. Unaufhörlich kommen sie hereingetragen oder herangehumpelt; jeder verlässt erleichtert, gestärkt und aufgemunutert den von frischem Blut geschwängerten Raum. Der Abtransport ist gut organisiert. Sie brauchen nicht lange zu warten, die Verwundeten, dann geht ein neuer Schub nach rückwärts, Wagen nehmen sie auf und bringen sie in saubere Lazarette, wo ein weißes Bett, eine liebevolle Pflege ihrer wartet.“

Offiziell ist die Lage des Grabes von Kurt Stephan unbekannt. Es könnte sein, dass er anonym in einem Massengrab auf dem Soldatenfriedhof Hohrod beigesetzt wurde, wo man auch seine Regimentskameraden begrub, die im gleichen Zeitraum fielen, u. a. Josef Eschenbüscher.

 

In Stellung am Reichsackerkopf – Von rechts nach links: Oberleutnant Engel, Leutnant Haase, Fähnrich Butt, Offiziersstellvertreter Eschenbüscher, Landsturmmann Stephan, Gefreiter Riese

Die Männer des Ersten Weltkriegs – Teil 2.455: Georg Vogler

Der Soldat Georg Vogler stammte aus Unterhaindlfing, einem Ortsteil der bayerischen Gemeinde Wolfersdorf, und war der Sohn eines Landwirts (Gruberbauerssohn). Im Ersten Weltkrieg diente er als Infanterist in der 11. Kompanie des 1. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments. Am 18.02.1916 wurde er bei Blangy im Alter von 21 Jahren durch Verschüttung im Schützengraben getötet. Am 28.02.1916 wurde sein Leichnam ausgegraben.

Man begrub Georg Vogler auf dem Soldatenfriedhof Billy-Montigny in Block 5, Grab 128.

Sterbebild von Georg Vogler
Rückseite des Sterbebildes von Georg Vogler

Sonderbeitrag: Hans Butt

Der Soldat Hans Butt wurde am 07.09.1895 in der niedersächsischen Gemeinde Drochtersen geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Fähnrich und später als Leutnant und Kampanieführer der 9. Kompanie des 74. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 17.04.1917 fiel er im Alter von 21 Jahren während der Doppelschlacht an der Aisne und in der Champagne in Frankreich. Er wurde während der Kämpfe am Winterberg bei Corbeny und Craonne getötet.

Kämpfe am Winterberg 10.04 – 25.05.1917

Über den Todestag und die Todesumstände von Hans Butt berichtet die Regimentsgeschichte des 74. Reserve-Infanterie-Regiments:

„Die Ereignisse dieses schweren Tages vom 16. bis 18. April lassen sich nicht einheitlich schildern, da jede Kompanie verschiedenen Gesetzen, je nach Lage ihres Abschnitts, unterwarfen war. Ein lebenswahres Bild erhalten wir nur dadurch, wenn wir den Berichten von Kampfteilnehmern aus mehreren Kompanien folgen. Als erstes hören wir den Führer der 10. Kompanie, Leutnant Elble:

„“Ich war indessen am ersten Graben angelangt und sprang hinein, gleichzeitig kamen schon die anderen Kompanien hinter mir im Sturmschritt angelaufen. Alles sprang in den Graben und suchte Deckung. Es blieb uns auch gar nichts anderes übrig, denn wir alle waren ja wie auf dem Präsentierteller den feindlichen Maschinengewehren ausgesetzt, ohne dass wir den Feind sehen und ihn bekämpfen konnten. Die Gräben waren nun vollgepfropft mit Menschen. Der Franzmann schickte uns außer den sogenannten „Ratschern“ auch noch schwere Granaten herüber, und es gab wieder Tote und Verwundete, da mehrere Volltreffer in die Gräben einschlugen.

Leutnant Butt, Führer der 9. Kompanie, und ich berieten nun, was zu tun sei. Es war mittlerweile 5.30 Uhr geworden und die Dämmerung sank herab. Da wir hier nicht bleiben konnten, sondern erfahren mussten, ob vor uns Feind oder Freund war, schlossen wir, mit äußerster Vorsicht vorzugehen. Mit entsicherter Pistole in der Hand und begleitet von etwa zehn tapferen und zuverlässigen Gefechtsordonnanzen, gingen Leutnant Butt und ich (ob Leutnant Lütge [Kompanieführer 11.] oder Leutnant Bartels [Kompanieführer 12. Kompanie] auch dabei waren, weiß ich nicht mehr) voran, gefolgt in einigem Abstand von den Kompanien. Als wir ungefähr 100 Meter vorwärtsgeschritten waren, hörten wir plötzlich in kurzer Entfernung Stimmen. Wir blieben stehen und lauschten: es waren gut bayerische Flüche. Also Freund!

Wir gingen weiter und kamen nun zu den diesseits an der Reimser Straße liegenden Truppen. Der Führer der Bayern, ein Hauptmann, bei dem wir uns meldeten, sagte, er habe seinen Augen nicht getraut, als er plötzlich deutsche Truppen in mustergültiger Ordnung wie früher im Manöver über die Höhe habe herabkommen sehen, und es sei ihm furchtbar zu Mute gewesen, wie plötzlich stärkstes feindliches Maschinengewehrfeuer in unsere Reihen hineingefahren sei, ohne dass er etwas dagegen habe tun können. Wir seien sehr willkommen, da nur noch wenige Posten hier vorn ständen und die Franzosen über der Straße drüben lägen.

Wir verteilten nun unsere Leute als Posten für die Nacht. Unter der Reimser Straße waren nur Bretterstollen und Fuchslöcher, die von Bayern besetzt waren, und in denen wir unterkrochen. An Schlaf war nicht zu denken, denn zu jeder Sekunde konnte der feindliche Angriff wieder erneuert werden. Der Feind beschoss die ganze Nacht das Gelände mit leichter und schwerer Artillerie, und mancher unserer braven Leute erlitt hier den Heldentod. In diesen Löchern unter der Reimser Straße war es sehr ungemütlich, sie hatten nur einen Ausgang und boten nur ganz geringe Deckung. Alle Augenblicke schlug eine Granate auf die Straße und drohte, den Stollen einzudrücken.

Mit unserem Bataillon hatten wir auch am 17. Spril morgens noch keine Verbindung. Ich schickte eine Ordonnanz mit einer Meldung über die Lage nach hinten. Um die Mittagszeit ertönte plötzlich von den Posten der Ruf: „Sie greifen an!“ Alles springt sofort an die Böschung der etwas höher gelegenen Reimser Chaussee. und richtig, drüben kommt der Franzmann mit dem blauen Stahlhelm teils in den Laufgräben, teils über freies Feld herangesprungen. Mit den unangenehmen 7,5-mm-Granaten überschüttet die feindliche Artillerie unsere Stellung, um den Angriff zu unterstützen. Mancher unserer tapferen Soldaten fällt oder wird verwundet, u. a. Leutnant Benz, der einen Gewehrschuss durch beide Knie erhält.

Wir können uns um die Toten und Verwundeten zunächst nicht kümmern. Zuerst gilt es den heranstürmenden Feind abzuwehren. Leutnant Butt steht neben mir, hat ein Gewehr in der Hand und schießt ununterbrochen, wie ich auch. Der Feind wirft sich hin und sucht Schutz, da er von uns unter mörderisches Schützen- und Maschinengewehrfeuer genommen wird.

Da bemerken wir, dass durch den Laufgraben auf uns zu 6-8 Franzosen in gebückter Stellung heranschleichen. Wir beide und noch ein paar Mann neben uns springen auf die Reimser Straße, und auf dem Straßenrand kniend werfen wir unsere Handgranaten auf die heranschleichenden Feinde. Plötzlich sehe ich, wie im Laufgraben weiter hinten ein Franzose sein Gewehr gegen uns anschlägt. Ich bücke meinen Oberkörper zu Boden und scheie „runter“ und turne die Böschung herab, um das Gewehr zu holen. Als ich es habe und mich zu Leutnant Butt wende, sehe ich ihn auf der Straße liegen, wie ich vor zwei Sekunden auch lag. Ich schieße nun auf den Franzosen, ob ich ihn traf, weiß ich nicht, jedenfalls war er nach dem Schuss weg.

Als ich Leutnant Butt nun immer noch so regungslos wie vorhin daliegen sehe, rutsche ich, nichts Gutes ahnend, hinüber und drehe ihn herum. Da sehe ich seitlich auf seiner Stirne ein kleines Loch, aus dem Blut tropft. Die Kugel traf ihn durch den Kopf und ließ ihn mitten im Kampfe, den er heldenhaft und siegessicher mit Todesverachtung führte, einen schönen, jungen Soldatentod, den Tod vor dem Feinde sterben. Mir tat das Herz weh. Butt war mir ein lieber Kamerad und bei Vorgesetzten wie Untergebenen allgemein beliebt gewesen. Ich zog ihn von der Straße herunter und bestimmte sechs Leute, die sofort seine Leiche nach hinten bringen mussten. Ein jugendlicher, tapferer, mit hohen Geistesgaben ausgestatteter, echt deutscher Mann und Offizier, so lebt er weiter in unserem Gedächtnis“

Dem damaligen Vizefeldwebel, späteren Leutnant Graßmann verdanken wir folgenden Bericht über die Tätigkeit der 9. Kompanie:

„Im Morgendämmern des ersten Tages nach dem Einrücken in die neue Stellung lag wieder lebhaftes Artilleriefeuer auf den Kampfgräben des Regiments und ließ einen neuen Angriff vermuten. Aber die Posten waren wachsam. Schon nach kruzer Zeit rief ihr Alarm die Besatzung aus den Stollen: „Der Franzmann kommt!“ In dichten Massen kamen die blauen Mäntel auf uns zugelaufen. Sie ahnten wohl nicht, wie sehr die deutschen Linien über Nacht verstärkt worden waren. Stahlhelm an Stahlhelm stand die 9. Kompanie auf den Schützenauftritten ihres Grabens und sah sich hinter der Deckung hervor das Schauspiel an. Noch schwieg ihre Front. Der Befehl von Leutnant Butt: „Noch nicht schießen, erst rankommen lassen“ hielt sie zurück. Dann – auf 40-50 Meter waren die Angreifer herangekommen – das Kommando „Feuer!“ Heraus aus den Gewehren und den zahlreich vorhandenen Maschinengewehren, was heraus ging. Hei, wie die Blauen purzelten! Sie stockten, sie lagen. In wenigen Minuten war der Angriff restlos zusammengebrochen. Was noch lebte im Vorfeld, kroch in die vielen Gräben der alten deutschen Stellung in Deckung.

Bald schwieg das Feuer der Verteidiger, weil sich kein Ziel mehr bot. Aber bei der 9. war man durch den schönen Erfolg in Stimmung gekommen und tatendurstig geworden. Sieh, da springt als erster der Unteroffizier Karl Meyer aus dem Graben heraus, winkt die nächsten vier, fünf Leute seiner Gruppe heran, jeder rafft sich einen Arm voll Handgranaten, und los geht’s zum „Gegenstoß“ im kleinen. Da ist ja gleich vor ihnen so ein alter deutscher Laufgraben. An dem entlang laufen sie vorwärts, der muss mal untersucht werden. Richtig, hinter der nächsten Ecke wimmelts darin von schwarzen Franzosen. Handgranaten hinein, eine Salve und noch eine und noch eine. Weiter! Das kühne Beispiel hat Schule gemacht: überall sieht man kleine Trupps aus den deutschen Gräben hervorbrechen und ins Zwischengelände vorlaufen. Bald aber empfängt sie die französische Gegenwehr, und nun müssen sie Deckung nehmen in dem alten Laufgraben. In diesem kommen sie noch ein Stückchen voran, dann sperrt ihn ein betonierter Maschinengewehr-Stand; die von den Franzosen gehaltene Linie ist erreicht.

Also „Kehrt marsch!“ ungefährdet geht der Rückmarsch vonstatten. Zwei blutjunge Negerlein werden zitternd und schlotternd im Vorgelände aufegefunden und als Gefangene mitgenommen. Willkommene Beute an Lebensmitteln für hungrige Soldatenmägen findet sich auch noch: köstliche Fleischkonserven aus Argentinien u. a. Fröhlich erreichen sie wieder den eigenen Graben, aber trübe Kunde empfängt sie dort. Eben trägt man den allverehrten Kompanieführer Leutnant Butt davon – tot! Ein teurer Preis für einen schönen Sieg!

Man begrub Hans Butt auf dem Soldatenfriedhof Sissonne in Block 9, Grab 195.

In Stotel gedenkt man Hans Butt noch heute auf einem Denkmal: http://www.denkmalprojekt.org/2023/stotel_gem-loxstedt_lkr-cuxhaven_wk1_wk2_ns.html

In Stellung am Reichsackerkopf – Von rechts nach links: Oberleutnant Engel, Leutnant Haase, Fähnrich Butt, Offiziersstellvertreter Eschenbüscher, Landsturmmann Stephan, Gefreiter Riese

Die Männer des Ersten Weltkriegs – Teil 2.454: Michael Waldinger

Der Soldat Michael Waldinger wurde am 31.12.1879 in Gundelshausen geboren, einem Ortsteil der bayerischen Gemeinde Schweitenkirchen, und war der Sohn eines Landwirts. Er lebte zuletzt in Larsbach, einem Ortsteil der bayerischen Gemeinde Wolnzach. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Wehrmann in der 12. Kompanie des 7. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments (Fehler auf Sterbebild). Am 01.03.1915 fiel er im Alter von 35 Jahren im Argonnenwald bei Malancourt, nicht weit entfernt von dem Ort, an dem die furchtbare Schlacht um Verdun stattfand.

Über den Todestag von Michael Waldingervermerkt die Regimentsgeschichte des 7. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments lapidar:

„01.03.1915 Der Franzose wütet gegen uns mit Geschütz und baut sich wieder ein.“

Man begrub Michael Waldinger auf dem Soldatenfriedhof Consenvoye in einem Massengrab.

Sterbebild von Michael Waldinger
Rückseite des Sterbebildes von Michael Waldinger

Sonderbeitrag: Josef Eschenbüscher

Josef Eschenbüscher
Der Soldat Josef Eschenbüscher wurde am 11.12.1886 Schloß Neuhaus geboren, einem Stadtteil von Paderborn im heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Offizierstellvertreter in der 9. Kompanie des 74. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 04.08.1915 fiel er im Alter von 28 Jahren in den Vogesen am Lingekopf nördlich der Stadt Münster (französisch: Munster, elsässisch: Menschter).

Über den Todestag und die Todesumstände von Josef Eschenbüscher berichtet die Regimentsgeschichte des 74. Reserve-Infanterie-Regiments:

„Erstürmung des Lingekopfes

4. August 1915

Der größte Teil des ganzen Abschnitts, den wir jetzt besetzt halten, ist nur eine Notstellung. Ursprünglich waren die deutschen Gräben oben auf dem Kamm des Lingekopfes. Aber der Franzmann hat sie im Juli unseren Truppen weggenommen, ja er war teilweise noch darüber hinaus vorgedrungen. Ein späterer Gegenangriff hatte ihn aber wieder bis auf den Gipfel zurückgeworfen.

Hier liegt es nun in naher Entfernung über uns – wörtlich zu nehmen! Denn der Berg hat etwa 30 Grad Steigung! Das ist natürlich auf Dauer ein unhaltbarer Zustand. Er muss beseitigt werden, koste es was es wolle. Division, Brigade und Regiment haben schon fieberhaft vorgearbeitet. Bis ins einzelne ist alles erwogen. Heute soll der Lingekopf zurück in deutschen Besitz!

3. August spätabends Fernspruch. Die Bataillonskommandeure und einige andere Offiziere werden zum Regimentsgefechtsstand gerufen. Oberstleutnant von Bieberstein erteilt mit knappen, klaren Worten den Befehl: „Morgen abend um 6 Uhr greift das Regiment, in drei Sturmkolonnen geteilt, die Stellung des Gegners an und nimmt die alten deutschen Gräben. Die linke Sturmkolonne führt Hauptmann Settmaier, die mittlere Hauptmann Bowien, die rechte Leutnant Heweker“. Übersichtliche Skizzen werden ausgeteilt. Noch eine kurze Besprechung, Erklärung der Unterstützung durch Artillerie und Minenwerfer. Dann: „Hat einer der Herren noch eine Frage?“ Nein? Auf Wiedersehen!“ – Auf Wiedersehen!“ Jeder strebt seiner Behausung zu, den Kopf voll von Gedanken, wie man wohl dem Franzmann am besten beikommt.

Zögernd dämmert der Morgen des 4. August herauf. Die Kompanieführer rufen ihre Zugführer zu sich in den Unterstand, machen sie mit dem Befehl und den Einzelheiten des Sturmes bekannt.

Als Angriffstruppen sollen am rechten Flügel die 3. und 4., in der Mitte die 7. und 8. und links die 11. und 12. Kompanie in vorderer Linie verwendet werden.

Stellung am Lingekopf am 5. August 1915 nach dem Sturm

Jeder Sturmkolonne werden ⅔ Zug Pioniere, ein Fernsprechtrupp und eine Artilleriebeobachter mit Kabel zugeteilt. Außerdem erhalten die beiden Abteilungen auf dem rechten und linken Flügel je ein schweres Maschinengewehr.

Die Zeiteinteilung für den Sturm ist folgende:

10 Uhr – 12.45 Uhr Einschießen der Artillerie

12.50 Uhr – 1 Uhr Pause

1 Uhr – 3.30 Uhr Artilleriefeuer mittlerer Stärke

3.30 Uhr – 3.40 Uhr Artillerie-Feuerpause, Maschinengeweher-Feuer von den benachbarten Bergen Eichenrain und Schratzmännle

3.40 Uhr – 4.20 Uhr Artilleriefeuer

4.20 Uhr – 4.30 Uhr völlige Pause

4.30 Uhr – 5.10 Uhr Artilleriefeuer

5.10 Uhr – 5.20 Uhr Artillerie-Feuerpause, Maschinengewehr-Feuer vom Eichenrain und Schratzmännle

5.20 Uhr – 6 Uhr höchste Steigerung des Artilleriefeuers

6 Uhr Infanteriesturm und Vorverlegen des Artilleriefeuers

Der Ernst und die Schwere der Aufgabe, die zu lösen ist, steht jedem auf dem Gesicht geschrieben. Die Kuppe des Lingekopfes hat ja nach dem ersten Verlust schon mehrfach den Besitzer gewechselt. Wiederholt sind deutsche Truppen gegen diese starke Begbefestigung todesmutig angerannt, immer wieder ist sie in die Hand der Feinde zurückgefallen. Nun sollen Niedersachsen sich endgültig in den Besitz des Berges setzen.

Aber bei Einsicht in die sorgsame Vorbereitung dieses Angriffs muss einem das Herz leicht werden. und so ist es auch. Keiner zweifelt mehr an dem Erfolg des Unternehmens. Auch unsere Leute nehmen den Befehl ruhig und gefasst auf. Den Ernst der Lage erkennt jeder, jeder weiß auch, dass es Opfer kosten wird. Aber nirgends eine Spur von Niedergeschlagenheit!. Nur eines behagt der am rechten Flügel liegenden 3. Kompanie niecht: In dem Angriffsplan ist nicht erwähnt, ob das vor ihrer Stellung liegende französische Blockhaus gestürmt werden soll. Es heißt nur, dass die 3. Kompanie die Flankensicherung übernehmen und der 4. Kompanie folgen soll. Leutnant Presler eilt rasch zum Bataillon und erhält die Erlaubnis für die Erstürmung des Blockhauses. Leutnant Conrad soll dabei mit einem Maschinengewehr helfen. Nach dieser wertvollen Ergänzung des Angriffsplanes ist alles klipp und klar. In unserem Tatendrang ist uns der Besitz des Berges schon so gut wie sicher.

Auch außerhalb der Sturmkolonnen wird Klarheit geschaffen. Handgranatentrupps werden ausgesondert, den Zügen in 1., 2. und 3. Linie ihre Stellung angewiesen. Die Reservekompanien erhalten die nötigen Befehle. Munition und Handgranaten werden ergänzt. Kurz, es wird alles bis ins kleinste vorbereitet.

Um 9 Uhr morgens werden unsere vordersten Gräben unauffällig geräumt. Nur einige Beobachtungsposten bleiben vorne. Genügend Freiwillige haben sich zu diesem gefährlichen Dienst gemeldet.

Plötzlich ein donnerartiges Krachen. Der Berg erzittert. Unsere schweren Minenwerfer haben ihre Arbeit begonnen. Schuss auf Schuss folgt jetzt. Gespannt blicken wir hinauf auf die Höhe. Schlägt so ein Brocken ungefähr richtig ein, dann halten wir nicht mit unserem Beifall zurück. Es rührt sich in uns ein Gefühl der Vergeltungsfreude. Wurscht wider Wurscht. Damals vom Altmattkopf her haben uns die Franzmänner das Leben mit ihren Minen sauer gemacht. Heute sollen sie selber einmal spüren, wie wohl das tut.

Nach einer Stunde, um 10 Uhr, kommt ein neuer Ton in das Konzert. Heulend saust die erste Granate über unsere Köpfe weg in die feindliche Stellung. Die Artillerie schießt sich ein. Eine Batterie nach der andern beginnt das Feuer. Vom kleinkalibrigen Gebirgsgeschütz bis zum 21-cm-Mörser. Auch ein Artilleriebeobachter hat sich vorne bei uns eingefunden. Er sucht Anschluss an seine Zentrale, aber es gelingt ihm nicht.

Dafür steigert sich der Ehrgeiz unserer Artillerie, feindliche Stellung kurz und klein zu hauen. Schon fliegen die Balken und Felsdeckungen eines französischen Unterstandes hoch durch die Luft. Im nächsten Augenblick sitzt auch schon ein 21er in unserem Graben. Fernsprecher her! Aber die Verbindung zur Artillerie klappt immer noch nicht. Also Meldegänger los! Sie hasten den Berg hinab. Einige Posten kommen von vorn zurück: der eigene Graben liegt unter Feuer. Wieder wird an der Artilleriestrippe gebastelt. Vergebens! Kein Schwanz meldet sich.

Inzwischen hauen die Granaten immer kürzer ein. Ein Pioniertrupp, der an der Riegelstellung arbeitet, verliert durch ein Schrapnell 7 Mann. Auch in unsern Reihen fällt hier und dort einer aus. Die Sturmkolonnen müssen weiter zurückgenommen werden. Noch kürzer schlagen die Geschosse ein. Noch mehr zurück die Sturmmannschaften! Bange taucht die Frage auf, ob wir bei der Steilheit des Berges überhaupt frühzeitig genug oben sein können, bevor der Franzmann wieder in seinen Gräben ist.

Endlich ist die Verbindung mit der Artillerie hergestellt. Unsere Meldung über das Zukurzschießen wird aber nicht geglaubt. Die „eigene feindliche Artillerie“, wie sie schnell getauft wird, schießt weiter. Sie räumt zwar gut in der französischen Stellung auf, leistet sich aber immer noch Kurzschüsse, die uns immer neue Verluste zufügen. Bis zum Abend 200 Mann!

Sichtbar belebt wird die Stimmung, als um 1 Uhr mittags das Wirkungsschießen beginnt. Ein Hagel von Geschossen aller Kaliber, vom dumpfen Krachen schwerer Minen unterbrochen, zerschlägt die feindlichen Gräben. Beunruhigt tacken die französischen Maschinengewehre. Die Höhenstellung verschwindet im Rauch und Pulverqualm. Aber immer noch schlägt das unruhige Gewehrgeknatter an unser Ohr. Noch ist der Franzmann nicht mürbe!

Eine wohltuende Abwechslung in das betäubende Krachen der Granaten und Minen bringen mehrere Feuerpausen von 10 Minuten. Dann setzen unsere Maschinengewehre hinter uns ein und fegen mit ihren Garben über unsere Köpfe hinweg. Deutlich hören wir jetzt die angstvollen Schreie der verwundeten Franzosen über uns. Unser Wirkungsschießen muss ja auch fürchterlich da oben gewütet haben.

Aber auch diese Feuerpausen haben für die Franzmänner schreckliche Folgen, wie die mit Leichen angefüllten Gräben später zeigen. Mit dem auf die Minute festgesetzten Abbrechen unseres Artilleriefeuers glauben nämlich die Franzosen, dass nun unser Angriff beginnt. Sie stürzen aus ihrer Reservestellung nach vorne und stehen schussbereit da. Gespannt warten sie auf die ersten Ziele, die sich zeigen – warten und warten – da haut auch schon wieder nach der Feuerpause die erste schwere Granat mitten unter sie und vernichtet alles.

Von 5.15 Uhr ab erhöht sich die Feuergeschwindigkeit unserer Artillerie. Ein Orkan von Eisen und Stahl fegt durch die Luft. Baumstämme stürzen mit dumpfen Aufschlag, Felsen bersten krachend und überschütten uns mit einem Steinhagel.

Aber je toller es zugeht, desto mehr steigert sich unsere Angriffslust. Der Zeitpunkt für das Hervorbrechen kann kaum abgewartet werden. Bajonette blitzen schon über den Gewehrmündungen, im Sturmgepäck steht Mann an Mann an den Ausfallstufen.

Schlag 6 Uhr springen die Zugführer aus den Gräben, gefolgt von ihren tapferen Mannschaften. Jetzt alles heran an den Feind, auch die Reserven. Handgranatentrupps vor! Kein Gewehrschuss darf fallen, bevor wir nicht oben sind. In keuchender Eile geht es den Berg hinauf. Schon im eigenen Drahtverhau ganz am rechten Flügel fällt als erster des Sturmes Leutnant Kruse von der 3. Kompanie. Eine wohlgezielte Infanteriekugel hat ihn zu Tode getroffen. Handgranaten- und Maschinengewehr-Feuer aus dem Blockhaus empfängt die Stürmenden.

Über alles kann den ungestümen Schwung von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften nicht mehr schwächen. Schon künden die ersten Detonationen von Handgranaten, dass die Kuppe erreicht ist. Am rechten Flügel stürmen mit hocherhobenem Stock und die Pistole in der linken Leutnant Presler und Zizefeldwebel Krüger ihren Kameraden voraus. Bald sind sie am Blockhaus. Leutnant Presler steht eben aufrecht davor. Da läuft ein Alpenjäger mit dem Bajonett auf ihn los. Er wehrt den Angreifer mit dem Stock ab. Jetzt sind auch schon die ersten von der Gruppe da. „Packt ihn!“ Sie stürzen sich auf den Alpenjäger. Der wirft aber das Gewehr fort. In wütendem Nahkampf werden die Reste der Besatzung den Berg hinabgeworfen. Wer sich von den Alpenjägern noch wehrt, wird niedergemacht oder gefangengenommen.

Unweit davon stürmt mit seltenem Schneid ein anderer Trupp in die feindliche Stellung. Leutnant Warnecke ist es von der 4. Kompanie an der Spitze seines aus lauter Freiwilligen bestehenden Handgranatentrupps. Mit lautem Hurra werden die Gräben genommen.

Unteroffizier Götze (1. Kompanie) ist einer der ersten und geht der Besatzung mit bekannter Furchtlosigkeit zu Leibe. Vier Offiziere und über 20 Mann werden zu Gefangenen gemacht.

Unteroffizier Schnelle steht ihm als Führer eines weiteren Freiwilligentrupps an heroischer Tapferkeit nichts nach. Als er den zweiten feindlichen Graben noch besetzt findet, geht er mit blanker Waffe vor, springt als erster mitten unter die verdutzten Franzosen und räumt nun mit Hilfe seiner braven Leute gründlich auf. Da stürmt ihm mit aufgepflanztem Bajonett Verstärkung entgegen. Kaltblütig lässt er sie herankommen und erledigt sie im Nahkampf. Schnelle hält mit wenigen Leuten seinen Graben gegen vielfache Übermacht. Dabei findet der heldenhafte Gefreite Bakemeyer den Tod durch Handgranate.

Soweit das Auge reicht, rechts und links, überall ist der Nahkampf entbrannt. Wir wissen kaum, wie wir hinaufgekommen sind, aber wir sind oben. Schrapnells krepieren über, Handgranaten neben uns. Wir stehen im erstickenden Pulverdampf. Gesichter tauchen auf aus dem Dunst. Hier auf einem Felsblock der Kompanieführer der 3., Leutnant Heweker. Mit bombiger Ruhe leitet er durch Zeichen den Sturm. Im nächsten Augenblick hüllt ihn wieder eine Dampfwolke ein. und wie die Leute kämpfen! Jeder einzelne! Ein Bild für einen Schlachtenmaler!

Fast überall wehrt sich der Franzmann tapfer. Wenn man bedenkt, dass er viele Stunden im zermürbenden Wirkungsfeuer gestanden hat, so können wir heute seiner Zähigkeit und seinem Mut nur Achtung zollen. Mitten im Kampf versucht er seine Maschinengewehre in Tätigkeit zu setzen. Aber umsonst. Er wird von unseren wütenden Leuten einfach überrannt. Das Gewehr spielt jetzt keine Rolle mehr. Sie gehen ihm mit Handgranaten zu Leibe. Als der Vorrat zu Ende geht, nehmen sie Felsstücke. Dicke Steine fliegen in hohem Bogen hinter den Flüchtenden her. Derbe, für den Franzmann wenig schmeichelhafte Kraftworte begleiten sie.

Da! Ein Lager französische Handgranaten. Irgendeiner hat es entdeckt. Ein Alpenjäger wird geschnappt, der muss schnell Unterricht erteilen. In der nächsten Minute schon sausen die kleinen Dinger den Berg hinunter, mitten unter die feindlichen Wellen, die im Gegenstoß nach oben drängen. Gerade noch rechtzeitig kommt von rückwärts ein neuer Vorrat an Handgranaten. Wum … Wum … Wum … Krachend bersten sie und reißen blutige Lücken. Der Angreifer gibt für diesmal auf. Hinter Feldblöcken Schutz suchend springt er wieder zurück.

Derweilen wird aus dem Blockhaus schon das erste Maschinengewehr als Beute herausgetragen. In heller Begeisterung springt der junge Vizefeldwebel Krüger, ungeachtet der feindlichen Geschosse, oben auf einen freisthenden Felsblock, schwenkt die Mütze und stimmt das Lied „Deutschland, Deutschland über alles“ an. Wie ein Sturmgesang braust es durch die Reihen der Lingekopferoberer „über alles, über alles in der Welt!“

Leutnant Conrad hat inzwischen sein Maschinengewehr unter unsäglichen Schwierigkeiten und Gefahren an einer vorspringenden Bergnase in Stellung gebracht und feuert mit eiserner Ruhe in die abziehenden Reihen der Alpenjäger. Sein Ziel ist lohnend, denn schon setzen ganze Trupps von Franzosen dicht unter ihm zum Gegenstoß an. Er schießt sie alle, ehe sie sich richtig entwickeln können, mit staunenswerter Sicherheit zusammen. Ein Bild eigener Größe, wie er seinen tapferen Leuten, den Kugeln preisgebend, auf einem freien, erhöhten Fels liegt und ins Tal hinunterfeuert.

Doch plötzlich verstummt sein Gewehr. Von einem Querschläger in die Schulter getroffen, sinkt der tapfere Offizier blutüberströmt hinter seiner Waffe zusammen. Während er verbunden wird, hat schon ein anderer das Gewehr ergriffen und feuert in den Berg heraufkommender Reihen. Zu Tode getroffen sinkt auch dieser Brave in die Kniee. Ein dritter wagt es, die Handgriffe zu nehmen und auf den Abzugshebel zu drücken. Nur wenige Kugeln sind heraus, da schweigt sein tack-Tack wie abgerissen. Eine Kugel in den Bauch hat den Tapferen hingerafft. Sekunden nur, da liegt der vierte ohne Zaudern an den Griffen und mäht den Hang hinunter, bis auch dieser nach wenigen Augenblicken verwundet heruntergetragen wird.

Das Mschinengewehr muss aus allernächster Nähe Flankenfeuer bekommen. Das ist den wenigen Überlebenden klar. Und wirklich! Als einige Leute sich kriechend an den Bergvorsprung der rechten Flanke heranpirschen, gewahren sie nur 15 Meter unter sich hinter einem Felsen einen einzelnen Alpenjäger, wie er in aller Gemütsruhe sein Gewehr lädt und gerade anlegen will. Im Nu kracht ein Hagel von Handgranaten zu ihm hinunter und macht ihn unschädlich. Ganz allein hatte sich dieser verwegene Bursche dort gehalten und unsere gesamte Maschinengewehr-Besatzung auf kurze Entfernung abgeknallt.

Gott sei Dank ist diese Gefahr nun endgültig beseitigt. Die vordere Linie links vom blockhaus ist unter Führung des Unteroffizier Bünnemeyer eifrig dabei, Sandsäcke zu füllen und die eingenommene Stellung zu beseitigen. Reserven schieben sich ein und füllen die Lücke. Es ist aber auch höchste Zeit! Denn ganze Gruppen von Alpenjägern drängen hinter Felsblöcken und Baumstümpfen aufwärts. Sie wollen mit aller Gewalt wieder die Kuppe haben. Aber Handgranate auf Handgranate fliegen ihnen vor die Füße, so dass keiner von ihnen an die von Bünnemeyer verteidigte Linie herankommt. Fest ist sie in der Hand der Unsrigen.

Unvergessen bleibt die tatkräftige Unterstützung der 9. Kompanie, die am 4. August zusammen mit dem I. Bataillon eingesetzt wurde. Auch sie hat großen Anteil an den erfolgen der Sturmabteilung Heweker. Im Verbande dieser Abteilung dringen Teile der 9. Kompanie unter Führung des bei diesem Sturm gefallenen Offizierstellvertreter Eschenbüscher bis über den zweiten feindlichen Graben vor. Der Gefreite Recksieck bemächtigt sich eines französischen Maschinengewehrs und macht erst vor dem dritten feindlichen Graben halt.

Was nun geschieht, schildert uns Kamerad Schwarting in lebendigen Worten:

„Auf der granatenzerstampften Kuppe liegen die Sieger in fieberhafter Tätigkeit. Sandsäcke werden in ununterbrochener Kette von unten heraufgelangt und am Rande der Kuppe aufgebaut. Auf dem Leibe kriechend, schiebt jeder die Verteidigungslinie so weit hinaus, wie es eben geht. Zerschossene Baumstämme werden zur Befestigung zwischen die Sandsäcke gelegt. Dann werden die Stahlschilde mit den Schießscharten eingebaut. Von Minute zu Minute wird der Verteidigungsdamm höher und fester. Schon kann der Mann in seinem Schutze dahinter knien, bald steht er aufrecht und späht durch die Scharten den Hang hinunter, wo hinter Felsen noch Feinde kauern und Schuss auf Schuss gegen die entstehende Brustwehr senden. Aber sie müssen zurück, Schritt für Schritt; denn während bei uns die einen bauen, schleudern andere Handgranaten, die mit furchtbarem Getöse explodieren und Schrecken und Verwüstung verbreiten.“

Die Beute des I. Bataillons ist groß. Allein vier Offiziere, ein Arzt und ca. fünfzig unverletzte Alpenjäger werden an Gefangenen gezählt. Eine große Anzahl tote und schwerverwundete Franzosen bedecken den Kampfplatz. Zwei Maschinengewehre mit viel Munition, Hunderte von Handgranaten, zwei Fernsprechapparate (aus dem Blockhaus) und wertvolles Feldbefestigungsmaterial ist in unsere Hände gefallen. Die eigenen Verluste betragen 1 Offizier, 7 Unteroffiziere, 28 Mann tot; 1 Offizier, 18 Unteroffiziere, 103 Mann verwundet.

Die Sturmkolonne des II. Bataillons war von gleichem Angriffsgeist beseelt. Als erster verlässt Hauptmann Bowien um 6.10 Uhr den Graben und geht mit seiner Abteilung mit großem Schnei vor. Da schlägt ein Volltreffer in die 7. Kompanie. Das Hurra erstirbt auf den Lippen. Elf Mann tot! Schon scheint die Sturmkolonne an dieser Stelle zu schwanken, da springt Hauptmann Bowien vor und reißt seine Leute mit sich vorwärts. Gewehr- und Handgranatenfeuer prasselt ihnen entgegen. Durch einen Brustschuss schwer getroffen sinkt Hauptmann Bowien zu Boden.

Für seine Leute gibt es jetzt kein Halten mehr. Wütend arbeiten sie sich der Kuppe zu. Der Sturm gelingt der 7. und 8. Kompanie bis über die feindliche Stellung hinaus. Vierzig Franzosen werden zu Gefangenen gemacht. Die Beute beträgt: 1 Maschinengewehr, 300 Gewehre und einige hundert Handgranaten. Erst als die Meldung von dem sicheren Besitz der feindlichen Stellung zu ihm gelangt, lässt sich Hauptmann Bowien mit einem letzten Hoch auf seine 7. Kompanie nunmehr völlig entkräftet zurücktragen. Tags darauf erliegt er in Kolmar seinen Wunden. Mit ihm fielen Leutnant Schleip durch Herzschuss und 16 tapfere Leute. Verwundet wurden Leutnant Sahlmann, Offizierstellvertreter Sommerlatte und 106 Mann.

Allmählich wird das Gefechtsfeld übersichtlich. Der Lingekopf ist unser. Die rechte Sturmkolonne hat zwei Gräben genommen und beherrscht jetzt den jenseitigen Berghang. Auch die mittlere Kolonne hat ihr Ziel erreicht bis auf ein Grabenstück von etwa 100 Meter Breite, das die Franzosen noch zäh verteidigen.

Nur dem linken Flügel war trotz rücksichtslosen Draufgehens kein Erfolg beschieden. Sein Angriffsziel war das sogenannte Franzosennest, das zwischen Lingekopf und Schratzmännle liegt. Eine Befestigungsanlage, die durch Blockhäuser und Sappen stark gesichert ist.

Schon bei der Artillerievorbereitung gehen mehrere Volltreffer schweren Kalibers in die eigenen Gräben, wie überhaupt der ganze linke Flügel am schwersten unter den verhängnisvollen Kurzschüssen zu leiden hat. Heillose Verwirrung entstehnt. Man rennt bald hier, bald dorthin, um sich vor den eigenen Granaten zu schützen. Aber nirgends ist man sicher. Hier steht eine Gruppe der 10. Kompanie angstvoll zusammengepresst. Da…ein einziger Aufschrei! Ein gutes Dutzend blutender Leiber windet sich im schwefeldampfenden Erdreich. Sechs Mann allein tot, darunter der schneidige Unteroffizier Mürrle. Die übrigen schwer verwundet. Verzweifelte Rufe der Nächststehenden. Schon schlägt dicht dabei eine neue Granate ein. Wohin? Wohin? Wut, Angst, Entsetzen spricht aus den Gesichtern.

Kein Wunder, dass die Verbände auseinanderreißen. Die Übersicht geht verloren. An eine Bildung von Sturmgruppen ist jetzt nicht mehr zu denken. Denn die Zeit des Sturmbeginns rückt immer näher. Schnelles Handeln ist nötig, um den Anschluss an den vorgehenden Nachbarn nicht zu verlieren.

Hauptmann Settmaier setzt daher die 12. Kompanie unter seiner Führung frontal ein, während die 11. Kompanie von links flankierend eingreifen soll. Kaum aber haben die ersten Gruppen den Graben verlassen, als ihnen ein wahres Höllenfeuer entgegenschlägt.

Mit dem Degen in der Hand springt Vizefeldwebel Klug von der 11. Kompanie seinem Zuge weit voraus. Als er sich nach einer Atempause zum letzten Vorstoß gegen das Franzosennest anschickt und zum Sprung aufrichtet, sinkt er in die Stirn getroffen lautlos zu Boden. Mächtig setzt sich der Feind zur Wehr. Ungeschwächt empfängt er die Unsrigen mit einer Anzahl von Handgranaten. Bis auf 20 und 30 Meter gelangen die Vorwärtsstürmenden an das Franzosennest heran. Die Verluste mehren sich bedenklich. Besonders fegt französisches Maschinengewehr-Feuer vom Schratzmännle her in die Reihen der Angreifer, die jetzt dicht vor ihrem Ziel liegen.

Es macht den letzten entscheidenden Stoß unmöglich. Ein Verbleiben in dieser Lage ist zwecklos. Nur der Ersatz-Reservist Starke von der 12. Kompanie bleibt in opferbereiter Soldatentreue 15 Meter vor dem feindlichen Drahtverhau bei einem Schwerverwundeten in einem Granatloch liegen, schneidet seinen Mantel in Streifen und bindet seinem verblutenden Kameraden das Bein ab. Später bringt er den so geretteten wohlbehalten in den deutschen Graben zurück.

An anderer Stelle stürmen unsere braven Leute noch weiter und gelangen bis in die feindlichen Gräben. Sie haben mörderische Verluste. Während rechts beim I. und II. Bataillon die Höhenstellung des Feindes gänzlich von Artillerie und Minen zertrümmert waren, ist hier am linken Flügel das stark ausgebaute Franzosennest noch vollständig intakt. Unsere Artillerie hat unter den Kompanien des III. Bataillons fast noch stärker aufgeräumt als oben in dem Felsennest beim Franzmann. Von allen Seiten tacken Gewehre und Maschinengewehre hinter unbeschädigten Grabenwehren und speien ihre todbringenden Geschosse über unsere hinter Felsstücken geduckten Köpfe. Trotzdem kommen einzelne Gruppen Schritt für Schritt, Sprung für Sprung näher heran. Sie wollen doch hinter den Kameraden von rechts nicht zurückstehen. Ein maßloser Ehrgeiz beseelt sie, es den anderen gleich zu tun. Sie wissen nur nicht, dass sie unter bedeutend schwereren Verhältnissen kämpfen.

Jetzt gelingt es dem Reservisten Spör von der 10. Kompanie zusammen mit 2 Kameraden in den feindlichen Graben zu springen. Da steht in nächster Nähe ein feuerndes Maschinengewehr. Wie die Löwen stürzen sie auf die Besatzung, entreißen ihr die furchtbare Waffe. Mit ihnen sind noch andere durch den Kugelregen nach oben gekommen. Schnell versuchen sie sich einzurichten. Aber es ist unmöglich. Sie erhalten vom nahen Schratzmännle aus, der einige Meter höher liegt, ein derartig heftiges Flankenfeuer, dass sie sich nicht halten können. Ganz wenigen nur glückt es, unseren Graben wieder zu erreichen. Darunter auch der Reservist Spör, der allein seine kostbare Beute, das französische Maschinengewehr zurückschleppt.

Wenn der Sturmkolonne Settmaier auch kein greifbarer Erfolg beschieden ist: sie hat sich unter den ungünstigsten Bedingungen heldenhaft geschlagen. Ihre Leistungen sind vollkommen ebenbürtig. Trotz schwerer Verluste versucht sie noch am gleichen Tage, 8.30 Uhr abends mit Unterstützung der 5. Kompanie des bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments 2 einen neuen Sturm auf das Franzosennest. Aber auch dieser scheitert an der Wachsamkeit und zähen Gegenwehr der Alpenjäger. Ohne Zerstörung der feindlichen Blockhäuser muss jedes Anrennen gegen diese kleine Bergfestung zerschellen.

Inzwischen ist auch schon die Nacht hereingebrochen. Das Getöse in den Bergen verhallt. Nur ab und zu platzten dumpf ein paar Handgranaten. Vereinzelte Gewehrschüsse durchschneiden scharf die nächtliche Stille. So bleibt es bis zum frühen Morgen.

Unterdessen wird fieberhaft daran gearbeitet, die eroberten Gräben zur Verteidigung herzurichten und zu verstärken. Sandsäcke werden gefüllt und aufgetürmt, Handgranaten, Stacheldraht, Schutzschilder, Munition nach oben geschleppt. Denn wir rechnen damit, dass der Franzmann alles versuchen wird, die beherrschende Höhe zurückzugewinnen.

Wieder andere gehen einer Beschäftigung nach, die viel trauriger stimmt. In langen Zügen sieht man die Sanitäter talwärts ziehen. Auf Bahren und in Zeltbahnen schleppen sie mühsam die Schwerverwundeten und toten Kameraden den Berg hinab. Unsere Regimentsmusiker helfen dabei tapfer mit, wie sie uns auch Essen und Munition auf die Höhe heraufgebracht haben.

Was sind das hier für Unterstände? Matter Kerzenschimmer dringt heraus. Es ist ein fortwährendes Kommen und Gehen. Die schwankenden Lasten der Krankenträger verschwinden in den schmalen Eingängen. Leer kommen die Leute mit der Roten Kreuzbinde wieder zurück, oder aber sie stützen einen Kameraden, dessen weißer Verband gespenstisch durch die Dunkelheit leuchtet.

Das sind die Verbandstellen des Regiments. In ihnen sehen wir unsere Ärzte Dr. Willms, Dr. Eichwald, Dr. Grenacher und Dr. Cordua mit aufgekrempelten Hemdärmeln und blutigen Kitteln hantieren. Sie leisten die erste Hilfe, geben Tetanusspritzen, verbinden, lindern, sprechen gut zu. Unaufhörlich kommen sie hereingetragen oder herangehumpelt; jeder verlässt erleichtert, gestärkt und aufgemunutert den von frischem Blut geschwängerten Raum. Der Abtransport ist gut organisiert. Sie brauchen nicht lange zu warten, die Verwundeten, dann geht ein neuer Schub nach rückwärts, Wagen nehmen sie auf und bringen sie in saubere Lazarette, wo ein weißes Bett, eine liebevolle Pflege ihrer wartet.“

Man begrub Josef Eschenbüscher auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in einem Massengrab.

 

In Stellung am Reichsackerkopf – Von rechts nach links: Oberleutnant Engel, Leutnant Haase, Fähnrich Butt, Offiziersstellvertreter Eschenbüscher, Landsturmmann Stephan, Gefreiter Riese

Die Männer des Ersten Weltkriegs – Teil 2.453: Michael Stanglmeir

Gestern stellte ich das Schicksal von Lorenz Stanglmaier vor. Heute folgt nun sein Bruder, Michael Stanglmair.

Der Soldat Lorenz Stanglmair wurde am 23.09.1892 geboren stammte aus Trillhof, einem Ortsteil der bayerischen Gemeinde Au in der Hallertau, und war der Sohn eines Landwirts. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er in der 5. Kompanie /Regimentsgeschichte: 6. Kompanie) des 3. bayerischen Infantererie-Regiments. Am 28.08.1914 fiel er im Alter von 21 Jahren während der Schlacht von Nancy – Epinal.

Über den Todestag und die Todesumstände von Michael Stanglmair schreibt die Regimentsgeschichte des 3. bayerischen Infanterie-Regiments:

„Der 27.08. aber war Angriffstag des Korps. Das Regiment machte einen schweren aber flott durchgeführten Vorstoß über Donciéres auf die Höhen südwestlich der Ortschaft. II./3. bayerisches Infanterie-Regiment und das an Stelle des noch nicht herangezogenen III./3. bayerisches Infanterie-Regiment dem Regiment unterstellte I./20. bayerisches Infanterie-Regiment waren in vorderer Linie, der Maschinengewehr-Kompanie dem II./3. bayerisches Infanterie-Regiment unterstellt. Teilvorstöße des Feindes werden abgewiesen. Am 28.08. hält das Regiment die erreichten Stellungen trotz starker Verluste insbesondere durch schweres feindliches Artilleriefeuer und, obgleich die Nebentruppen teilweise über den Bellvillebach zurückgenommen wurde, bis abends. Dann wurde auch das 3. bayerisches Infanterie-Regiment zurückgenommen und besetzte die Höhe 316 an und ostwärts der Straße Menarmont – Donciéres.

Man hatte den Eindruck, vor einer mit starker, ortskundiger, gut eingeschossener und reichlich mit Munition ausgestatteter Artillerie bestückter Außenstellung der Festung Epinal angelangt zu sein, gegenüber welcher unsere Artillerie zu weiterem Angriff nicht ausreichte. Die nächsten Tage brachten dann auch leider den ersten Übergang zum Stellungskrieg.

Offiziell ist für Michael Stanglmair keine Grablage bekannt. Ich vermute jedoch, dass seine Gebeine, wenn sie geborgen werden konnten, anonym in einem Massengrab auf dem Soldatenfriedhof Bertrimoutier beigesetzt wurden, wo man auch seine Regimentskameraden begrub, die im gleichen Zeitraum fielen, u. a.

  • Infanterist Friedrich Leonhard, gefallen am 27.08.1914 bei Donciéres, begraben auf dem Soldatenfriedhof Bertrimoutier in einem Massengrab;
  • Infanterist Georg Buchner, gefallen am 27.08.1914 bei Donciéres, begraben auf dem Soldatenfriedhof Bertrimoutier in einem Massengrab;
  • Infanterist Peter Godl, gefallen am 28.08.1914 bei Donciéres, begraben auf dem Soldatenfriedhof Bertrimoutier in einem Massengrab.

 

Sterbebild von Michael und Lorenz Stanglmair
Rückseite des Sterbebildes von Michael und Lorenz Stanglmair

Sonderbeitrag: Rudolf Engel

Oberleutnant der Reserve Rudolf Engel
Der Soldat Rudolf Engel wurde am 11.03.1881 in Stralsund im heutigen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Oberleutnant der Reserve im Stab des 74. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 24.04.1916 verstarb er im Alter von 33 Jahren im 10. Feldlazarett des XVIII. Armee-Korps, nachdem er zuvor während der Schlacht um Verdun nahe Douaumont schwer verwundet worden war.

Über den Tag und die Umstände der tödlichen Verwundung von Rudolf Engel berichtet die Regimentsgeschichte des 74. Reserve-Infanterie-Regiments:

„Anderthalb Stunden später trifft von Leutnant Schlüter die Trauerbotschaft ein: „Oberleutnant Engel ist um 11 Uhr vormittags in der Stellung des Bataillons schwer verwundet. Granate rechten Teil des Beckens zerschmettert. Ist sofort zurückgebracht worden, hatte starke Schmerzen, ich habe ihn noch gesprochen.“

In seiner gewohnten Selbstbeherrschung und Kaltblütigkeit ist Oberleutnant Engel die Stellung abgegangen, als dicht in seiner Nähe eine schwere Granate einschlug. Obwohl eine gewaltige Zertrümmerungswunde seinen Körper schwächt, will er vorne den Abschnitt nicht verlassen. Die gleiche Granate hat seinem Melder Eilers ein Bein abgeschossen, er stirbt bald darauf. Drei Kameraden, die zum Verbinden heraneilen, werden durch eine neue Granate getötet. Als Oberleutnant Engel durch den starken Blutverlust seine Kräfte schwinden fühlt, lässt er sich mit einem Tragknüppel zur Minze zurückbringen. Tapfer hält er die Schmerzen beim Verbinden aus. Aber es ist zu spät. Er bekommt das Wundfieber dazu und haucht sein Leben aus. Einen der schneidigsten und beliebtesten Offiziere haben wir mit ihm verloren.

Man begrub Rudolf Engel auf dem Soldatenfriedhof Azannes I. in Block 1, Grab 508.

 

In Stellung am Reichsackerkopf – Von rechts nach links: Oberleutnant Engel, Leutnant Haase, Fähnrich Butt, Offiziersstellvertreter Eschenbüscher, Landsturmmann Stephan, Gefreiter Riese